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und das EphemereWerner Oechslin

Nel documento Spettacolo barocco! Triumph des Theaters (pagine 49-59)

Fest – der Drang zur Verfestigung in der Architektur

Sarebbe una felicità, che tutte le spese per le guerre si convertissero per gli spettacoli.

Francesco Milizia, Principj di Architettura Civile, Finale: Jacopo de’ Rossi 1781, Bd. II, 418.

Feuerwerk ist eines der aufwendigsten Geschäfte; und man versteht Milizia gut, wenn er diese – militärischen – Ausgaben lieber den Festlichkeiten und den dazugehörigen architektonischen Einrichtungen zugutekom-men lassen möchte (Abb. 1). Die Feuerwerke-rei ist fest in der Hand der Artillerie. Doch längst hat man sich damit nicht begnügt. Amedée Frézier, einer der Autoren eines einschlägigen Traktats zu den »Feux d’Arti-fices«, schreibt (Abb. 2): »Ce n’est pas assez

d’avoir fait amas de plusieurs pièces d’artifices pour en composer un feu de joie, si l’on ne sçait en faire valoir les effets pour un ingénieux arrangement sur un théâtre fait exprès, & décoré de ce qui peut caractériser le sujet de la réjouissance.«1

Feuerwerk wird erst dann zum Genuss, wenn es theatralisch in Szene gesetzt und in festere Formen überführt wird. Man soll in diesem Sinne aus dem bloßen Geschehen Nutzen ziehen und das rein sinnliche Vergnügen eines Feuerwerkes um die entsprechenden Einrich-tungen erweitern; ein zu diesem Zweck erstelltes und dekoriertes – ephemeres – Thea-ter soll dies leisten. Als Fréziers einschlägiger Traktat erschien, feierte Paris die üppigsten Feste seiner Geschichte, auf der Seine wie im Hôtel de Ville. Im Titel der großformatigen Gedenkpublikationen, die 1745 zur ersten und 1747 zur zweiten Hochzeit des sechzehn-respektive achtzehnjährigen Dauphin

erschie-nen, ist der Charakter dieser Feste unmissver-ständlich beschrieben: »Fêtes Publiques«.2Es waren öffentliche Feste, welche die Stadt Paris austrug, Feste, die in der Öffentlichkeit, in der Stadt stattfanden und den entsprechenden Aufwand rechtfertigen sollten.

Wenige Jahre später, doch längst in einer ›aufklärerischen‹ Zeit, geht Francesco Milizia den nächsten Schritt, wenn er nun solcherlei Festlichkeiten verbindlich zu den Aufgaben des Architekten zählt. Längst ist es offensichtlich geworden, dass die Feste – gerade dann, wenn sie nicht nur ›böllern‹, sondern inszenieren – eine Angelegenheit der Stadt sind und der Instrumentierung des öffentlichen Raumes dienen. Milizia, der sich um die verschiedenen Aufgaben und veränderten Kompetenzen des Architekten kümmert, lässt dem Kapitel zu den »Edificj di Magnificenza Pubblica« ein beson-ders ausführliches zu den »Edificj per gli spettacoli pubblici« folgen.3Und dort findet sich nach Zirkus, Theater und »Waux-Halls« die Behandlung der »Fuochi Artificiali« und der »Illuminazioni, e Feste«.4Hier könne der Architekt seine ganzen Talente (»tutta la vivezza

del suo ingegno«) entfalten, in dem er auf Anhieb »tempj, palagi, portici, archi, giardini, grotteschi, nell’apparenza più sontuosa« erstellen und dabei

aus dem ganzen Schatz der Geschichte und der Fabel, der Natur und den »belle azioni della vita

umana« schöpfen könne.5»Soggetti più analoghi«:

im Mittel einer ephemeren Architektur kann der Architekt im Nu die Welt und das Leben

abbilden. Das Fest als Spiegel der Welt und

zuvorderst des Lebens! Und das nimmt den Architekten in die Pflicht und führt ihn über das bloße »Panem, & circenses« der Volksbelusti-gung hinweg, von dem Milizia eingangs seiner Erläuterung sagt: »è la divisa di tutti i popoli«.6

