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Kafkas Italien. Versuch einer Einordnung

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TRANS Nr. 21

TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | Internet journal for cultural studies | Revue électronique de recherches sur la culture

Kafkas Italien. Versuch einer Einordnung

Jutta Linder

Abstract:

In der Vorstellungswelt Kafkas ist Italien, das er in der Zeit vor und während der Niederschrift des Verschollenen dreimal bereist hat, als Assoziation mit Natürlichkeit, Gesundheit und Freiheit ausnehmend positiv besetzt. Inwieweit sich dies in seiner Dichtung hat niederschlagen können, wird neben anderen Aspekten seiner einschlägigen Reiseverarbeitung am Fall des Jäger Gracchus zu zeigen versucht. Der Beitrag schließt sich der eher neueren Forschungsrichtung an, die sich um eine Revision des landläufig „Kafkaesken“ zu Gunsten eines auch von lichteren Momenten durchsetzen Kafka-Bildes bemüht.

Dreimal hat Kafka, wenn er sich von Prag losmachte, um auf Reisen zu gehen, italienischen Boden betreten1. Beim ersten Mal, es war im Herbst 1909, hat er sich mit dem Freund Max Brod und dessen Bruder Otto auf den Weg begeben, ist über München und Innsbruck nach Riva im damals österreichischen Teil des Gardasees gefahren, wo er für die ganze erste Hälfte seines nur auf zehn Tage bemessenen Urlaubs2 zunächst einmal Badeferien einlegte. Badeferien waren dies, die dann auch Exkursionen in die nähere Umgebung einschlossen, so etwa an den Wasserfall von Varone, an den Lago di Toblino oder nach Arco, und an die sich als spontane Reaktion auf eine italienische Zeitungsmeldung hin ein Ausflug per Dampfschiff nach Brescia anschloss. Teilgenommen hatten die drei Prager an der spektakulären Flugwoche in Montichiari vom September 19093, zu welcher eben die “Sentinella bresciana” die Öffentlichkeit einlud und von der Kafka selbst wenig später mit seiner Kurzreportage Die Aeroplane in Brescia Zeugnis abgelegt hat4.

Beim zweiten Mal, wo er sich nach Italien begab, hatte er von den Brod-Brüdern nur Max zur Gesellschaft. Im Jahr 1911, es war dann schon im Spätsommer5, wählten die beiden Freunde die Route über die Schweiz, und zwar ihrer Vorliebe wiederum entsprechend, soweit es ging, in der Nähe von Gewässern, indem sie über den Zürichsee, den Vierwaldstättersee, den Lago di Lugano

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und den Lago di Como nach Mailand reisten. Der Plan war dabei noch weiter gespannt, die Adria sowie die Riviera standen auf dem Programm6, doch erwies es sich als undurchführbar angesichts der hereinbrechenden Nachricht von einer Cholera-Epidemie im Oberitalienischen, eben jener von 1911, von der seinerseits wenig später auch der Mann’sche Tod in Venedig künden sollte. Kurz, nach einem Aufenthalt in Mailand von nur einem Tag und einer Nacht strebten die Reisenden schon der Grenze zu7, um den Rest der verbliebenen Urlaubstage, knapp drei Wochen waren es insgesamt, in Paris zu verbringen.

Zum dritten und letzten Mal in Italien war Kafka im Jahr 1913, nochmals mit Beginn im Spätsommer, und zwar von Mitte September bis Mitte Oktober, aber jetzt ohne Begleitung. Angeknüpft an eine Dienstreise, die ihn zu einem Kongress in Sachen Unfallversicherung nach Wien führte8, hatte er diesmal das Programm eines Italienunternehmens, das ihn von Triest über Venedig und Verona bis nach Genua bringen sollte, genauer gesagt nach Pegli, wo er mit einem Kuraufenthalt den Urlaub beenden wollte. Doch Pegli fiel aus, da das betreffende Haus die Saison erst zu späterem Zeitpunkt eröffnete9; Kafka mithin entschloss sich so abermals für Riva, das er per Dampferfahrt über den Gardasee von Desenzano aus erreichte und für rund drei Wochen zu seinem Standort machte10, und dies als Kurgast des renommierten ‒ auch schon vor ihm von

Dichterkollegen wie den Brüdern Mann frequentierten11 ‒ Sanatorium von Hartungen. Dass das Gardastädtchen Riva, auch wenn es, wie schon gesagt, damals politisch zu Österreich zählte, vom Kulturraum her trotzdem Italien verkörperte, versteht sich. Und entscheidend ist solches wohl, eben weil dieser Ort bei Kafkas Reise in den Süden eine so herausragende Rolle gespielt hat. Doch davon erst später.

Ganz in der Tradition der Südenorientierung unserer nordländischen Welt, so sei nun grundsätzlich anzumerken, hatte sich auch bei Kafka das Interesse alsbald auf Italien zugespitzt. Träumte er noch, als er nach abgeschlossenem Jurastudium im Herbst 1907 seine erste reguläre berufliche Anstellung bei den internationalen Assicurazioni Generali bekam, von der Möglichkeit, aus einem Bürofenster auf »Zuckerrohrfelder oder mohammedanische Friedhöfe«12 zu blicken, so nahm dies nach kürzester Zeit die mehr den Gegebenheiten angepasste Wunschvorstellung von einer Beschäftigung in Triest an, dem Sitz der Zentralstelle der Versicherungsgesellschaft. Er sei dabei Italienisch zu lernen, heißt es weiter in seiner Korrespondenz aus jener Zeit, den Briefen an Hedwig Weiler, »denn zuerst«, so präzisiert er in einem von diesen, komme er »wohl nach Triest«13. Der Wunsch, so weiß man, wurde nicht erfüllt, Kafka erhielt seinen Posten in der Prager Niederlassung der Assicurazioni Generali, verließ diese aber schon nach einem knappen Jahr, um eine Stelle bei der

Arbeiter-Unfall-Versicherung seiner Heimatstadt anzunehmen, die er dann auch bis zu seiner Pensionierung aus

Krankheitsgründen im Jahr 1922 beibehielt.

