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Zögernde Spione. Die ungarische Staatssicherheit und Rumänien 1975-1989

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Zögernde Spione

Die ungarische Staatssicherheit und Rumänien 1975-1989* Von Stefano Bottoni

Bis Mitte der 1980er Jahre beschäftigte sich die ungarische Staatssicherheit kaum mit der Ana-lyse der internen Situation benachbarter sozialistischer Staaten. Mit der Sowjetunion, der DDR und der Tschechoslowakei pflegte sie die Zusammenarbeit, Rumänien betrachtete sie aber weder als Verbündeten noch als Feind.1 Ab den 1970er Jahren wurden jedoch die ungünstigen Ent-wicklungen der Minderheitenpolitik in den Nachbarländern zu einem innenpolitischen Thema in Ungarn. Obwohl Moskau Streitereien innerhalb seines politischen Lagers und die Behandlung von Territorialfragen in jeglicher Form unterband, lag der Grund des konfrontationsmeidenden Verhaltens nicht in erster Linie in der Tatsache der politischen Bündnisse. Viel relevanter ist diesbezüglich die äußerst zurückhaltende Position des Generalsekretärs der Ungarischen Sozia-listischen Arbeiterpartei (MSZMP), János Kádár, und seiner inneren Kreise zu nationalen Fra-gen. Kádárs Position lässt sich zwar zum Teil auf seine Herkunft aus der Arbeiterschicht und seine kommunistisch-internationalistische Erziehung zurückführen, dahinter verbarg sich jedoch eine bewusste politische Haltung: Den Schlüssel zur Überwindung der Traumata des 20. Jahr-hunderts sah Kádár in der Verbesserung des Ansehens Ungarns wie auch einer Hebung des Le-bensstandards. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die ungarischen Kommunisten es für viel wichtiger hielten, den „internen“ Nationalismus zu bekämpfen, als sich der Situation der Ungarn außerhalb der Landesgrenzen zuzuwenden. Das beweist auch die ausdauernde Beschäf-tigung des ungarischen Staatssicherheitsdienstes „auf nationalistischer Linie“2 Das geringe

*

An dieser Stelle bedanke ich mich bei Zoltán Szász, István Bandi und Géza Vörös für ihre Unterstützung beim Verfassen dieses Artikels. Der vorliegende Beitrag erschien zuerst in Történelmi Szemle 55 (2013) 1, S. 79-117 unter dem Titel „Vonakodó kémek. A magyar állambiztonság és Románia, 1975-1989“. Für die deutsche Fassung habe ich ihn geringfügig überarbeitet und gekürzt.

1

Über die Vorgeschichte siehe Stefano Bottoni: „Freundschaftliche Zusammenarbeit“. Die Beziehungen der Staatssicherheitsdienste Ungarns und Rumäniens 1945 bis 1982, in: Halbjahresschrift für südosteu-ropäische Geschichte, Literatur und Politik 24 (2012), S. 5-27. Zu den Beziehungen zur DDR siehe Ágnes Jobst: A magyar állambiztonsági szervek és a Stasi együttmőködése (Die Zusammenarbeit der ungarischen Staatssicherheit und der Stasi), in: Imre Okváth (Hrsg.): Állambiztonság és rendszerváltás (Die Staatssicherheit und der Systemwechsel), Budapest 2010, S. 63-101. Über die Tätigkeit der DDR-Stasi in Ungarn siehe Krisztina Schlachta: Állambiztonság és idegenforgalom a Balaton partján. Német-német találkozások 1961-1989 között Magyarországon (Staatssicherheit und Fremdenverkehr am Plat-tensee. Deutsch-deutsche Begegnungen zwischen 1961-1989 in Ungarn), in: György Gyarmati (Hrsg.): A Páneurópai Piknik és határáttörés húsz év távlatából (Das Paneuropäische Picknick und der Durch-bruch der Grenzen aus der Perspektive von 20 Jahren), Sopron-Budapest, 2010, S. 39–58; eine engli-sche Übersetzung unter dem Titel „State Security and Tourism on the Shores of Lake Balaton (Germans to meet Germans in Hungary between 1961-1989)“ in: György Gyarmati (Hrsg.): Prelude to Demolis-hing the Iron Curtain. Pan-European Picnic, Sopron 19 August 1989, Sopron-Budapest, 2012, S. 47-64.

2

Über die ungarisch-rumänischen Beziehungen in den 1980er Jahren sind mehrere gründliche Beiträge geschrieben worden: György Földes: Magyarország, Románia és a nemzeti kérdés 1956–1989 (Ungarn, Rumänien und die Nationalitätenfrage 1956-1989), Budapest, 2007, S. 260-493. Gábor Vincze: Lăncrănjantól Lăncrănjanig. Fejezet a magyar-román kapcsolatok nyolcvanas évekbeli történetébıl (Von Lăncrănjan nach Lăncrănjan. Kapitel aus der Geschichte der ungarisch-rumänischen Beziehungen in den 1980er Jahren), in: Magyar Kisebbség (2006), S. 262-352; ders.: Lefelé a lejtın (Magyar-román kapcsolatok 1989 elsı felében, a magyar diplomáciai iratok tükrében) (Den Hang abwärts. Die unga-risch-rumänischen Beziehungen in der ersten Hälfte des Jahres 1989 im Spiegel der ungarischen diplo-matischen Akten), in: Székelyföld (2009) 7, S. 75-120; ders.: Tovább a lejtın – a gödör aljáig. Magyar-román kapcsolatok 1989 második felében, a magyar diplomáciai iratok tükrében (Den Hang weiter nach

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resse der Staatssicherheit an der Situation der jenseits der Staatsgrenzen lebenden Ungarn ist al-so mit einer mangelnden politischen Motivation zu erklären.