Abb. 1: Francesco Milizia, Principj di Architettura Civile, Bd. II, Finale 1781, Frontispiz. Mit dem Kapitel »Edificj per gli spettacoli pubblici«: Festarchitektur als Bauaufgabe. Bibliothek Werner Oechslin (©: ebenda) Abb. 2: Amedée François Frézier, Traité des Feux d’Artifice pour le spectacle [1741], Paris 1747. Titel zum dritten Teil mit der Vignette nach C. N. Cochin mit einer Illumination und Brunnenar-chitektur inmitten eines Platzes. Bibliothek Werner Oechslin (©: ebenda)

Mit dem Anspruch einer architektonischen Aufgabe wächst die Verpflichtung, diese sinnvoll zu gestalten. Mit dem Interesse an Fest und Öffentlichkeit ist auch längst die Diskussi-on des »embellissement«, der Stadtverschöne-rung, verbunden. Was früher aus Anlass eines königlichen Besuchs zur Auffrischung von Fassaden vorgekehrt wurde, ist nun festes Programm einer Stadtarchitektur. Das Epheme-re tendiert zur Verfestigung und findet in der aufklärerischen Zeit seinen neuen Sinn. Das beginnt in Milizias Darstellung mit den Ansprüchen an die Qualität von Verkleidungen mit Seide und Damast, was weniger ins Gewicht fällt als die Forderung, dass sie »significanti«, bedeutsam und auch aussagekräftig, sein müssen. Der Aufwand soll begründet und die Ausführung mit Geschmack, »con gusto, con intelligenzia«, vollzogen werden. Auch die Belehrung ist – bloßer barocker Rhetorik enthoben – eingekehrt. »Non se ne ammirerebbe

soltanto la sontuosità, se ne goderebbe l’istruzione«.7

Im Grunde genommen war sie immer gegeben: Auch zu Zeiten größter kriegerischer Konflikte erleuchteten Feuerwerke die Allegorie von Frieden und Glück. Propaganda mit oder ohne Belehrung! Schließlich verschmäht Milizia auch nicht die szenischen Reize und visuellen Effekte; ganz im Gegenteil, es bedarf des richtigen Augenpunktes (»un giusto punto di

distanza«), um gut zu sehen (»per considerare l’aspetto«), zur Belehrung wie zum Vergnügen.

Hauptsache man sieht etwas, weshalb der Architekt bei seinen ephemeren Fassaden Fenster anbringen soll, in denen etwas er-scheint, somit auch etwas zu sehen ist. Nur eines verurteilt Milizia scharf – und steht insofern ungewollt auf der Seite des theaterfeindlichen Klerus: Er wendet sich voller Abscheu gegen die Exzesse von »feste tumultuose«, gegen »cavalca-te insipide«, gegen »scorret»cavalca-te maschera»cavalca-te«, gegen »cataste di carne, e di salumi«, gegen die »disgustevoli fontane di vino«, und man denkt gleich an die großen Wannen der Caracalla-Thermen, die, vor dem Palazzo Farnese aufgestellt, dem Volk bei Gelegenheit den Wein in unerschöpflichem Maße anboten, um es an den Feiern teilhaben zu lassen. Milizia be-schreibt die möglichen Folgen, es würde allein zur »ubriachezza della canaglia« führen.8Panem & circenses! Keiner modernen Hygienekontrolle

hielte dies stand.

Im Zuge der Bemühungen, aus dem bloß Ephe-meren zugunsten der Stadt und ihrer »magni-ficenza« Bauten zu erstellen, haben sich die – erhöhten – Ansprüche entwickelt. Vorgängig hält Milizia zugunsten geordneter Festtätigkeit