Die spezifische Landeserfahrung, die Kafka machte, als ihm die Möglichkeit zu den genannten Reisen gegeben wurde, war ‒ wie gleichfalls typisch für den Nordländer ‒ durchweg getragen von Eingenommenheit. Da war zunächst einmal ganz allgemein die Lebensform, die für ihn schlechthin Freiheit bedeutete mit dem Sichbewegen im Freien, dem Baden im See, das ihm ‒ wie auch Brod ‒ als passioniertem Schwimmer ganz besonders behagt hat, ja mit der Ernährung selbst, will sagen der mediterranen Küche, die seinem Bedürfnis nach schwerpunktmäßig Vegetarischem ihrerseits stark entgegen kam. Entnehmen lässt sich solches den Selbstzeugnissen, die in Bezug auf Italien überliefert sind. »Wenn Dir mein Glück am Herzen liegt«, meldet Kafka beispielsweise am 7. September 1909 mit einer Ansichtskarte aus Riva an die Schwester Elli, »kannst Du zufrieden sein«14. Am 13. Juli 1913, zwei Monate vor seinem Aufbruch zur dritten Italienreise und eingedenk seiner bisherigen Erfahrungen, schreibt er an Felice Bauer, die künftige Verlobte: »Der beste Plan wäre doch wahrscheinlich, auf irgendeine schlaue Weise etwas Geld zusammenzubringen und mit Dir für immer nach Süden zu fahren auf eine Insel oder an einen See. Im Süden ist, glaube ich, alles möglich. Dort abgeschlossen leben und von Gras und Früchten sich nähren«15. Und zu Beginn des Jahres schon hat er das Ehepaar Brod gebeten, ihm einen Ort im Süden zu suchen, »wo man vegetarisch lebt, unaufhörlich gesund ist, wo man auch allein sich nicht verlassen fühlt […] wo selbst einem Klotz das Italienische eingeht […]«16.

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Auch Einzelheiten müssen angeführt werden, um das Gesamtbild einigermaßen zu erfassen. So etwa von den Aufzeichnungen von 1911, welche sich auf die Fahrt nach Mailand über den Luganer und den Comer See beziehen und wo bezüglich der Vegetation regelrechte Aufstellungen das besonders Mediterrane hervorheben. Dabei liest sich beispielsweise: »Bux (Myrthe) Aloe (Doppelsäge) Ceder (eine von ihren Ästen umquirlte Lärche) hängende schlaffe ausgeläutete Glocken (Fuchsien)«17. Ferner zu nennen die Notate, die von der Begegnung mit der südlichen Fauna sprechen, so etwa immer wieder von den Bewegungen der Eidechsen. Dabei heißt es einmal »Kitzelnder Anblick der Eidechsenbewegung an einer Mauer«18, dann wieder ist von »Herzklopfen der Eidechsen«19 die Rede, und nochmals im Rückblick auf die erste Reise von 1909 findet sich die Tagebucheintragung: »So freut uns auch auf einem Fußweg in Italien das Aufzucken der Eidechsen vor unsern Schritten ungemein immerfort möchten wir uns bücken […]«20. Auch Begegnungen mit winzigsten Manifestationen einheimischer Gebräuche seien angeführt, wie sie etwa folgende Eintragung vom September 1911 wiedergibt: »Kleiner Junge des Wirtes streckt mir, ohne daß ich früher mit ihm gesprochen hätte, auf Ermahnung seiner Mutter den Mund zum Gutenachtkuß hin. Hat mir geschmeckt«21. Und schließlich ‒ um ein letztes Beispiel zu bringen ‒ eine Bemerkung, die sich auf äußeren Habitus bezieht, wenn es von den Mailänder Schutzmännern heißt: »Gar nicht beamtenmäßige Eleganz der Wachleute, wenn sie die ausgezogenen Zwirnhandschuhe in der einen Hand, das Stöckchen in der andern einen Dienstweg machen«22.

Erstaunen, Neugier, Angerührtsein, ja Freude, so ungefähr lässt sich das Panorama der

Empfindungen beschreiben, die Kafka auf seinen Konfrontationen mit dem italienischen Ambiente im Einzelnen begleiten. Dass bei seiner dritten und letzten Reise zu einem großen Teil, und zwar vor allem zu Beginn des Unternehmens, depressive Verstimmtheiten die Gesamterfahrungen überlappen, rührt von einer akuten Krise, die sein Verhältnis zu Felice Bauer betrifft23, und hat demnach nichts mit Italien selbst zu tun. Was Italien betrifft, so sei nochmals mit aller Deutlichkeit gesagt, ist der Einfluss auf seine Befindlichkeit positiver Natur, und das in einem Maße, dass selbst eingeschliffene Marotten seinerseits in Hinblick auf negatives Gestimmtsein nicht mehr so recht zum Tragen kommen wollen. Die für ihn typische Hypersensibilität in Bezug auf Schmutz beispielsweise hat sich allem Anschein nach bei dem Abenteuer von Brescia nicht zu Worte gemeldet, da er in seinem Bericht mit dem ihm eigenen Humor melden kann:

