Coperto
Zentrum Sandro Pertini von
FrancescoCollotti
inBettola,
PeschieraBorromeo, Mailand,
1995-2003
Text: MartinTschanz, Bilder: FrancescoCollotti (gross),MartinTschanz(klein) Ein Gebäude als offenes Gefäss, bereit unterschiedlichste Nutzungen aufzunehmen.
Dafür
wurdehier
eineGestalt gefunden,
diemit
demOrt verbunden
ist und Freiheiten sug¬geriert,
ohne selbst neutralzu sein.C3 MF 3tt
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«Coperto» nennendieArchitekten ihr Gebäude und treffendamitdenKernder Sache. WasoffiziellCentro Polifunzionale Sandro Pertini heisst, ist zunächst ein
grosses Dach, unter dem alles Mögliche stattfinden
kann. Die Bezeichnung Coperto versprichtSchutzund Schirm, verspricht einenOrt,ohnedessenBedeutung
festzulegen.Einoffener
Ort
also, ehereinVersprechenalseine Festlegung,zumindest bezüglichNutzungund
Funktion. Sowar schonbeiPlanungsbeginn dieAuf¬ gabe formuliert: Raum zu schaffen für verschiedene Bürger- und Jugendiniriativen und ihre öffentlichen Veranstaltungen. Eine
Art
Kulturhaus im weitestenSinn also, fürkleine und grosseVersammlungen und
Feste,fürKonzerte, Theaterund Ausstellungen.
Inte-ressanrerweisereagierten dieArchitektendaraufnicht
mit
einerinformellen Architektur,sondernimGegen¬ teil:mit
einem prägnanten, geradezufigürlichanmu¬ tenden Haus.Ort
PeschieraBorromeo isteineGemeindeinderPeriphe¬
rie südöstlich vonMailand.Sieliegtaneiner altenRö¬
merstrasse, die heute unweirdes Ortes von derPiste
desFlughafens Linate unterbrochenwird. Diese Lage
hinterdem Flugfeld hatPeschieraBorromeo vor dem charakteristischen Ausufern vergleichbarerVorortsge¬ meinden weitgehend bewahrt. Zwargibtesauchhier
grössereGewerbe-undIndustrieareale, dochnachwie
vorauchweitelandwirtschaftliche Flächen, die bis an den Ortskern heran reichen. Das soziale Klima ist mittelständisch, und noch glaubt mandiedörflicheVer¬ gangenheitnahe.
DasCoperto liegtam Rande desOrtsteils Bettola, wosichdie Siedlung erweitert und wo dieLandstrasse, vorher übereine lange Streckeschnurgerade, denVer¬ laufderaltenRömerstrasseineinem weiten Bogen
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lässt.Inden80erJahrenwurdehier,annäherndinder
verlängerten Achse der Strasse, eine Backsteinkirche
gebaut, die sich mächtig und schwerfälligaufeinem
breitenSockelüber dieEbeneerhebt.DasCopertola¬
gertsichdanebenseitlichandie abbiegendeStrassean, nimmt aber gleichzeitig die Ausrichtung der Kirche aufund schiebtsich
mit
einemsichreckendenDachindieSichtachsederStrasse,vomOrtszentrumausgese¬
henalsovordieKirche.
Mit
dieserPosition eignetsich dasrote KulturzentrumdenVorplatz der Kirche an undbrichtgleichzeitigderenDominanzimOrt. Un¬ weigerlich erinnert man sich an die Geschichten von Don CamilloundPeppone,wozuauch passt,dassdie Hierarchie ja doch nichtganz umgestossen wird, in¬ demdasCoperto gleichsam zum SeitenflügelderGe¬samtanlagewird, inderenZentrumabernach wie vor
dieKirche liegt.
DerBaugreift denTypus der teilweise offenen, für vielfältige Zwecke genutztenScheunen auf,wie siein denlandwirtschaftlichen Gehöften derPo-Ebene üb¬ lichsind. DerBauöffnet sichnachSüdenzum Platz hin.Hierwerdendie Pfeiler, diedas grosseDachtragen, zu einer Loggia;imNorden sindsie alsPilaster
mit
der Mauer verbunden,sodasssichhier zurStrassehineineAussen- und Rückseitebildet. ImOstenschliesstder
Bau an den SockelderKircheanunderhebtsich
mit
einemgeschlossenenBaukörper, dersichnach Westen
hin Schritt für Schrittauflöst, umsich schliesslichim
ersten Geschoss
mit
einer offenenHallezumOrt
undzum Platzhinzuöffnen. Dasgerichtete Tonnendach
bekräftigtdieseAnlage. Esbirgtdie Räume, konzen¬
triert sieunter sich, wiees gleichzeitigden gesamten
Bau aber auchrichtet unddynamisiert.