In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wann und wie der ungarische Staatssicherheitsdienst – konkret: die Hauptverwaltung III/I des Innenministeriums, zuständig für Auslandsspionage – begann, sich mit der Informationsbeschaffung aus Rumänien zu befassen. Die uns zugänglichen Quellen legen die Schlussfolgerung nahe, dass die ungarischen Sicherheitsorgane – auch ohne besonderes politisches Interesse – allmählich alternative Kanäle schufen, um die innenpolitische Lage Rumäniens und die Situation der ethnischen Minderheiten dort genauer zu untersuchen. Für diese Arbeit mobilisierte man das in westlichen Ländern bereits gut ausgebaute Netzwerk an Informanten, zu dem auch der „loyale“ Flügel der ungarischen Emigranten gehörte. Man nutzte aber auch den Informationsfluss zwischen den Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts: Anfang der 1980er Jahre bekam die ungarische Staatssicherheit mehrere wertvolle Informationen aus sowjetischen, bulgarischen, polnischen oder tschechoslowakischen Quellen. Bis 1988 setzte Ungarn dieses Instrument lediglich zu defensiven Zwecken ein. Erst 1989 ging man dazu über, im Dienste der sich wandelnden sozialistischen Regierung die Prinzipien und Methoden der aktiven Aufklärungsarbeit gegen ein anderes sozialistisches Land zu nutzen. Die Tätigkeit des ungarischen Staatssicherheitsdienstes (der formal als III. Hauptverwaltung des Ministeriums des Inneren firmierte) ist nur bis zum 13. Februar 1990 dokumentiert. Die Aktenlage bietet eine einzigartige Einsicht in den Informationsstand und die Pläne der späten Kádár-Regierung und der politischen Elite der Wende. Anhand der Akten wird sichtbar, welche Informationen aus der extrem abgeschotteten Ceauşescu-Regierung durchsickerten und welche Handlungsoptionen man diesbezüglich in Ungarn in Zeiten des politischen Umbruchs sah.

Informationskrümel und politisches Desinteresse (1975-1981)

Die im Historischen Archiv der Staatssicherheitsdienste (ÁBTL)3 verwahrten ersten Aufklä-rungsakten, die sich explizit mit Rumänien beschäftigten, stammen aus der zweiten Hälfte der 1970er Jahre. Man muss betonen, dass sich zu dieser Zeit der Informationsbedarf des ungari-schen Innenministeriums in rumäniungari-schen Angelegenheiten weniger auf konkrete Fälle und Akti-vitäten bezog, als vielmehr aus zusammenfassenden Berichten und internen Ausarbeitungen be-stand. Ungarn hielt sich gegenüber den Ländern des Ostblocks an das Prinzip der Nichteinmi-schung: Seine Informationen über die politische und wirtschaftliche Lage sowie die Situation der jeweiligen ethnischen Minderheiten der benachbarten Staaten bezog Budapest von seinen

unten – bis zum Grund der Grube. Ungarisch-rumänische Beziehungen in der zweiten Hälfte des Jahres 1989 im Spiegel der ungarischen diplomatischen Akten), in: Székelyföld (2009) 12, S. 69-103. Béla Révész: A magyar-román viszony problématörténetébıl az 1980-as években (Über die Problemge-schichte der ungarisch-rumänischen Beziehungen in den 1980er Jahren), in: Acta Universitatis Szegediensis. Acta Juridica et Politica 72 (2009), S. 463-522. Obwohl sich die oben genannten Autoren ähnlicher Datenquellen bedienen (meistens nutzen sie Unterlagen des Außenministeriums und der Par-tei), kommen sie oft zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen hinsichtlich des Erfolgs der Kádárschen Außen- und Nachbarschaftspolitik. Laut Földes versuchte Kádár innerhalb des sowjetischen Blocks ei-nen nationalen Konsens und Integration auf antinationalistischer Grundlage zu schaffen; Vincze hinge-gen meint, dass die Erklärung für die ambivalente, lange Zeit zu vorsichtige Rumänien-Politik im tief im System verwurzelten nationalen Nihilismus zu finden sei. Révész konzentriert sich auf das Flücht-lings-Thema und untersucht die Auswirkung der bilateralen Spannungen auf den politischen Umbruch in Ungarn.

3

Das ÁBTL ist das ungarische Pendant zur deutschen Stasi-Unterlagen-Behörde (Anmerkung der Über-setzerin).