fest: »Ma per tali spettacoli ci vorrebbero delle

macchine«. Und diesen

Verbesserungsvorschlä-gen liegt die Maxime zugrunde: »Il vero fine, che

ogni società illuminata deve proporsi in qualunque spettacolo pubblico, è il diletto non mai disgiunto dall’utile.«9Milizia dreht dieses Argument zugunsten der »virtù«, die alles, auch das Fest, bestimmen müsse. »L’utile degli spettacoli Ginnastici« ist der körperlichen Gesundheit zugeordnet; aber die Schlächterei im alten Zirkus sei menschenverachtend und hätte bei den alten Römern zur Verrohung geführt. Was die moralischen Motti barocker Emblematik und Panegyrik stets in den Vordergrund gerückt haben, es kommt in aufklärerischen Zeiten in noch viel direkterer Weise erneut zum Zuge. Im Zentrum aller öffentlichen Festlichkeit steht der Mensch. »Lo spettacolo più

interessante per l’uomo è l’uomo stesso«, bemerkt

Milizia 1781 zu Beginn seiner Ausführungen zu Fest und Magnifizenz.10Das ist nicht weit entfernt von Kants Erwägungen zu Beginn seiner Anthropologie in pragmatischer Hinsicht

abgefaßt von 1798, wo er den »Fortschritt in der

Cultur« und das »zum Gebrauch für die Welt« mit eben jener Feststellung begründet, »weil der [= der Mensch] sein eigener letzter Zweck ist«.11

Das Fest – das Leben

Cette scene fut interrompue par une espece d’alle-mand, qui perça la foule pour dire, à demi-ivre, que c’étoit bien la peine de tant dépenser en lumieres, pour ne faire voir de l’eau. Un gascon qui passa d’un autre côté, dit: »hé! sandis, je meurs de faim; on vit donc de l’air à la cour des rois de France?« A ces deux originaux, en succédèrent quelques autres. Ils s’unirent tous à la fin pour chanter leurs plaintes, & ce choeur comique, finit d’une maniere plaisante cette partie de fête.

(B) [= Louis de Cahusac], Fêtes des Princes de France, in: [Denis Diderot – Jean Le Rond d’Alembert], Encyclopédie ou Dictionnaire Raisonné des Arts et des Métiers, Bd. VII, Paris: Briasson et al. 1756, 597.

Die innere Logik des Ephemeren drängt zur Verfestigung, denkt man. Doch das bloß Vorübergehende ist einer Welt vertrauter, die vom zufälligen Gang der Dinge lebt. Mit der Fiktion verbindet sich andererseits die Notwen-digkeit ständiger Vergegenwärtigung und Vergewisserung. Je ungewisser die Verhältnisse, desto wichtiger die sporadischen Anhaltspunk-te, die man festhält und an denen man an-knüpft. Der Jesuit Neumayr empfiehlt die Fiktion in seiner Idea Poeseos, die dafür zugleich auch methodische Anleitung sein will, unter der Bedingung, dass sie einer versteckten Wahrheit Ausdruck gebe (»nisi quae occultam veritatem

significent«).12Ob das ›narrativ‹, historisch, moralisierend, ob emblematisch oder epigra-phisch geschehe, ist einerlei.

Damit sind aber auch die Mittel bezeichnet, deren sich die ephemere Kultur bedient. Und ganz im Sinne der Fiktion verschwinden die Grenzen des Wirklichen und der Vorstellungen, was ja auch der Absicht solcher ephemerer Gebilde entspricht. Grundgelegt ist die Einsicht

»ens est analogum«, wie es die aristotelischen

Grundthesen damaliger Zeit zuweilen – wie anlässlich einer Johann Nepomuk-Feier in Prag 1730 – herausstellen.13Aus der Endlichkeit und Veränderbarkeit der Welt – und der alles verbindenden Analogie – bezieht das Jeweilige, das gerade Gegebene und somit das Ephemere seine ganze Kraft. Es kann sehr wohl die Rolle des Wirklichen übernehmen; es steht in jedem Fall als das ›Erlebte‹ im Vordergrund. Und es ist allumfassend der ›Poetik‹ einbeschrieben, ihr Revier, ihre Kompetenz! In ihrer Verbindung mit der ›imitatio‹ ist die umfassende Aufgabe der Poetik begriffen, alles, »whether sensible or

mental«, wie es Thomas Twining 1789 auf den

Punkt bringt, der Wahrnehmung zuzuführen.14

Leben, das ist der eigentliche Begriff, der sich

mit dem Ephemeren und mit dem Fest am besten verbindet. Weit mehr als der nach Ewigkeit dürstenden Architektur (Le Corbusiers »pérennité«!) gelingt es dem Ephemeren, die ganze Aufmerksamkeit auf den einen Moment zu konzentrieren und damit die Wahrnehmung und den Genuss zu verstärken.