Die Herberge, in die wir gewiesen werden, scheint uns auf den ersten Blick die schmutzigste zu sein, die wir je gesehen haben, aber es ist bald gar nicht mehr übertrieben arg. Ein Schmutz, der nun schon einmal da ist, von dem nicht mehr gesprochen wird, ein Schmutz, der sich nicht mehr verändert, der einheimisch geworden ist, der das menschliche Leben gewissermaßen solider und irdischer macht, ein Schmutz, aus dem unser Wirt hervoreilt, stolz für sich, demütig für uns […], wer hätte, muß man fragen, gegen diesen Schmutz noch etwas auf dem Herzen24.

Signifikant ist schließlich auch ‒ so ein letztes Beispiel ‒ die Wortwahl, die ihm unterlaufen ist, als er in einem Brief an Felice Bauer von der Begegnung mit dem jungen Mädchen sprach, in das er sich in Riva dann verliebt hatte und das ihm als eine der großen Ausnahmen in seinen Beziehungen zum anderen Geschlecht Konfliktlosigkeit im Umgang ermöglicht hat. Eine in Genua ansässige Schweizerin war es, und als »die Schweizerin« ist sie, deren weitere Identität unbekannt geblieben ist, in die einschlägige Forschung eingegangen25; doch Kafka, und das ist der Punkt, nennt sie mit einem Mal »die Italienerin«26. Ein schlagender Beweis dafür, wie positiv das Moment Italien in seinem persönlichen Universum besetzt war.

Soweit zu Italien, wie Kafka es im Leben wahrgenommen hat. Gehen wir nun zu der Frage über, wie sich bezügliche Erfahrungen in seinem Werk niedergeschlagen haben mögen. Was den Bericht Die Aeroplane in Brescia betrifft, so wäre noch das eine oder andere als Tageseindruck sozusagen aufzugreifen, Beobachtungen etwa zu den Begrüßungszeremonien des dem Ereignis beiwohnenden Hochadels27 oder überhaupt zur Anwesenheit bedeutender Persönlichkeiten wie insbesondere des Dichters D’Annunzio als »klein und schwach«28 oder des Komponisten Puccini, dessen »starkes Gesicht« mit einer Nase ausgestattet sei, die man, so wörtlich, »eine Trinkernase nennen könnte«29. Doch im Grunde, mit der Zentrierung nämlich auf das sportliche Ereignis eines

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Fliegerwettbewerbs, an dem Aviatoren wie Blériot und Curtiss teilgenommen hatten, ist es nicht mehr so sehr Italien als solches, das zur Debatte steht, da ja eine Veranstaltung wie diese genauso gut auch andernorts hätte stattfinden können.

Fragen wir uns also lieber, wo sonst in der Dichtung Kafkas italienische Reminiszenzen zur Geltung kommen. Auffällig ist zunächst, um den Anfang zu machen, ein immer wieder aufgegriffenes Spiel, das die Namensgebung einzelner Figuren betrifft, was im Übrigen als Umstand umso mehr ins Gewicht fällt, als wir es mit einem Autor zu tun haben, der ohnehin ‒ allem voran mit der Kürzel »K.« ‒ in nämlicher Hinsicht seine Spuren legt. So ist in Amerika oder besser, wie man neuerlich vorzugsweise sagt, im Verschollenen der kleine Liftboy des Hotels Okzidental ein »Giacomo«. So hat sich im Prozeß der Maler, der sich eine gewisse Contenance geben will, den Namen »Titorelli« zugelegt, welcher denn auch eine unverhohlene Anspielung auf Tintoretto enthält. Im Schloß dann stoßen wir auf ein Wechselspiel zwischen »Sortini« und

»Sordini«, dort wo sich über die Bewegungen der gemeinten Gestalt das Verhängnis der Familie des Barnabas abzeichnet30.

Am wichtigsten ist, was die Romane betrifft, zweifellos die Verbindung, die der zweite, die Der

Prozeß zu Italien herstellt. Und hergestellt wird sie insbesondere im Kapitel vom Dom, wo sich

eindeutige Anspielungen auf den im Jahr 1911 besichtigten von Mailand finden lassen, was als Faktum denn auch schon seit Langem bekannt ist und detailliert in neuerer Zeit vor allem von Binder, dem anerkannten Vertreter der Kafka-Forschung, auf der Basis eingehender

Quellenbefragung nachgewiesen wurde31.

Vor der Dombeschreibung selbst wird sozusagen vorbereitend das Element des italienischen Geschäftsfreunds eingeführt, der so wie Kafka selbst, als er das Gotteshaus in der mailändischen Realität sich besah, sich auf das Studium dieses Bauwerks ausschließlich, dabei aber gründlich einlassen wollte32. Und verstärkt erscheint das hier einschlägig Autobiographische noch durch das Moment der Fremdsprachenkenntnis, das den Unannehmlichkeiten des Protagonisten im Roman recht ähnlich ja auch dem Dichter im Falle des Italienischen ‒ im Tschechischen war er bekanntlich perfekt ‒ durchaus zu schaffen machte. Im Tagebuch zur Reise von 1911 vermerkt er, wobei sich schon etwas von Josef K. ankündigt33:

Jedes an einen gerichtete italienische Wort dringt in den großen Raum der eigenen Unkenntnis und beschäftigt daher ob verstanden oder unverstanden durch lange Zeit. Das eigene unsichere Italien. kann sich gegenüber der Sicherheit des Italieners nicht halten und wird ob verstanden oder nicht verstanden leicht überhört34.