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legalen Vertretungen in westlichen Ländern sowie über die Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts. So kam es zu der paradoxen Situation, dass die Staatssicherheit der DDR, die keine ge-meinsame Grenze mit Rumänien hatte, mehr über das Ceauşescu-Regime wusste als die Ungarn. Das erklärt sich auch dadurch, dass Ost-Berlin Rumänien ab 1968 zusammen mit China, Alba-nien und Jugoslawien zu den „nicht-freundschaftlichen“ Ländern zählte. Laut Meinung der For-scher, die sich mit der Tätigkeit des ostdeutschen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) befas-sen, wurde Rumänien in den 1980er Jahren zu einem wichtigen Zielland für die DDR-Spionage.4 Das MfS beunruhigten mit Blick auf den Balkanstaat mehrere Dinge: etwa die auf-fällige Aktivität Westdeutschlands (in Bukarest wurde 1979 ein Goethe-Institut eröffnet, in Klausenburg wurde ein Sprachlektorat an der Babeş-Bolyai-Universität unterhalten), der politi-sche Sonderweg Rumäniens, die antisowjetipoliti-sche Haltung der politipoliti-schen Führung sowie Rumä-niens Rolle als Transitland für die nach Jugoslawien fliehenden DDR-Bürger. Ab Ende der 1960er Jahre war an der Bukarester Botschaft eine zahlenmäßig kleine, aber aktive Außenstelle der DDR-Staatssicherheit angesiedelt. Bis zum politischen Umbruch wurden von hier aus zahl-reiche Aufklärungsberichte an die Zentrale versandt.5 Eine wichtige Rolle spielte hierbei die in-tensive und vertrauliche Kontaktpflege zur deutschen Minderheit in Rumänien: Mehrere promi-nente Intellektuelle und Parlamentsabgeordnete hatte die Stasi für sich gewonnen.6 Die Berichte westdeutscher Stasi-Agenten trugen ebenfalls in großem Maße dazu bei, dass sich die Führungs-riege der DDR mit der Situation in Rumänien bestens auskannte und die befreundeten Staaten mit vertraulichen Informationen über das „unzuverlässige“ Ceauşescu-Regime versorgte. Die Auslandsspionage-Abteilung der Stasi, die „Hauptverwaltung A“ (HVA), berichtete bereits 1969 davon, dass die rumänische Führung und der dortige Staatssicherheitsdienst (Securitate) keinen Unterschied mehr zwischen westlichen und östlichen Geheimdiensten machten.7 Die uns zur Verfügung stehenden Akten zeugen auch davon, dass die Stasi mit anderen osteuropäischen Staatssicherheitsdiensten gegen Rumänien zusammenarbeitete, etwa der in rumänischen Fragen bestens informierten polnischen Staatssicherheit. Anfang 1988 erhielt die DDR-Staatssicherheit eine Meldung aus Warschau, in der der polnische Partnerdienst die Beschlüsse einer wenige Ta-ge zuvor in Bukarest abTa-gehaltenen Ta-geheimen Beratung der Securitate-Führung mit einem hohen rumänischen Parteifunktionär analysierte – und sich dabei auf interne Quellen bezog.8 Die unga-rische Staatssicherheit verfügte hingegen bis in die 1980er Jahre über sehr wenige Informationen über die inneren Angelegenheiten des Nachbarlandes. Budapest wollte auf keinen Fall den An-schein erwecken, sich in die Angelegenheiten der ungarischen Minderheit unterstützend einzu-mischen – wie das die Opposition und die in den Westen emigrierten Ungarn forderten.

Ende der 1970er Jahre verschlechterten sich die ohnehin schon nicht allzu guten ungarisch-rumänischen Beziehungen zusehends. Budapest war wegen des stärker werdenden Nationalis-mus und der zunehmenden Auswanderung siebenbürgischer Intellektueller nach Ungarn

4

Helmut Müller-Enbergs: Hauptverwaltung A (HV A). Aufgaben – Strukturen – Quellen (MfS-Handbuch), hg. von dem Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, Berlin 2011, S. 76-80.

5

Stejărel Olaru/Georg Herbstritt: Stasi şi Securitatea, Bucureşti, 2005, S. 105.

6

Zum Beispiel Eduard Eisenburger, Vorsitzender des Rates der Werktätigen deutscher Nationalität (1969-1980) und Abgeordneter im rumänischen „Parlament“ („Große Nationalversammlung“, 1965-1989); ebd. S. 113.

7

Ebd. S. 109.

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mend beunruhigt.9 Die aktive Einmischung der ungarischen Emigranten aus dem Westen stellte beide Hauptstädte ebenfalls vor eine neue Herausforderung.10 Ceauşescu war geradezu scho-ckiert von der Demonstration, die von der Organisation Committee for Human Rights in

Roma-nia – CHRR (Komitee für Menschenrechte in Rumänien) im Juli 1978 in Washington organisiert

