Zwei Seiten der gleichen Medaille?
Zum Einsatz korrelativer Konnektoren in (vor)-wissenschaftlichen Texten
Einleitung und Fragestellung
Korrelative Konnektoren wie beispielsweise einerseits/ander-erseits, sowohl/als auch, zwar/aber usw. finden sich zahl-reich in wissenschaftlichen Texten. Sie fungieren als Ko-härenzmarker und sind ein Hinweis auf den hohen Ausbau-grad der verwendeten Sprache. Aus der Perspektive der Re-zeption handelt es sich dabei um sprachliche Formulierungs-muster mit hohem kognitivem Anspruchsgehalt. Dies gilt ins-besondere für Studierende, wenn sie sich das Verständnis komplexer fremdsprachiger Texte aneignen und ihrerseits wiederum wissenschaftliches Schreiben in der Studienspra-che erlernen wollen bzw. müssen.
Das vorliegende Projekt geht der Frage nach, ob und inwie-weit sich in den schriftlichen Arbeiten (Tesine) italienischer Studierender am Gebrauch korrelativer Konnektoren der Entwicklungsgrad ihrer produktiven Textkompetenz ablesen lässt.
Korpusarchitektur
Grundlage für die quantitative und qualitative Auswertung ist das MoRe-Korpus, das sich aus schriftlichen Arbeiten von Studierenden des ersten Bachelor-Jahres (euroWiss-Tesine-Korpus), des dritten Bachelor- und des zweiten Master-Jahres sowie aus Abschlussarbeiten (Tesi di Laurea) zusam-mensetzt.
Zum Zeitpunkt der hier vorgestellten Bestandsaufnahme (2004-2012) setzt sich das Korpus folgendermaßen zusam-men:
- 91 Texte
- 325386 Tokens / 33999 Types - 113 Autorinnen/Autoren
Bibliographie
Breindl, Eva / Ferraresi, Gisella / Volodina, Anna (Hg.) (2011): Satzverknüpfungen. Zur Interaktion von Form, Bedeutung und Diskursfunktion. Berlin / New York: de Gruter. - Breindl, Eva / Volodina, Anna / Waßner, Ulrich Hermann (2014): Handbuch der deutschen Konnektoren 2. Semantik der deutschen Satzverknüpfer. Berlin / New York: de Gruyter. - Cezara Missing, Cristina (2017): Kohärenz und Komplexität. Eine empirische Untersuchung zur Rezeption von Konnektoren durch Nicht - Muttersprachler des Deutschen auf DSH - Niveau. Kassel: University Press. - Ferraresi, Gisella (Hg.) (2008): Konnektoren im Deutschen und im Sprachvergleich. Beschreibung und grammatische Analyse. Tübingen: Narr. - Hoffman, Ludger (Hg.) (2009): Handbuch der deutschen Wortarten. Berlin / New York: de Gruyter. - Hornung, Antonie (2018 im Druck): Der muttersprachliche Fingerabdruck in der Gedankenentwicklung beim Verfassen (vor)wissenschaftlicher Arbeiten im Studium des Deutschen als Fremdsprache. In: Cirko, Lesław/ Pittner, Karin (eds.) (i.E.), Wissenschaftliches Schreiben interkulturell: Kontrastive Perspektiven. Berlin u.a.: Lang. - Pasch, Renate / Brauße, Ursula / Breindl, Eva / Waßner, Ulrich Hermann (2003): Handbuch der deutschen Konnektoren 1. Linguistische Grundlagen der Beschreibung und syntaktische Merkmale der deutschen Satzverknüpfer. Berlin / New York: de Gruyter.
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
Tesina Tesina (Gruppe) Übersetzungs-T. Übersetzungs-T. (Gruppe) Textarten 0 10 20 30 40 50 60 1./2. 3./4. 5./6. 7./8. 9./10. Texte pro Jahrgang WS SS
Wie weiter?
Bereits aus diesen ersten, primär quantitativen Analysen eines Teils des Korpus geht hervor, dass die Verwendung kor-relativer Konnektoren tatsächlich einen Hinweis auf einen fortgeschritteneren Gebrauch der deutschen Sprache dar-stellt. Ihr Fehlen in einem Drittel der Arbeiten unterstützt die Ausgangshypothese, und auch der relativ beschränkte Ge-brauch in einem weiteren Drittel der Texte spricht dafür. For-schungsbedarf besteht, abgesehen von der Ausweitung der Analysen auf das ganze, derzeit vorhandene Korpus, hinsicht-lich weiterer Indizien für den Schreibentwicklungsstand der Novizen und Novizinnen unter Berücksichtigung ihrer mut-tersprachlichen Schreibkompetenzen sowie derjenigen im Englischen als obligatorischer erster Fremdsprache. Außer-dem ist der Gebrauch von korrelativen Konnektoren in do-mänenspezifischen Expertentexten in italienischer und deut-scher Wissenschaftssprache zu untersuchen und in Vergleich zu setzen.