Nach solcher Vorbereitung schafft sich im Roman die Reminiszenz der Dombesichtigung Raum, von der, da es sich um schon Bekanntes handelt, nur das Wichtigste nochmal zu erwähnen ist. Und dies ist dann auch die ungeheure Größe des Bauwerks, das bei seinem Betreten den Reisenden von 1911 in regelrechtes Staunen versetzt hat35 und im Werk dann als »gerade an der Grenze des für Menschen noch Erträglichen«36 ausgewiesen wurde. Vertieft hat Kafka im Übrigen das Bedrohliche solcher Monumentalität, indem er sie in ein die Realität noch übertreffendes, ja geradezu

undurchdringliches Dunkel tauchte37, bei dem umso mehr das Moment einer Verlorenheit des Einzelnen, in dem Fall des Josef K., zum Tragen kommen konnte.

Mag die Anlehnung an das Mailänder Modell als solche auch bekannt sein, so ist doch, soweit ich sehe, die Frage noch offen, was für eine Funktion eigentlich im Werk das dergestalt italienisch inspirierte Gotteshaus haben mag. Es ist das Kapitel, dies sei als Erinnerung nochmals gesagt, in dem Josef K. die Geschichte vom Türhüter vorgetragen bekommt, eine Erzählung, die sowohl in sich selbst wie auch mit der an sie anschließenden Diskussion stark vom Geist jüdischer

Überlieferungen geprägt ist. Aber was soll, wenn im Mittelpunkt, den die Legende vom Türhüter ja bekanntlich bildet, eine an die jüdische Religion gemahnende Geschichte steht, ein christlicher Kirchenbau als szenischer Rahmen? Ein Rahmen, bei dem das Christliche auch noch betont wird, indem bei der Beschreibung des Doms die Darstellung einer Grablegung Christi sowie ein

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Genau hier, im Aufeinandertreffen nämlich von Gegenläufigem, liegt meiner Meinung nach der springende Punkt. Die prinzipielle Offenheit bei Kafka, will sagen das Unmögliche einer

Interpretation seiner Bilder, auf die man sich recht eigentlich festlegen könnte, das Entgleiten einer ins Auge gefassten ideologischen Auflösung, sobald man bei ihr ein Stück weit gekommen zu sein glaubt39, solches ist ja durch die Eigenart seiner Dichtung bedingt. Mit anderen Worten, indem der Autor eine Einbettung der Legende vom Gesetz in das Ambiente einer christlich geprägten Szenerie vornahm, verhinderte er von vornherein eine Fixierung des Gesagten auf Jüdisches, das über das Bild der Geschichte selbst hinausgeht. Um eine Strategie Kafkas also hat es sich wohl gehandelt, die ihm dazu dienen konnte, das ‒ mit einem Wort Baionis, des großen Kafkaspezialisten Italiens ‒ Abstrakte seiner Metaphorik40 zu wahren.

Aber noch Wichtigeres als das Bisherige lässt sich im Hinblick auf Italienreminiszenzen von einem Produkt der kleinen Erzählfragmente sagen, dem Jäger Gracchus nämlich, zu dem schon ein erster Entwurf nur eine Woche nach Rückkehr von der dritten Italienreise entstanden ist41. Unübersehbar ist bei dieser Geschichte, die von einem Lebend-Toten handelt, dessen Barke auf dem Weg zum Jenseits durch Versehen von der Route abgekommen und zu einem Herumirren in irdischen Gewässern bestimmt ist, das Moment der Autobiographie. Der Name Gracchus, auch das wurde von der Kritik schon ausgemacht, hat weniger über das Lateinische als vielmehr über das

Italienische Verweisungsfunktion, insofern das korrespondierende gracchio Dohle meint, so wie es im Tschechischen das Wort kavka tut42. Zur weiteren Untermauerung kann noch ein Brief an Milena von 1922 herangezogen werden, in dem der Prager von sich sagt, »wie nervös ich bin, mein Schiff muß irgendwie sein Steuer verloren haben«43. Ein Selbstzitat ist es, denn im Gracchus-Fragment, wie es dann mit 1917 entstand, erfahren wir vom Jäger, der tot sei, aber »gewissermaßen«, so wörtlich, auch »lebe«: »Mein Todeskahn verfehlte die Fahrt, eine falsche Drehung des Steuers, ein Augenblick der Unaufmerksamkeit des Führers, eine Ablenkung […]«44.

Ein Verweisen auf die eigene Person im Werk, sei es mit der Chiffre »Gracchus«, sei es mit der Kürzel »K.«, gehört zu Kafkas Gewohnheiten. Ungewöhnlich ist freilich bei ihm eine explizite Ortsangabe, die biographische Wertigkeit haben kann, und die liefert er hingegen im besagten Fragment, indem er die Barke des Lebend-Toten in Riva anlegen lässt. Schaut man daraufhin genauer auf den Text, so zeigen sich mehrere Elemente, die als Hypothese die Möglichkeit eines Ankommens offen halten. Da ist zunächst einmal der Name des Orts, der mit Ufer gleichzusetzen ist. Obendrein bietet die Lokalität selbst einen Hafen, in dem auch das langsam herangleitende Wassergefährt Station macht. Der Bürgermeister, dem in der Nacht eine Taube die Ankunft des Gracchus angekündigt hat, nennt sich »Salvatore«, Retter also, was sich als Assoziation

hinzugesellt. Und aufgetragen wurde diesem von der Taube, den Ankömmling im Namen der Stadt, so wörtlich, zu »empfangen«45. »Glauben Sie aber, Herr Bürgermeister«, darauf läuft die zentrale Frage hinaus, die das Fragment aber nicht löst, »daß ich in Riva bleiben soll?«46.