Auch das hat Zuspruch und Kritik erfahren. Wie könnte man ein Fest besser als durch eigenes Mittun feiern! Berühmt ist der Fall des dreizehnjährigen Louis XIV., der am 26. Febru-ar 1651 erstmals als Tänzer im Ballet de

Cassan-dre zu Ehren Mazarins auftrat und dies danach

noch öfters bis zum letzten Auftritt im Ballet de

Flore 1669 wiederholte. Voltaire hat das Lob

über die harmonische Erscheinung des jungen Königs »avec les proportions marquées, & les attitudes dont la nature l’avait embelli« aufgenommen, um sich dann über die Erwäh-nung eines die Harmonie des Festes aufbre-chenden – oder vielleicht doch die Belustigung bereichernden – Störenfrieds »à demi-ivre« aufzuhalten.15In Voltaires Question sur

l’Ency-clopédie ist es ein »Allemand ivre«, der die Klage

über Verschwendung erhebt und Voltaire bemerken lässt, es sei traurig, dass derlei Platitüden (»de pareilles platitudes«) in einem »Dictionnaire des arts & des sciences« erzählt würden.16Louis de Cahusac hatte die Episode am Ende seiner langen und detaillierten

Festbeschreibungen erwähnt, die 1756 im sechsten Band der Encyclopédie publiziert wurden.

Doch so platt ist jener Wortwechsel nicht; er beschreibt einen ganz besonderen Aspekt des Ephemeren, welcher der Aufmerksamkeit zu entgleiten droht. Zu den Feuerwerken und Wasserspielen meinte der – sprichwörtlich – ›halb- oder ganzbetrunkene‹ Deutsche, es sei merkwürdig, dass man so viel an Licht aufwen-de, um nichts weiter als Wasser sichtbar zu machen. (»Est-ce la peine de faire tant de dépense en bougie pour ne faire voir que de l’eau?«) Darauf antwortete ein vorbeigehender »Gascon«: »hé! sandis, je meurs de faim; on vit donc

de l’air à la cour des rois de France?«17

Leben! Verschwendung! Wer sich solchen Luxus leisten kann, der kann wohl auch von bloßer Luft leben! Die »cuccagna«, das Schlaraf-fenland, in Neapel schon mal als Fest inszeniert,

entpuppt sich dagegen schnell als sehr vergäng-liche, einmalige, im wahrsten Sinne ephemere Angelegenheit und muss sich erst noch vorwerfen lassen, Unordnung und Störung zu bescheren. Anderes, Höheres soll dem Epheme-ren deshalb verbindlich nachfolgen. In der

Encyclopédie ist der tänzerische Auftritt von

Louis XIV. als »aurore du gout & des Beaux-Arts« beschrieben.18Und es folgt die Empfehlung:

»Que ces magnifiques spectacles doivent charmer un bon citoyen.«19Das meint wohl kaum jene von Milizia erwähnte und auch von Voltaire gescholtene »canaglia«, die sich der Trunken-heit ergibt.

In der Differenz zwischen Erwartung und Wirklichkeit findet die Propaganda ihren Platz. Es werden ja auch immer dynastische Ansprü-che ins Fest gekleidet; und die KirAnsprü-che tut ihresgleichen. Auch dies lechzt nach Verfesti-gung! Ein »Oesterreichisches DEO GRATIAS«, ein »Danck-Fest« sollte es 1680 nach

Überwin-dung der Pest sein und ließ Abraham a Santa Clara »bey der Säulen der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit« predigen und das Diktum erinnern (Abb. 3): »Es kommt Segen nach dem

Regen / Es kommt Freude nach dem Leid.«20Man frohlockt, wenn es wieder mal gut geht. Und gerne hört man Versprechungen.