Vertrautundeigenartig
Die prägnante Gestalt des Coperto erinnert an die Loggien der Gehöfte, wie sieauch in unmittelbarer Nachbarschaft zu finden sind. Das an sichvertraute Bildwirdjedoch hinreichend verfremdet und damit bezüglichseinerBedeutung geöffnet,vorallemdurch die asymmetrische, verzogene Geometrie,durch das
satte Rot und das eigenwillige Dach, bei dem man
ebenso an eine Baseball-Mütze denken mag wie an
einetraditionelle Cascina. Dank dieser Anverwand-lung vertrauter Elemente reagiert derBau
mit
einerals zeichenhaft wahrgenommenen, in ihrer Bedeutung aber nicht eindeutig festgelegtenArchitektur aufdasschwach determinierte Programm. Gleichzeitig istsie
festundpräzise
mit
demOrt
verbunden, wodurch dieGefahr vonWillkür,ja Beliebigkeitumschifft wird,die
mitsolchoffenen Programmen verbundenseinkönnte.
Auch die Räume folgen diesem Konzept. Von der Loggiaausbetrittman übereinenVorraumeinegrosse, bisunterdas Dach reichendeHalle, in der Rampen
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••¦undTreppen verschiedene (Bühnen-)Podeste, Gale¬ rien und Stege miteinander verbinden: Bereiche
mit
unterschiedlichem Charakter,grosseund kleineRäume,intime und exponierte, die alle geeint werden durch dasGewölbedesDaches,dasdiesenvielfältigen Innen¬
raumüberdies
mit
dem Aussenraumder Terrasse ver¬knüpft. Spätestenshier erinnert mansich an die Dop¬ pelbedeutungdesWortes Bühne, das als Heu-oder Ladebühne ebenso derländlichenWelt angehört wie der Welt der Theater und Konzerte, der Feste und
Spektakel. Undman erinnertsich andiegarnichtso
seltenen Fälle,wodieseWeltenbei besonderen Gele¬
genheiten zusammenfallen,anKonzerteaufder Tenne undanFesteinleergeräumten Scheunen. Gleichzeitig sind die Räume aber im Wortsinn eigenartig, be¬
sondersdieHalle.Diesichüberlagernden Ebenen, die
kräftigen Farben, der sich turmartig in den Raum
schiebendeMauerwinkelund überhauptdasSpielvon
Horizontalen, VertikalenundSchrägen,dasDynamik suggeriertunterdem beruhigenden,denRaumfassen¬ denDach: dieseKomposition bewirkt,dass manbei¬ nahezwingende, aberverloren gegangeneinnereGe¬
setzmässigkeitenvermuten möchte, wiediesbisweilen
bei umgenutzten Industriebauten der Fallist. Die Details sind robustundeinfach,fastgrobgestal¬ tet. Diesentsprichtnicht nurder gewählten Analogie,
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Schnitte,Ostansichtindemz.B.aneinemGeländer problemlosauchSchein¬ werfer oder Lautsprechermontiertwerdenkönnenund indem durch ein hängendes Kabel oder eine andere unsensible Installation nichtgerade das architektoni¬ sche Konzeptin Frage gestelltwird. Die elementare DirektheitderDetails entsprichtaberauchderRealität
dieser Baustelle, die aufgrund der schwierigenFinan¬
zierung in zahlreiche Etappen aufgeteilt werden
müsste, ausserordentlich langwierig und unverhältnis¬
mässigkompliziertwar undz.T.mitkaum qualifizierten
Handwerkern und Unternehmen auskommenmüsste.
EineaufPerfektionund möglichstgeringeToleranzen
setzende Architektur wäre unter solchen Umständen
von vornherein zum Scheiternverurteiltgewesen.
NochnichterschöpfteMöglichkeiten
ObwohlvondenursprünglichvorgesehenenNutzern nurwenigeübriggeblieben sind, ist der Bauheutein Gebrauch.Gewiss:unterder Terrassewürde mansich öffentlichere Nutzungen wünschen,nebst denSama¬ ritern
mit
ihremBlutspendedienstundeinerFrauen¬initiativezumindestauchnocheineBar.Solcheswurde
abervomnächstgelegenen Barista erfolgreich verhin¬
dert.Die Halle und dieTerrassewerdenheutevor allem vondenverschiedenen Departementen der Gemeinde genutzt,diesiefallweiseundje nachBedarfinBeschlag nehmen. Dies istnichtgeradeideal, weil mansichdie
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Räume, die weder aufdie eine noch aufdie andere
Nutzung hinmassgeschneidertsind,stetsineinemge¬
wissen Mass erstaneignen muss. Daskann Probleme
bieten, wenn mansichnicht wirklichdarumkümmern kann odermag.Ein Kuratorium,dasdieverschiedenen Veranstaltungen koodinieren unddasPotentialdesBaus alsKultur-und Gemeinschaftszentrum
mit
einerviel¬fältigen und geschickten Programmierung ausloten würde, gibtes leider nicht. Trotzdem: Es finden wie
vorgesehenAusstellungen, Versammlungen und Kon¬
zerte statt. Undmanhört,dass sich dieRampen un¬
längst bei einer Modeschau besonders gut bewährt hätten,nichtzu vergessendasFreiluftkino aufderTer¬ rasseimvergangenen Sommer.Allmählichscheintdas
CopertoseineMöglichkeitenzuentfalten.