Denkt man nun an die Konstellation, die Kafka immer wieder bringt, das Streben nämlich nach einem Punkt, der nicht erreicht, dessen Erreichen aber über die Maßen herbeigesehnt wird, sei es das Schloss im gleichnamigen Roman, sei es das Tribunal im Prozeß, sei es das Gesetz in der Legende vom Türhüter, dann fragt sich, was es wohl mit dem analog zu verstehenden

Spannungsverhältnis im Gracchus auf sich haben kann. Wie es auszugehen hat, ist, wie gesagt, offengeblieben, doch die bloße Möglichkeit eines ersten Ankommens ist in dem Fall in eine Nähe gerückt, die bei den genannten Beispielen von der Textüberlieferung her nicht gegeben ist47. Was es auch weiter bedeuten mag, besagte Möglichkeit nur, insofern sie als solche existiert, trägt die Konnotation Italien. Und der Gedanke steigt auf, ob nicht die Begegnung mit dessen Welt ‒ trotz allem, das so durchweg mit „kafkaesk“ apostrophiert wird ‒ ein Moment des Hoffens vermitteln konnte, das mehr als bloße Utopie war. Tatsache zumindest ist, dass dem Dichter noch auf dem Sterbebett die Erinnerung an Italien kam, da er auf den Gesprächszetteln, über die er im Endstadium seiner Kehlkopftuberkulose mit den Menschen weiter kommunizieren konnte, unter anderem

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1 Stück für Stück nachgezeichnet hat Hartmut Binder die einzelnen Italienreisen Kafkas mit seinem großangelegten kommentierten Bildband Mit Kafka in den Süden. Eine historische Bilderreise in die Schweiz und zu den oberitalienischen Seen, Prag 2007. Über diese sehr empfehlenswerte Dokumentation hinaus siehe gleichfalls Hartmut Binder, Kafkas Welt. Eine Lebenschronik in Bildern, Reinbek bei Hamburg 2008, S. 153-410, sowie Albino Tonelli, Ai confini della Mitteleuropa. Il Sanatorium von Hartungen di Riva

del Garda. Dai fratelli Mann a Kafka gli ospiti della cultura europea, Trento 1995, bes. S. 243-299.

2 Vom 4. bis zum 14. Oktober 1909. Zur Rekonstruktion dieser Reisedaten, die in eine Zeit fallen, die noch nicht von den überlieferten Tagebüchern Kafkas abgedeckt ist, siehe Binder, Mit Kafka in den Süden, zit., S. 14. Vgl. ders., Kafkas Welt, zit., S. 156.

3 Zu den Protagonisten dieses Ereignisses, das recht eigentlich einen Flugwettbewerb darstellte, zählte neben dem Franzosen Louis Blériot, dem Aviatiker im Übrigen, der mit seiner Überquerung des Ärmelkanals als Erster überhaupt einen Flug über offenes Meer gewagt hatte, auch der Amerikaner Glenn Curtiss. Eine besonders anschauliche Darstellung liefert Peter Demenz mit seiner Monographie Die Flugschau von Brescia. Kafka, d’Annunzio und die Männer, die vom Himmel fielen, aus dem Englischen von Andrea Marenzeller, Wien 2002.

4 »La Sentinella Bresciana vom 9. September 1909 meldet und ist davon entzückt: ’Wir haben in Brescia eine Volksmenge wie noch nie, wie nicht einmal zur Zeit der großen Wettfahrten der Automobile, die Fremden aus Venetien, Ligurien, Piemont, Toskana, Rom, ja bis aus Neapel, die großen Herrschaften aus Frankreich, England, Amerika drängen sich auf unseren Plätzen, in unseren Hotels, in allen Winkeln der privaten Wohnungen […]‘«, so lässt Kafka seine ursprüngliche Fassung der Aeroplane in Brescia weit ausholend beginnen. Aufgenommen hat Brod den Bericht in dieser Form zusammen mit seinem eigenen über den gemeinsamen Ausflug in Max Brod/Franz Kafka, Eine Freundschaft. Bd. 1: Reiseaufzeichnungen, hrsg. unter Mitarbeit von Hannelore Rodlauer von Malcom Pasley, Frankfurt a.M. 1987, S. 17-26, bes. S. 17. In der Regel wird der Text der Aeroplane ohne diese – hier insgesamt mehr als zwei Buchseiten umfassende – Einleitung gebracht. Siehe z. B. Franz Kafka, Drucke zu Lebzeiten, hrsg. von Wolf Kittler, Hans-Gerd Koch u. Gerhard Neuman, in Schriften Tagebücher. Kritische Ausgabe, hrsg. von Jürgen Born, Gerhard Neumann, Malcolm Pasley u. Jost Schillemeit unter Beratung von Nahum Glatzer, Rainer Gruenter, Paul Raabe u. Marthe Robert, Frankfurt a. M. 2002, S. 401-418 [nachfolgend als KKAD]. Dass die Idee zu diesen Reiseaufzeichnungen im Sinne eines kleinen Wettschreibens der beiden Freunde von Brod stammt, der auf diesem Wege Kafka aus einem kreativen Stillstand heraushelfen wollte, sei im Übrigen

festgehalten. Hinzugefügt sei auch, dass Brod für eine erste, wenngleich gekürzte Publikation des Berichts Kafkas gleich nach ihrer Rückkehr von der Reise gesorgt hat (Bohemia, 82, Nr. 269, 29. September 1909, S. 1-3, Morgenausgabe)