wurde. Diese Entwicklung überschattete damals den zweiten Besuch des rumänischen Präsiden-ten in den USA und stellte die Situation der ungarischen Minderheit in Rumänien in den Vor-dergrund. Budapest seinerseits wollte mit den ungarischen Emigranten in Nord- und Südameri-ka, die eine stark antikommunistische Haltung hatten und in der siebenbürgischen Frage eine radikale Meinung vertraten, nicht zusammenarbeiten. Es blieb Budapest also nichts anderes üb-rig, als eine vage Vermeidungspolitik zu pflegen und sich vorsichtig zu informieren. Anfang Dezember 1978 unterhielt sich ein Offizier der ungarischen Staatssicherheit darüber länger mit einem Mitarbeiter der Europäischen Hauptverwaltung des State Department.11 Der amerikani-sche Beamte mit Namen Földvári äußerte die Meinung, dass die rumäniamerikani-sche Führung wegen der Siebenbürgenfrage äußerst besorgt sei. Er wies seinen ungarischen Gesprächspartner ebenfalls darauf hin, dass man in Bukarest meine, die für die antirumänischen Aktionen verantwortlichen Kräfte würden von Budapest Unterstützung und Ermutigung erfahren. Földvári fügte ferner hin-zu, dass „Ceauşescu sich wie in einem Vakuum fühlt – und da er in der Siebenbürgenfrage mit der Unterstützung Moskaus nicht rechnen kann, befürchtet er, dass auch Washington nicht ein-deutig Partei beziehen wird und die als endgültig abgeschlossen betrachtete Frage doch noch auf die Tagesordnung der internationalen Öffentlichkeit kommt.“ Im Nachwort des Schreibens wur-de noch vermerkt, dass wur-der amerikanische Beamte ungarischer Abstammung das Fehlen „ent-sprechender englischer Publikationen“ bemängelte, die „der rumänischen Propaganda entge-genwirken“ könnten, die sonst „ohne Gegenreaktion bestehen bleibt und ihre Wirkung in vollem Umfang entfalten kann“.

In dieser Periode wurden zwei sehr aufschlussreiche Hintergrundgespräche schriftlich doku-mentiert, beide wurden von Mitarbeitern der Kölner Vertretung (Residentur) des ungarischen Staatssicherheitsdienstes mit Forschern des Südost-Institutes (SOI) geführt.12 Im Oktober 1978 informierte Karl Nehring13, ein Spezialist für das Thema der ethnischen Minderheiten in der Re-gion, seinen Gesprächspartner darüber, dass die rumänische Regierung seit Herbst 1977 eine „breit aufgestellte kulturpolitische Offensive gegen die BRD richtete. Seit dem Herbst des ver-gangenen Jahres wird die BRD von einer Schar rumänischer Sozialwissenschaftler über-schwemmt, die jede Gelegenheit nutzen, in unterschiedlichen Foren Präsenz zu zeigen und zu

9

Über die Migrationsbewegungen während des kommunistischen Regimes bietet eine ausgezeichnete Darstellung: István Horváth (Hrsg.) Migrációs folyamatok Erdély és Magyarország között (Migrations-bewegungen zwischen Siebenbürgen und Ungarn), Kolozsvár (Klausenburg), 2006, S. 16-22.

10

An dieser Stelle möchte ich auf einen Beitrag von Gabriella Hermann hinweisen, die die Geschichte des Amerikanischen Siebenbürgen-Verbandes von den Anfängen bis zum Ende der 1970er Jahre anhand der zeitgenössischen Emigrationspresse untersuchte: Gabriella Hermann: Az Amerikai Erdélyi Szövet-ség története, 1952-1977 (Die Geschichte des Amerikanischen Siebenbürgen-Verbandes, 1952-1977), in: Magyar Kisebbség 61-62 (2011), S. 7-111.

11

ÁBTL (Historisches Archiv der Staatssicherheitsdienste) 1.11.4. T/2, 106. Schachtel, Rumänien 1978, 48. Washington, 5. Dezember 1978. Über den Mitarbeiter des State Departments verfügen wir leider nicht über weitere Informationen, sein Name wird in der zu diesem Thema verfassten Publikation von László Borhi nicht erwähnt.

12

Das Münchner SOI weckte schon früher das Interesse der ungarischen Staatssicherheit, siehe: ÁBTL 3.2.5. 0-8-448. Ob sich die ungarische Geheimdienstresidentur in Köln als eine offizielle Einrichtung tarnte und wie sie arbeitete, müsste noch genauer erforscht werden.