Geschichte ist Fiktion. Je vergänglicher das Ereignis, desto größer und aufwendiger die Bücher, die jenes dem Ephemeren entziehen und doch noch verewigen sollen. Allein, jedermann müsste wissen, dass die Stiche dort ›im Bild‹ eine Illusion schaffen, der eine andere als die scheinbar abgebildete Wirklichkeit entspricht, weil die zusammengezimmerten und behelfsmäßig installierten, eher brüchigen ›Fest-Architekturen‹ sich nunmehr so darge-stellt finden, als ob sie wirklich gebaut worden wären. Das Bild schafft doppelte Illusionen; Fest-Architekturen, wie sie beispielsweise Giuseppe Vasi sticht, lassen sich in diesem

Abb. 3: Abraham a Santa Clara, Oesterreichisches DEO GRATIAS, Das ist: Eine Auß-führliche Beschreibung Eines Hochfeyerlichen Danck-Fests, Wien 1680. Titel und Fron-tispiz mit der Pestsäule am Graben. Bibliothek Werner Oechslin (©: ebenda)

Abb. 4a: Vitale Mascardi, Festa, fatta in Roma, Alli 25. di Febraio MDCXXXIV., Rom [1635]. Titel der von François Collignon illustrierten Publikation des von Kardinal Antonio Barberini zu Ehren des polnischen Prinzen Alessandro Carlo organisierten Festes. Bibliothek Werner Oechslin (©: ebenda)

Abb. 4b: François Collignon, Darstellung des am Vorabend im Hause Falconieri organisierten Theaters mit dem Auftritt der die »bellezze delle Donne« be-singenden Nymphen. Aus: Mascardi 1635. Bibliothek Werner Oechslin (©: ebenda)

Abb. 4c: François Collignon, »Comparsa del Manteni-tore«. Aus: Mascardi 1635. Bibliothek Werner Oechslin (©: ebenda)

Abb. 4d: François Collignon, Auftritt der »Sesta Squadriglia di Scitia«. Aus: Mascardi 1635. Bibliothek Werner Oechslin (©: ebenda)

Medium von tatsächlich gebauter Architektur nicht mehr unterscheiden. Im Bild hebt sich der Unterschied von vorgetäuschter, ephemerer und wirklicher Architektur auf. Mitaufgehoben ist die Unmittelbarkeit des im Moment gelebten Ereignisses.

Das Ereignis und die Flüchtigkeit des Festes

É proprio delle opere famose l’eccitar desiderio di se, e non satiar mai a bastanza le volontà di chi una volta ne hà appagata la vista.

Vitale Mascardi, Festa, fatta in Roma, Alli 25. di Febraio MDCXXXIV., Rom: Mascardi [1635], [*3r]

Nur das Fest selbst, das Ereignis, ist wirkliches Leben. Vitale Mascardi lässt zu Beginn seines Berichts zu dem am 25. Februar 1634 in Rom von Kardinal Antonio Barberini veranstalteten Fest erfahren, wie man versuchen kann, dies zu kompensieren: »risplendere con altro lume«.21Ein Anderes, Neues muss an die Stelle dessen treten, was nur einmalig im Festereignis geschieht und deshalb schnell nach einer Verfestigung in der Erinnerung ruft. Das Ziel lautet dann: »sodisfare al publico desiderio di

rivedere almeno in effigie le incomparabili bellezze di un sì maestoso Theatro«.22Man behilft sich mit einer anderen Virtuosität, derjenigen des Stechers François Collignon, der als Schüler Callots dafür Gewähr bietet und nun die von Andrea Sacchi erfundenen Bilder umsetzt

(Abb. 4a–d). Das Buch soll es richten und der

Leser möge sich mit dem »altro lume« abfin-den und hoffen, dass vom Festereignis »qualche

reflesso nell’imagine« wieder aufleuchten (»rilucere«) würde.23Ja, es wird die ›verspätete‹ Publikation gerade dadurch entschuldigt, dass man sich besondere Mühe gegeben hätte, um möglichst viel von dem Geschehenen aufzufan-gen und es möglichst gut und getreulich – als »una fedele notitia« – zu vermitteln.24