5 Aufgebrochen waren die Freunde am 26. August 1911, wie die nun vorliegende Tagebuchdokumentation nachweist. Vgl. Franz Kafka, Tagebücher, hrsg. von Hans-Gerd Koch, Michael Müller u. Malcolm Pasley, in Schriften Tagebücher. Kritische Ausgabe, zit., S. 943 [nachfolgend als KKAT]

6 Vgl. die Aufstellung Kafkas im Tagebuch. KKAT, S. 967. Eingegangen ist auf diese ersten Pläne auch Reiner Stach in seiner großen, dreibändigen Kafka-Biographie, die er unlängst zum Abschluss gebracht hat mit: Kafka. Die frühen Jahre, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 2014 ( 2014). Hier S. 473.

7 Am 7. September 1911 (nach einer kurzen Unterbrechung der Reise in Stresa zu Badezwecken). Vgl. KKAT, S. 971. Brod war es, der aus Angst vor der grassierenden Cholera auf vorzeitigen Abbruch des Italienunternehmens gedrängt hatte. »Gespräch über Scheintod und Herzstich an einem Kaffeehaustischchen auf dem Domplatz«, notiert Kafka von ihrer beider Unterhaltung noch während des Mailänder Tages, um dann anzufügen: »Die beabsichtigte Zeit des Aufenthaltes in Mailand schrumpft unter diesem Gespräch trotz eines kleinen Widerstandes von meiner Seite sehr zusammen«. KKAT, S. 966.

8 Und zwar zu dem »Internationalen Kongreß für Rettungswesen und Hygiene«, der Kafka bis zum 14. September in Wien festhielt. Vgl. den Brief Kafkas an Felice Bauer vom Vortage. Franz Kafka, Briefe 1913‒März 1914, hrsg. von Hans-Gerd Koch, in Schriften

Tagebücher Briefe. Kritische Ausgabe, hrsg. von Gerhard Neumann, Malcolm Pasley u. Jost Schillemeit unter Beratung von Nahum

Glatzer, Rainer Gruenter, Paul Raabe u. Marthe Robert, Frankfurt a. M. 2001, S. 279 [nachfolgend als KKAB 1913-März 1914].

9 So sehr hatte Kafka die Nachricht enttäuscht, dass das anvisierte Kurhaus des Dr. A. E. Ernst in dem unweit von Genua gelegenen Pegli für ihn nicht mehr in Frage kommen konnte, dass er in seinem Brief an Felice Bauer vom 6. August 1913 von einem »großen Unglück« sprach. KKAB 1913–März 1914, S. 253. Zu den Einzelheiten: Binder, Mit Kafka in den Süden, zit., S. 88 f. Siehe auch Reiner Stach, Kafka. Die Jahre der Entscheidungen, 6. Aufl., Frankfurt a. M. 2015 (2002), S. 421.

10 Vom 22. September bis zum 11. Oktober 1913. Dazu die Rekonstruktion von Binder, Mit Kafka in den Süden, zit., S. 91. Vgl. auch ders., Kafkas Welt, zit., S. 399. Und von Riva aus gab es dann auch wieder Ausflüge. Erwähnenswert ist dabei insbesondere die Fahrt nach Malcesine, die Kafka bewusst in den Spuren Goethes machte. »Heut war ich in Malcesine«, schreibt er der Schwester Ottla am 28. September 1913, also fast auf den Tag in dem Monat, in dem der Weimarer Dichter das Städtchen besichtigt hatte, »wo Goethe das Abenteuer gehabt hat, das Du kennen würdest, wenn Du die ,Italienische Reise‘ gelesen hättest, was Du bald tun sollst. Der Kastellan zeigte mir die Stelle, wo Goethe gezeichnet hat […]«. KKAB 1913‒ März 1914, S. 287.

11 Ausführliches zu den Mann’schen Aufenthalten im Haus des Arztes Dr. Christoph von Hartungen zu Beginn des Jahrhunderts bei Tonelli, Ai confini della Mitteleuropa, zit.

12 Brief an Hedwig Weiler von Anfang Oktober 1907. KKAB 1900–1912, S. 72.

13 Oktober/November 1907. KKAB 1900‒1912, S. 73.

14 KKAB 1900‒1912, S. 110.

15 KKAB 1913‒ März 1914, S. 237.

16 Prager Ansichtskarte vom 4. Februar 1913. KKAB 1913‒ März 1914, S. 76.

17 KKAT, S. 959. Umso bedeutsamer sind diese Eintragungen zur mediterranen Botanik, als sich Kafka an und für sich doch weniger mit der Pflanzenwelt zu beschäftigen pflegte. So bemerkt auch Stach resümierend, wenn er vom ersten Italienbesuch des

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Pragers spricht: »Kafka war weder ein Liebhaber noch ein Kenner der Pflanzenwelt, doch ein Klima, das einen fast ganzjährigen Aufenthalt im Freien ermöglichte, gehörte für ihn zweifellos zu den Ingredienzen jeder denkbaren Lebensutopie«. Stach, Kafka. Die

frühen Jahre, zit., S. 424. 18 KKAT, S. 959.