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den unterschiedlichsten gesellschaftspolitischen Themen den Standpunkt Rumäniens zu erläu-tern. Sie ziehen von einer gesellschaftspolitischen Konferenz zur anderen und halten sich wo-chenlang in der BRD auf.“ Laut Nehring baue Rumänien als Ergebnis dieser gut organisierten Kampagne durch „Langzeit-Stipendiaten und Gastprofessoren Stützpunkte in Heidelberg, Frei-burg, Bochum“ aus; in die Aktion würden „ein paar loyale siebenbürgisch-sächsische Intellektu-elle aus Rumänien“ mit einbezogen.14 Ein Jahr später, am 25. September 1979, initiierte ein ge-heimer Beauftragter der Hauptverwaltung III/I des Innenministeriums ein „freundschaftliches Gespräch“ mit dem Historiker Gerhard Seewann, der sich in Budapest aufhielt und den das SOI seinen „politischen Mitarbeiter“ nannte. Laut Seewann entzündeten sich im Institut, das über ein breites internationales Beziehungsnetz verfügte, heftige Diskussionen über die Beurteilung der ungarisch-rumänischen Beziehungen und über die neuesten innenpolitischen Entwicklungen in Rumänien. Die rumänische Abteilung sei der Meinung, dass sich Rumänien gerade bemüht, Schritt für Schritt aus dem sozialistischen Lager auszutreten und den Status der „nicht-verpflichteten“ Staaten, also eines blockfreien Landes, zu erreichen. Die ungarische Abteilung und die Mehrheit der Forscher im Institut waren allerdings der Meinung, dass Rumänien sich nicht auf einen Austritt vorbereite, das müssten weder Ungarn noch die Sowjetunion befürchten. Diese Sicht teilten übrigens auch die meisten westlichen Analysten und Nachrichtenagenturen.15 Laut Seewann seien die „anti-sowjetischen und –sozialistischen“ Äußerungen viel eher durch die innenpolitische Lage bedingt: „die Macht sei sehr dynastisch aufgeteilt“, „die Tendenz zu und die Erscheinungen von faschistoiden Machtmechanismen“ nähmen zu, „in anderen sozialis-tischen Ländern gäbe es hingegen eine aus Angehörigen mehrerer gesellschaftlicher Schichten zusammengesetzte Opposition, die insgesamt gesehen der Entwicklung des Landes diente – so etwas existiere in Rumänien nicht und es sei auch nicht möglich“. Seewann äußerte gegenüber dem Geheimagenten „Borkuti“, dass das SOI unter der Leitung von Karl Nehring ein Koopera-tionsprojekt mit der Rumänischen Akademie ausgearbeitet habe. Da die Stärkung der Zusam-menarbeit mit Rumänien den Interessen der BRD entspräche, habe „der Institutsleiter Matthias Bernath trotz seiner Antipathie gegenüber Rumänien dem Plan stillschweigend zugestimmt“.16

Die zitierten Informationen sind selbstverständlich lediglich „Krümel“, da man sie nicht planmäßig sammelte und von einer politischen Nutzung nichts bekannt ist – obwohl es reichlich besorgniserregende Anzeichen gab, vor allem die rumänische nationalistische und antiungari-sche Propaganda. Die Führung der Ungariantiungari-schen Sozialistiantiungari-schen Arbeiterpartei signalisierte ihre Unzufriedenheit lediglich mit „sanften“ Mitteln, wie zum Beispiel durch den als politische Nachricht verfassten Artikel von Gyula Illyés in der Neujahrsausgabe 1978 der Tageszeitung

Magyar Nemzet über die schwierige Lage der ungarischen Minderheitengruppen.17 Die Tatsa-che, dass ein paar Monate später der ehemalige Leiter der ungarischen Staatssicherheit, Sándor Rajnai, zum Botschafter in Bukarest ernannt wurde, signalisierte, dass Ungarn nicht mehr

14

ÁBTL 1.11.4. T/2, 106. Schachtel, Rumänien 1978, 42. Rumänische kulturpolitische Maßnahmen in der BRD. Köln, 10. Oktober 1978.

15

Einen anderen Standpunkt vertritt ein amerikanischer Geheimdienst-Fachmann, der mit der damaligen offiziellen rumänischen Meinung sympathisierte: er meint, dass die USA und ihre Verbündeten die An-näherung Ceauşescus zum westlichen Block in den 1970er Jahren falsch einschätzten: Larry L. Watts: Fereşte-mă, Doamne, de prieteni. Războiul clandestin al blocului sovietic cu România (Bewahre mich, Herr, vor den Freunden. Der geheime Krieg des Sowjetblocks gegen Rumänien), Bucureşti, 2011.

16

ÁBTL 1.11.4. T/2, 163. Schachtel, 71f. Információs jelentés. Románia megítélése a Südost Europa Institutban (Informationsbericht. Rumäniens Beurteilung im SOI). Budapest, 19. November 1979.

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schloss, Bukarest ebenfalls zu beobachten.18 Rajnais neuer Auftrag ist insbesondere wegen sei-ner früheren Laufbahn interessant. Während in den ungarischen Akten außer den regulären au-ßenpolitischen Berichten kaum Informationen über Rajnais vierjährige Tätigkeit in Bukarest vorkommen, hielt die Securitate diesen Diplomaten mit außergewöhnlicher Vergangenheit und besonderen Aufklärungsfähigkeiten unter ständiger Beobachtung; Bukarest hielt ihn sogar für einen KGB-Agenten. Aus den rumänischen Staatssicherheits-Unterlagen des Gymnasiallehrers Ernı Fábián erfahren wir, dass ihn Rajnai zwischen 1980 und 1982 regelmäßig besuchte. Bei diesen Treffen wurden vertrauliche (und abgehörte) Gespräche über die neuesten Entwicklungen in der rumänischen Minderheitenpolitik geführt. Rajnai informierte sich auch über die allgemei-ne Stimmung unter den ungarischen Intellektuellen in Siebenbürgen.19 Es ist nicht auszuschlie-ßen, dass Rajnai seine Informationen aus erster Hand auch mit der ungarischen Führung teilte. Anzeichen für eine entschlossene ungarische Gegenreaktion gibt es jedoch keine. So konnte die Situation entstehen, dass, als das politische Exekutivkomitee der Rumänischen Kommunisti-schen Partei (RKP) einen Brief an den Parteiausschuss der UngariKommunisti-schen Arbeiterpartei richtete, in dem es sich über chauvinistische und irredentistische Einflüsse in den ungarischen Massen-medien beklagte, ein als zu hart beurteilter Antwortbrief auf Anweisung János Kádárs zurückge-zogen wurde.20 In diesem Fall ist aber von mehr die Rede als von einer hoffnungslos defensiven, von historischen Komplexen beladenen und zu raschen Antworten unfähigen Kádárschen Natio-nalitätenpolitik. Aus Anfang der 1980er Jahre hinter geschlossenen Türen geführten politischen Diskussionen geht hervor, dass die leitenden Funktionäre des Kádár-Regimes lange absolut un-informiert waren und gegenüber den sicherheitspolitischen Risiken, die das Land unmittelbar betrafen und die aus der gegnerischen Tätigkeit rumänischer Sonderorgane erwuchsen, völlig unsensibel waren.