Prof. Dr. Antonie Hornung antonie.hornung@unimore.it
13. Internationale Tagung zur Funktionalen Pragmatik (FP13)
ZHAW Department Angewandte Linguistik
Winterthur – 4. – 6. Oktober 2018
Prof. Dr. Antonie Hornung / Dr. Vincenzo Gannuscio
Dr. Vincenzo Gannuscio
vincenzo.gannuscio@unimore.it
Dipartimento di Scienze Linguistiche e Culturali Largo Sant’Eufemia, 19
I - 41121 - Modena
Analysierte korrelative Konnektoren
In der hier vorgestellten Bestandesaufnahme wurde das Kor-pus hinsichtlich des Vorkommens sechs korrelativer Konnek-toren-Paare analysiert, die nach ihren semantischen Eigen-schaften in folgende Subklassen eingeteilt werden könn(t)en: additiv inklusiv sowohl / als auch
nicht nur / sondern auch additiv exklusiv (?) einerseits / andererseits disjunktiv exklusiv entweder / oder
weder / noch
konzessiv zwar / aber
Einsatz korrelativer Konnektoren
Korrelative Konnektoren können mehr oder weniger kom-plexe Spracheinheiten verbinden. Sie verknüpfen innerhalb eines Satzes Phrasen (Nominalphrasen, Adjektivphrasen, Präpositionalphrasen usw.) oder auch komplexere syntak-tische Gefüge. Für beide Anwendungen finden sich im Kor-pus unterschiedlich häufige Belege. Es lassen sich dabei fol-gende Tendenzen feststellen: Vorzüglich zur Phrasen-verknüpfung dienen sowohl/als auch, nicht nur/sondern auch, entweder/oder, weder/noch, wohingegen einerseits/ andererseits und zwar/aber eher in parataktischen Satzkon-struktionen vorkommen.
Eine detailliertere Analyse der vorhandenen Belege ergibt, dass sich im Gebrauch der korrelativen Konnektoren keine signifikanten Unterschiede erkennen lassen. Allerdings zeigt sich, dass weiter fortgeschrittene Studierende korrelative Konnektoren häufiger für die Phrasenverknüpfung einsetzen, während sich die Novizen des wissenschaftlichen Schreibens ihrer vermehrt für parataktische Satzkonstruktionen bedie-nen: 26% 24% 78% 67% 79% 97% 74% 76% 22% 33% 21% 3% zwar / aber einerseits / andererseits weder / noch entweder / oder nicht nur / sondern auch sowohl / als auch Phrasen Sätze 0% 25% 33% 0% 78% 90% 0% 75% 67% 100% 22% 10% zwar / aber einerseits / andererseits weder / noch entweder / oder nicht nur / sondern auch sowohl / als auch 1./2. Semester Phrasen Sätze 0% 0% 0% 100% 71% 0% 0% 100% 0% 0% 29% 0% zwar / aber einerseits / andererseits weder / noch entweder / oder nicht nur / sondern auch sowohl / als auch 5./6. Semester Phrasen Sätze 40% 0% 67% 78% 69% 100% 60% 100% 33% 22% 31% 0% zwar / aber einerseits / andererseits weder / noch entweder / oder nicht nur / sondern auch sowohl / als auch 7./8. Semester Phrasen Sätze 21% 27% 100% 71% 83% 97% 79% 73% 0% 29% 17% 3% zwar / aber einerseits / andererseits weder / noch entweder / oder nicht nur / sondern auch sowohl / als auch 9./10. Semester Phrasen Sätze
Korrelative Konnektoren im Korpus
Mehr als ein Drittel der Autorinnen und Autoren der im aktu-ellen MoRe-Korpus versammelten Dokumente setzen in ihr-en wissihr-enschaftlichihr-en Textihr-en kein einziges korrelatives Kon-nektoren-Paar ein. In weiteren 35% der Arbeiten beschränkt sich die Zahl der verwendeten korrelativen Konnektoren auf 1 bis 3 je Text und in nur einem Viertel finden sich zahl-reichere Belege.
Belege für korrelative Konnektoren finden sich in Texten aller Niveaustufen des Korpus. Das folgende Diagramm deutet da-rauf hin, dass die Verwendung von korrelativen Konnektoren mit der steigenden Sprach- und Argumentationskompetenz in der Studiensprache zunimmt.
Eine detailliertere Analyse der erhobenen Konnektoren-Paare zeigt, dass vorzüglich „sowohl / als auch“ und „nicht nur / sondern auch“ verwendet werden.
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
1./2. Sem. 5./6. Sem. 7./8. Sem. 9./10. Sem. entweder/oder nicht nur / sondern auch weder / noch
zwar / aber einerseits / andererseits sowohl / als auch
keine kK 1-3 kK 4-6 kK 7-9 kK 10-12 kK 13-15 kK mehr als 15 kK 38% 35% 15% 6% 4% 0% 1% 0% 50% 100% 150% 200% 250% 300% 350% 400% 450%
1./2. Sem. 5./6. Sem. 7./8. Sem. 9./10. Sem.
korrelative Konnektoren pro Anzahl der Texte/Studienjahr
45% 55% Texte pro Studiengang Ba Ma 105 10 Textproduzenten Frauen Männer