19 KKAT, S. 961.

20 KKAT, S. 161.

21 KKAT, S. 961.

22 KKAT, S. 969.

23 Es war die Zeit, wo Kafkas Konflikt zwischen Bindungsverlangen und Bindungsangst in seiner Beziehung zu Felice zu einem ersten großen Ausbruch kam. Der Entschluss selbst zu einer Reise, die zunächst nach Wien und dann weiter in den Süden führen sollte, versteht sich auch mit vor diesem Hintergrund. Zu dem ganzen Komplex siehe vor allem Stach, Kafka. Die Jahre der

Entscheidungen, zit., S. 335-364.

24 Brod/Kafka, Eine Freundschaft. Reiseaufzeichnungen, zit., S. 18. Der zitierte Passus gehört noch zu der Einleitung der Aeroplane

in Brescia, die bei den Werkausgaben gewöhnlich gestrichen wurde. So erscheint er auch in KKAD nur im Apparatband, S. 516 f. 25 So schon in der erstmals 1964 erschienenen Monographie von Klaus Wagenbauch, Franz Kafka, in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, 15. Aufl., Reinbek bei Hamburg 1978, S. 91 f.

26 »Die Italienerin wußte auch von Dir«, heißt es unvermittelt gegen Schluss der Mitteilung Kafkas von dem Mädchen, das, so seine Erklärung zu Beginn, »eine Schweizerin« sei, die »aber in Genua« lebe. KKAB 1913‒ März 1914, S. 311.

27 »In den Pausen aber«, führt Kafka im Einzelnen aus, »zieht die Gesellschaft des italienischen Adels die Tribünen entlang. Man begrüßt einander, verneigt sich, erkennt einander wieder, es gibt Umarmungen, man steigt die Treppen zu den Tribünen hinauf und hinab. Man zeigt einander die Principessa Laetitia Savoia Bonaparte, die Principessa Borghese, eine ältliche Dame, deren Gesicht die Farbe dunkelgelber Weintrauben hat, die Contessa Morosini«. KKAD, S. 407. Vgl. Brod/Kafka, Eine Freundschaft.

Reiseaufzeichnungen, zit., S. 23. Interessant ist im Übrigen ein Vergleich mit dem Bericht, den Brod von dem Flugereignis liefert.

Nur kurz nämlich hält dieser sich beim Thema Adelsvertretung auf, indem er seinerseits schreibt: »Das Mittagessen nehmen wir im großen Restaurant an der Tribüne. Bitte, das sind die Hangars, hier wird Blériot auffliegen, das sind die Dächer von Montichiari, dieser Herr mit dem weichen Knebelbart heißt ,Conte so und so‘, zum Beispiel dieser mit den dicken braunen Glacéhandschuhen ,Conte Oldofredi‘, der dieses ganze Flugmeeting organisiert hat […]«. A.a.O., S. 9.

28 KKAD, S. 407. Vgl. Brod/Kafka, Eine Freundschaft. Reiseaufzeichnungen, zit., S. 24.

29 KKAD, S. 407 f. Vgl. Brod/Kafka, Eine Freundschaft. Reiseaufzeichnungen, zit., S. 24.

30 Siehe hierzu das Kapitel Amalias Geheimnis in: Franz Kafka, Das Schloß, in Schriften Tagebücher. Kritische Ausgabe, zit., S. 295-318, bes. S. 308 f. [nachfolgend als KKAS].

31 Vgl. Binder, Mit Kafka in den Süden, zit., S. 355-364.

32 Angeführt sei die Stelle, wo K. entsprechende Instruktionen von dem Direktor seiner Bank erhält: »K. erfuhr von ihm, daß der Italiener vorläufig noch einige Geschäfte zu besorgen habe, daß er leider auch im Ganzen nur wenige Zeit haben werde, daß er auch keinesfalls beabsichtige in Eile alle Sehenswürdigkeiten abzulaufen, daß er sich vielmehr ‒ allerdings nur wenn K. zustimme, bei ihm allein liege die Entscheidung ‒ entschlossen habe nur den Dom, diesen aber gründlich zu besichtigen«. Franz Kafka, Der

Proceß, in Schriften Tagebücher. Kritische Ausgabe, zit., S. 275 f. [nachfolgend als KKAP]

33 Geradezu auffällig ist ja auch die Behandlung des Problems im Roman. »K.’s Kenntnis des Italienischen war zwar nicht sehr groß, aber immerhin genügend«, lautet es dabei zunächst. »Er war sehr müde, denn er hatte die halbe Nacht mit dem Studium einer italienischen Grammatik verbracht, um sich ein wenig vorzubereiten«, heißt es dann. »Als sich alle gesetzt hatten und ein kleines einleitendes Gespräch begann, bemerkte K. mit großem Unbehagen, daß er den Italiener nur bruchstückweise verstand«, liest sich daraufhin, um schließlich einer »Not« des Protagonisten »gegenüber diesem Italienisch« Platz zu machen. KKAP, S. 272-275.