Das allmähliche Erkennen der Gefahr (1982-1987)

1982 kam ein „streng geheimes, besonders wichtiges“ sechsseitiges Schreiben mit dem Titel „Die Tätigkeit der rumänischen Sonderorgane gegen die Ungarische Volksrepublik“ auf den Tisch mehrerer wichtiger ungarischer Politiker (Mihály Korom, György Aczél, András Gyenes, Frigyes Puja, János Berecz). Das von der Verwaltungsleitung der Spionageabwehr zusammen-gestellte Material beinhaltete sehr gewichtige und besorgniserregende Behauptungen: „Die ge-gen Ungarn gerichtete Tätigkeit der rumänischen Staatssicherheit wird in Bukarest und in den mit Ungarn angrenzenden Kreishauptstädten organisiert. Ihr Ziel ist die Aufklärung der ungari-schen und sowjetiungari-schen Truppenbewegungen und ihrer Bewaffnung sowie die Feststellung der ‚ungarischen und sowjetischen Absichten‘ bezüglich Siebenbürgens, die die rumänische Seite befürchtete. Zum Zweck ihrer aufklärerischen Ziele bemühten sie sich, auf ungarischem Gebiet eine Agentenbasis zu bilden, die zum Teil aus dem Kreis der Ausgewanderten, zum Teil aus der Reihe der ungarischen Staatsbürger bestand. Ein beträchtlicher Anteil derjenigen, die aussiedeln wollten, wurde zu einer Tätigkeit gegen die Ungarische Volksrepublik aufgerufen. Denjenigen,

18

Ebd., S. 239.

19

Ernı Fábián: Naplójegyzetek 1980-1990 (Tagebuch-Aufzeichnungen 1980-1990), Kolozsvár (Klausen-burg) 2010.

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die eine Kooperation eingingen, wurde die schnelle und effiziente Erledigung der Akten zugesi-chert.“21

Die Befürchtungen der Ungarn waren nicht ohne Grund: Der rumänischen Fachliteratur zu-folge wurde in Rumänien 1969 eine spezielle Aufklärungseinheit ins Leben gerufen (Unitatea Militară 0110). Diese beschäftigte in den 1980er Jahren fast 300 Berufsoffiziere, eine ihrer vier Untereinheiten befasste sich ausschließlich mit Ungarn und dem ungarischen „Irredentismus“.22 Auf die rumänische Bedrohung gab Budapest am 18. Juni 1982 die erste Antwort auf operativer Ebene. Der stellvertretende Innenminister ordnete im Rundschreiben Nr. 1/1982 die „operative Aufklärung und Abwehr“ von ungarnfeindlichen Tätigkeiten Jugoslawiens und Rumäniens an.23 Ab diesem Zeitpunkt wurde Rumänien nicht mehr als ein „freundschaftlich sozialistisches“ oder „eng kooperierendes“ Land des Ostblocks betrachtet. Das Rundschreiben betonte gleichzeitig, dass man Rumänien nach wie vor als sozialistisches und nicht feindliches Land behandeln sollte, dementsprechend müsse man die Abwehrtätigkeit weiterhin den politischen Zielen unterordnen, um die bestehenden Spannungen nicht weiter zu verschärfen. Die Notwendigkeit der „defensi-ven“ Aufklärung ergab eine paradoxe Situation: Anfang der 1980er Jahre wurde die ungarische Gesellschaft durch die Verschlechterung des Lebensniveaus und die Krisen, die den sowjeti-schen Block erschütterten (Afghanistan, Polen), zunehmend demoralisiert. Auf der Ebene der Staatssicherheit blieb der Nationalismus innerhalb des Landes der hauptsächliche ideologische Feind des Systems. Das Protokoll der innenpolitischen Sitzung in Sofia im November 1983 wi-derspiegelt die Starre und den Dogmatismus des offiziellen Standpunktes sehr gut. Der General-leutnant und stellvertretende Minister Jenı Földesi, der im Jahr davor das Zurückdrängen des rumänischen Geheimdienstes angeordnet hatte, zeichnete ein dramatisches Bild der Verbreitung des ungarischen Nationalismus: „Auch diejenigen fingen an, sich des nationalistischen Instru-mentariums der Hetze zu bedienen, denen diese Ideologie völlig fremd war und die es offen-sichtlich nur zu taktischen Zwecken nutzten. Die so genannte ,radikale politische Opposition‘ erkannte beispielsweise auch, dass die nationalistische Propaganda ein sehr nützliches Instru-ment ist, die feindlichen Kräfte zu bündeln und damit ihre Basis zu vergrößern. Unserer Mei-nung nach sind diejenigen heimischen Gruppierungen am gefährlichsten, die sich um nationalis-tisches Gedankengut herum organisiert bzw. dieses übernommen haben. Diese Gruppen finden sich vor allem im kulturellen Leben und verfügen über relativ vielfältige Möglichkeiten, ihre Wirkung zu entfalten. Sie planen die Errichtung einer Massenbasis. Ihr hauptsächliches Thema sind die Lancierung, Analyse und Aufrechterhaltung der so genannten ‚ungarischen Schicksals-fragen‘. Die niedrige Geburtenrate, die immer größer werdende Zahl der Selbstmorde und der zunehmende Alkoholismus sind für uns tatsächlich große Probleme. Diese Kräfte machen je-doch den Sozialismus für diese Entwicklungen verantwortlich und geben diesen Fragen eigen-mächtig Vorrang im Vergleich zu den tatsächlich virulenten und momentan dringendsten Pro-blemen des Sozialismus. Sie greifen die Regierung an und werfen ihr vor, dass Ungarn seiner Funktion als ‚Mutterland‘ nicht nachkomme und kritisieren ihr wenig ausgeprägtes Ungarntum