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Bauherrschaft:Gemeinde Peschiera Borromeo
Architekt:FrancescoCollotti,Mailand
Mitarbeiterin:FrancaRavara
Bauingenieur: CianniMichelom
Projekt/Bauzeit:1995-1998/1999-2003
Coperto
CentroSandroPertiniaBettola, PeschieraBorro¬meo, Milan, de Francesco Collotti L'appelation «coperto»
(litteralementrecouvert,couvert)quelesarchitectes donnent
ä leurbätimentsuggere un röle de protection etla qualite
d'unlieu, mais sans endefinirlasignificationou l'usage. Le
butetaitde creerunespacepour differentes initiatives ema-nantdes citoyensetdes jeunes (lebätimentestactuellement
surtout utiliseparla communecomme centre de
manifesta-tionetdeculture).Demanierefort interessante, lesarchi¬ tectes n'ont pas reagi ä ceProgramme extremement ouvert avecunearchitecture informelle, mais avec une maison pre-gnante etpresque figuree.
Lebätimentest situe dans unviragedelaroute principale du lieuqui suitpartiellementletracestrictement rectiligne d'uneroute romaine.IIadopte l'orientation d'uneeglise voi-sine, maisseplace avec sontoitdansTaxevisuel delaroute, vudepuislecentre delalocalite,il seglissedevantl'eglise.Le
centreculturelrouges'approprieainsi leparvis de l'egliseet
en casse laposition dominante,mais,enmeme temps,il
s'in-sert comme ailelateraledansl'amenagementd'ensemble.
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SituationLebätiment reprendletypedesetablesen partieouvertes comme ellesle sont habituellementdansla plainedu Pöet comme on entrouve ä proximite immediate. L'image fami-liere est cependanttransfiguree et ainsi ouverte ä de nou-vellessignifications.Lebätiment reagitauprogramme
faible-ment defini par une architecturepercue comme signe, mais
dontlasignificationn'est pasfixeedemaniere univoque, par unearchitecture quiest,enmeme temps,etroitement et
pre-cisement liee au lieu. Les espaces suivent egalement ce
concept. IIsevoquentaussibien le monde rural,lesgranges
defoinquelesscenes detheätre,lemonde des concerts, des
fetesetdes spectacles.Äcejour,lagrande halle avecses
sec-teurstresdifferents nedeveloppeque progressivementses
possibilit.es. Les details sonttrait.es de maniere robuste et simple, ce qui facilite les differentes appropriations ponc-tuellesdubätiment pourlesutilisationslesplusvariees.Mais ilscorrespondentaussiä larealiteduchantierquiaete mene enpartieavec des artisansäpeinequalifies.Unearchitecture qui auraitmise surlaperfection etlestoleranceslesplus
pe-titespossiblesauraitechouee,etcedesledepart.
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CopertO
Centre SandroPertini by architectFrancescoCol¬lottiinBettola,Peschiera Borromeo,MilanTheterm "coperto" (literally: covered, roofed over)thatthe architectsgaveto their building,suggestsprotection anda venuewithout sti-pulatingitssignificanceandfunction.Theintentionwasto create a placefor differentCitizens' andyouth initiatives (nowadaysthe buildingisusedprimarilyasaculturecentre for communalevents).Interestinglyenough,thearchitects
res-ponded to the veryopen programme with aneloquent,
al-mostfigurative-looking building ratherthananinformal type of architecture.
Thebuildingislocated inacurve inthemain roadthat for-merlyfollowed thecourseofan old,straightRoman road.It hasthe sameorientationasthe adjacentchurch butsticks outinfrontof it whenviewedfromthecentreof the town.In thisway,theredculturecentre establishes itspositioninthe Square infrontofthechurch anddiminishesthe latter'sdom-inance
-
while at thesametimeplayingasubordinateroleasasidewingintheoverall complex.
The building refersto thetypology of the partiallyopen barn
-
atype of construction well known inthe Poplateau anditsneighbouring regions. Thefamiliär structureis,how-ever,alienatedinaccordancewithitssignificance and func¬
tion.Thebuildingrespondsto the poorly defined programme withatypeofarchitecturewhosefunctionandsignificance, although symbolicallyperceived,arenot unequivocally deter-mined, while being at the same time firmly and precisely united withitssurroundings.The rooms are alsoobedient to thisconcept. Thereisin this contextan interestingObserva¬
tion to bemade about the double meaning of theGerman
word"Bühne".A Bühneisastage,a"Heubühne"ahayloftor barn, anda"Ladebühne"alandingstage. This"Bühne"inthe contextof"barn"or"landing stage" isasmuchpartoftheru¬
ralworldasthe worldof the theatre,concerts, banquets and spectacles. Thegreathallwithitshighly diversified functions isonlygraduallyrevealing itspossibilities.Thedetailsare ro-bustlyand simplydesigned, afactthatmakesthe building suitable forawiderängeof functionswhenthe needarises. However,theyalso referto the reality of the constructionon
the buildingsite,whichwassometimes obliged tomakedo
with barelyqualified craftsmen. Architecture aiming atper¬
fection and the least possible tolerances would have been
doomedto failureinthiscase.