34 KKAT, S. 960. So hier auch an anderer Stelle: »Besondere Unverständlichkeit der Ausrufe. Bei Sätzen kann das Unverständnis drin herumkriechen«. KKAT, S. 959. Hingewiesen sei gleichfalls auf das schon zitierte, in dem Zusammenhang umso verräterischere Wort Kafkas von einem Ort im Süden, wo »selbst einem Klotz« das Italienisch eingehen könne. Vgl. Anm. 16.

35 »Staunender Eintritt in den Dom zwischen Portieren«, notiert das Tagebuch unter dem 5. September 1911 als ersten Vermerk zur Dombesichtigung. KKAT, S. 970.

36 KKAP, S. 286.

37 Siehe unter anderen folgende Passage des Domkapitels: »[…] K. hielt sich eng neben dem Geistlichen ohne in der Finsternis zu wissen, wo er sich befand. Die Lampe in seiner Hand war längst erloschen. Einmal blinkte gerade vor ihm das silberne Standbild eines Heiligen nur mit dem Schein des Silbers und spielte gleich wieder ins Dunkel über«. KKAP, S. 303.

38 Vgl. KKAP, S. 279, S. 281 u. S. 284.

39 Sehr schön hat in neuerer Zeit diesen Tatbestand Els Andringa dargestellt mit dem Beitrag »Die Facette der

Interpretationsansätze«, in Kafka‒Handbuch. Leben ‒ Werk ‒ Wirkung, hrsg. von Bettina von Jagow u. Oliver Jahraus, Berlin 2008, S. 317-335.

40 Von Grund auf behandelt wird das Phänomen in: Giuliano Baioni, Kafka. Romanzo e parabola, Milano 1962 (zur Einführung bes. S. 13-29). Erwähnt sei neben dieser bahnbrechenden Arbeit, die unbestritten nach wie vor ihre Gültigkeit bewahrt hat, auch die

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zweite wichtige Kafka-Monographie des italienischen Germanisten: Kafka: letteratura ed ebraismo, Torino 1984. Letztere Studie liegt gleichfalls in deutscher Übersetzung vor: Kafka ‒ Literatur und Judentum, Stuttgart 1994.

41 Abgedruckt ist dieser erste Ansatz, der sich noch auf die Lokalisierung des Erzählgegenstands beschränkt, in den Tagebüchern Kafkas unter dem 21. Oktober 1913. Vgl. KKAT, S. 587 f. Zugrunde gelegt von den Gracchus-Fragmenten wird von uns die sogenannte Erstfassung, deren Entstehung nach neuesten Erkenntnissen wohl auf den April 1917 zurückgeht: Franz

Kafka, Nachgelassene Schriften und Fragmente I, in Schriften Tagebücher. Kritische Ausgabe, zit., S. 305-313 [nachfolgend als KKAN I]. Vgl. den dazugehörigen Apparatband, S. 81-83. Zur Frage der Genese siehe ferner Hartmut Binder mit »Der Jäger Gracchus. Zu Kafkas Schaffensweise und poetischer Topographie«, in Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 15 (1971), S. 375-440.

42 Zu nennen seien u.a. Binder, Mit Kafka in den Süden, zit., S. 104, sowie Stach, Kafka. Die Jahre der Entscheidungen, zit., S. 429.

43 Franz Kafka, Briefe an Milena, hrsg. u. mit einem Nachwort versehen von Willy Haas, in Gesammelte Werke, hrsg. von Max Brod, Lizenzausgabe von Schocken Books New York, Frankfurt a.M. 1952, S. 196 f.

44 KKAN I, S. 309.

45 KKAN I, S. 308.

46 KKAN I, S. 309.

47 Im Falle des Schlosses bedarf es hierzu einer näheren Erklärung. Was den fehlenden Schluss des Romans betrifft, macht Brod, indem er sich auf ein Gespräch mit Kafka beruft, in seinem Kommentar zur ersten Ausgabe folgende Lösung geltend: »Der

angebliche Landvermesser erhält wenigstens teilweise Genugtuung. Er läßt in seinem Kampfe nicht nach, stirbt aber vor Entkräftung. Um sein Sterbebett versammelt sich die Gemeinde, und vom Schloß langt eben die Entscheidung herab, daß zwar ein Rechtsanspruch K.s, im Dorfe zu wohnen, nicht bestand, ‒ daß man ihm aber doch mit Rücksicht auf gewisse Nebenumstände gestatte, hier zu leben und zu arbeiten« (Nachwort zu: Franz Kafka, Das Schloß. Roman, in Gesammelte Werke, hrsg. von Max Brod, Lizenzausgabe von Schocken Books New York, Frankfurt a.M. 1951, S. 481-497, hier S. 481 f.). In der Tat würde bei aller Ironie ein solcher Ausgang in einer gewissen Analogie zu dem besprochenen Punkt des Gracchus stehen, doch lassen sich die betreffenden Aussagen nicht recht eigentlich in Betracht ziehen, eben weil sie durch keine Textüberlieferung ‒ auch nicht bei den von Kafka gestrichenen

Stellen ‒ abgedeckt werden.

48 Zugänglich gemacht sind diese Zettel in Franz Kafka, Briefe 1902-1924, in Gesammelte Werke, hrsg. von Max Brod, Lizenzausgabe von Schocken Books New York, Frankfurt a. M. 1958, S. 484- 521. Hier S. 491.

Reviewed Journal ISSN 1560-182X

Aufgelistet in ERIH: European Reference Index for the Humanities VertragspartnerInnen: Österreichische Nationalbibliothek, CNKI Update: 2020-04-15

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