21

BTL 1.11.4. – T – III/82, 306. Schachtel, 2-7 Abteilung III/II/10 des Innenministeriums (internationale Kooperation, Abwehr in Drittstaaten). Notiz: Die Tätigkeit der rumänischen Sonderorgane gegen die Ungarische Volksrepublik. Budapest, ohne Datum.

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Über die Situation des rumänischen Staatssicherheitsdienstes nach 1978 siehe Liviu łăranu: EvoluŃia spionajului românesc după defecŃiunea generalului Ion Mihai Pacepa (1978-1989) (Die Entwicklung der rumänischen Spionage nach der Desertion des Generals Ion Mihai Pacepa, 1978-1989), in: Anuarul Muzeului Marinei Române 11 (2008), S. 282--294.

23

Rolf Müller/Tibor Takács (Hrsg.): Szigorúan titkos ’89. A magyar állambiztonsági szervek munkabeszámolói (Streng geheim ’89. Die Arbeitsberichte der ungarischen Organe der Staatssicher-heit), Budapest 2010, S. 33.

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[…]. Sie halten sich für die einzig Kompetenten in ethnischen Fragen. Sie handeln realitätsfern, geben Erklärungen ab, sammeln Unterschriften und organisieren alle möglichen anderen Maß-nahmen, manchmal blind und in jedem Fall ohne Befugnis.“24

Die multilaterale sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen den sozialistischen Ge-heimdiensten wurde in dieser Zeit weiterhin von Themen dominiert wie dem Eindringen in den Vatikan, der Obstruktion des Senders Radio Freies Europa und westlicher Nachrichtendienste oder der Zersetzung der feindlichen Emigration. Trotzdem sahen sich die Geheimdienste Un-garns und anderer sozialistischer Staaten nach der Warnung im Jahre 1982 anscheinend veran-lasst, gegenüber Rumänien aktiver zu agieren. Zusätzlich gingen von Diplomaten der in Buka-rest akkreditierten NATO-Staaten indirekt erhaltene Informationen ein, dass mehrere hochrangi-ge Offiziere im Februar 1983 einen Putsch hochrangi-gehochrangi-gen Ceauşescu vorbereitet hätten. Diesem Putsch habe das Regime mit der Verhaftung von 15 Personen und einem bedeutenden Personalwechsel vorgebeugt.25 Nach Informationen aus dem Berliner Stasi-Archiv befahl der Minister für Staats-sicherheit, Erich Mielke, 1983 seinem Apparat, systematisch Daten über Rumänien zu sammeln. (Zu ähnlichen Maßnahmen gegenüber den anderen sozialistischen Staaten entschloss sich das MfS erst 1986 nach Beginn der Perestrojka unter Gorbatschow.)26 Die ungarischen Akten lassen darauf schließen, dass die Stelle zur Spionageabwehr in Bukarest vermutlich ein Jahr nach dem Beschluss von 1982 errichtet wurde. Man muss betonen, dass eine Organisation mit demselben Namen (ein, zwei Offiziere, ein Netzwerk von inoffiziellen Mitarbeitern) bereits 1961 an der Prager Botschaft ins Leben gerufen worden war; am ungarischen Konsulat in Bratislava bestand ab 1969 ein ähnliches System, das eine doppelte Aufgabe hatte: die Zusammenarbeit mit der tschechoslowakischen Staatssicherheit bei Spionagefällen, die westliche Staatsbürger betrafen, sowie ab den 1970er Jahren die Sammlung von Informationen über die kulturelle und rechtliche Situation der Ungarn in der Slowakei.27 Die in Bukarest errichtete Stelle zur Spionageabwehr diente hingegen anderen Zwecken. Ihre Aufgabe war nicht die Zusammenarbeit mit den rumäni-schen Behörden, sondern die geheime Datensammlung über die innenpolitische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Situation in Rumänien sowie die Beobachtung der Situation der unga-rischen Minderheit. Es kann also kein Zufall sein, dass die Diplomaten der ungaunga-rischen Bot-schaft in Bukarest am 18. August 1983, kurz nach der Errichtung der Bukarester Vertretung „ei-ne versteckte Leitung unbekannter Herkunft“ fanden, die auf Verwanzung hinwies.28 Diese Meldung bekamen mehrere Politiker in leitender Funktion (György Aczél, Mátyás Szőrös, Mi-hály Korom, Gyula Horn, Péter Várkonyi), und die ungarischen Behörden reagierten ungewohnt schnell. Die nach Bukarest entsandten Geheimdienstmitarbeiter fanden in der Wohnung des Diplomaten und ersten Sekretärs der Botschaft, Imre Kovalovszki, ein ausgebautes System von Leitungen, die auf frühere Abhöranlagen hindeuteten. Es wurden auch solche Kabelschächte