Und so gibt es letztlich nur Vorteile – für das Buch, denkt man. Doch es ist ›nur‹ ein Buch. Die Vorstellung, man könne auf Grund des Buches das Fest gleichsam neu erstehen lassen, ist bloß Wunschdenken. Mehr als das »trasmet-tere«, das Übermitteln, ist es nicht, so schön die Stiche Collignons auch sein mögen. Die Einzigartigkeit des festlichen Anlasses, des lebendigen Ereignisses im Theater der Piazza Navona mitsamt dem »superbo Torneo« der »Giostra del Saracino« lässt sich nicht ›reprodu-zieren‹. Jenes 1634 in die fastnächtliche Zeit gesetzte Fest war ›temporär‹, so temporär, dass der Principe Alessandro Carlo di Polonia, zu dessen Ankunft in Rom es eigentlich gedacht war, die Stadt schon längst wieder verlassen

hatte.25So schnell läuft die Zeit. Nicht alles kann dabei in gleicher Weise bedacht werden; und Vitale Mascardi fragt: »E che la strettezza del

tempo, che fece eleggere per necessità questa sorte di trattenimento, dilatasse all’incontro tanto alla magnificenza le porte?«26

Das Fest geht in Windeseile vorbei, sodass wohl keiner aus der Fülle der Ereignisse alles erinnern konnte. So bedankt sich Mascardi bei all denen, welche die »componimenti de’ Car-telli, Riposte, e Poesie« verfasst haben und auf diese Weise – »con la gentilezza delle loro penne« – vorsorglich der »memoria della festa« zugedient haben. Dem flüchtigen Ereignis wird so wenigstens als »fedele notitia«, »in effigie« und »con somma esattezza« ein möglichst adäquates, jedoch völlig anderes, für sich selbst sprechendes Erinnerungswerk in Text und Bild gegenübergestellt.

Man kann nicht übersehen, dass man mit der Zeit versucht, diesen ›Mangel‹ des Festes auszugleichen. Zunehmend bereichern ›stehende Bilder‹ die Feste. Mittelbar nähern sich Fest und Darstellung entsprechend der darstellerischen Fähigkeiten der Künstler und ihrer Darstellungsformen an. So erweisen sich neben der ›Architektonisierung‹ auch die Verfestigung im Bild als Kompensation des ephemeren Charakters des Festes. Doch letztlich steht dem die Natur des Festes als

einmaliges Ereignis stets entgegen. Es liegt so viel

Reiz in der Tatsache, dass alles vergänglich ist und wie ein Rausch vorüberzieht. Je deutlicher dies zutage tritt, desto einmaliger erscheint das Fest – auch in der Erinnerung.

Deshalb nochmals zurück zum Fest als Ereignis, wie es sich am 25. Februar 1634 auf der Piazza Navona zugetragen hat, wo die Not der Vergänglichkeit droht und sich alles auf den Moment zuspitzt und alle und jedes in das Ereignis involviert. Festlichkeiten haben es in sich; sie erregen Bedürfnisse, die sich nie erschöpfen lassen und der Phantasie einen umso größeren Platz zuweisen. Darin verschwin-den die Grenzen. Und das unmittelbare Erleben steigert den Sinneseindruck, dessen Zeugenschaft auch das andere, was man nicht sieht, als wirklich erleben lässt. Alles wird zwar jenen »chiari ornamenti« zugeordnet, von denen dann Vitale Mascardi sagt: »che furono

veduti nell’originale«. Doch der Kreislauf von

Ereignis und Erinnerung ist in Bewegung gesetzt und lässt sich nicht mehr aufhalten. Und dazwischen schiebt sich noch mächtiger die Illusion, die von den Sinnen angeregt Fiktion und Wirklichkeit vermengt und in ein

Ganzes hüllt. Jene dargestellten Geschehnisse, sie mögen in Ägypten oder im alten Griechen-land angesiedelt sein, ereignen sich vor aller Augen hier und jetzt. Wie sollte man anders das erste Quartett des Sonetts entwirren, das 1634 den »Dame Romane« gewidmet und von den »Cavalieri di Provenza« an »Tiamo di Menfi« gerichtet wird: »De la vostra beltà la luce offende /

Nel documento Spettacolo barocco! Triumph des Theaters (pagine 49-59)

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