24

ÁBTL 1.11.1. 90. Schachtel, 8-10. Der Vortrag Jenı Földesis auf der Konferenz für Staatssicherheit in Sofia, 14. November 1983. An dieser Stelle möchte ich Krisztián Ungváry meinen Dank aussprechen, weil er mir das Dokument zur Verfügung stellte.

25

ÁBTL 1.11.4. T-III/83, 334. Schachtel, 162. Ceauşescu elleni puccskísérlet (Der Putschversuch gegen Ceauşescu). Budapest, 15. Februar 1983. Die Fachliteratur und die Erinnerungen der Zeitzeugen er-wähnen bis jetzt lediglich zwei Putschversuche: den von General Nicolae Militaru geführten Versuch (1978) und die Enttarnung der „sowjet-freundlichen“ Gruppe, die von Verteidigungsminister Ion IoniŃa, dem ungarischstämmigen General Ştefan Kostyal und von Ion Iliescu geleitet wurde (1984).

26

Stejǎrel Olaru/Georg Herbstritt: Stasi şi Securitatea, S. 157. Einen Sonderfall anderer Art stellte für das MfS seit 1980/81 Polen dar.

27

Detaillierter siehe Stefano Bottoni: Freundschaftliche Zusammenarbeit, S. 8.

28

ÁBTL 2.7.3. – 6-7/615/83. Technikai beépülés a bukaresti nagykövetségen (Technischer Einbau [Ver-wanzung] in der Bukarester Botschaft). Budapest, 19. September 1983.

(9)

funden, die einen schnellen Wiederaufbau dieser Anlagen ermöglichten. Bezüglich der tatsächli-chen Rolle Kovalovszkis lag der rumänische Geheimdienst allerdings richtig: Der Botschafts-mitarbeiter mit diplomatischem Status war auch ein streng geheimer Agent der ungarischen Staatssicherheit.29

Aus den Akten, die völlig ungeordnet ins Archiv kamen, ist schwer zu ersehen, mit welcher Methode, wie vielen Personen und welcher technischen Ausstattung die „aktive“ ungarische Spionageabwehr in den 1980er Jahren in Rumänien arbeitete. Allerdings scheint es, dass sie das Informationsniveau der polnischen Partnerorganisation erst gegen 1988 erreichte. Ein gutes Bei-spiel hierfür ist die Meldung über die zehn Tage zuvor stattgefundene Sitzung der obersten Füh-rung des rumänischen Innenministeriums, die am 22. November 1985 aus Warschau eintraf. (Die wichtigen Informationen wurden Innenminister István Horváth zugestellt.) In der Sitzung kritisierte Ion Coman, der Sekretär des Zentralkomitees der RKP, der die Arbeit des Innenminis-teriums überwachte, die bei der Miliz (Polizei) herrschende „lose Disziplin und Moral“ und kri-tisierte die Politik des Staatspräsidenten Ceauşescu sehr häufig.30 In der gleichen Sitzung stellte Gheorghe Homoştean, der sein Amt als Innenminister seit 1978 inne hatte, seinen Rücktritt in Aussicht. Er begründet seine Entscheidung damit, dass Securitate-Chef Tudor Postelnicu seine Handlungsfreiheit erheblich einschränkte. Der polnischen Quelle zufolge wurde darüber entschieden, dass man „die Beförderung von jungen Polizeioffizieren, die die Politik des Präsidenten befürworten, beschleunigen und die wichtigsten Positionen mit ihnen besetzen sollte.“31

Der Informationsstand des ungarischen Geheimdienstes auf dem Gebiet solcher Disziplinar-maßnahmen sowie der minderheitenpolitischen Maßnahmen, die die ungarische Minderheit di-rekt betrafen, ist als oberflächlich, manchmal sogar ungenau zu bezeichnen. Im August 1983 berichtete ein Bukarester Resident davon, dass der Lehrer László Búzás, der Bruder des Präsi-denten des Volksrates in Miercurea-Ciuc, wegen der Mitwirkung an der Herausgabe der Samiz-dat-Zeitschrift Ellenpontok festgenommen und in einem nichtöffentlichen Verfahren am Mili-tärgericht wegen staatsfeindlicher Tätigkeit zu acht Jahren Haft verurteilt wurde.32 Tatsächlich bekam er sechs Jahre. Der Informant hatte auch keinerlei Informationen über das Schicksal der beiden anderen Verurteilten, Katalin Bíró und Ernı Borbély, die zum Zeitpunkt der Berichter-stattung bereits seit zehn Jahren im Gefängnis saßen.33 Auf anderer Linie, vom Apparat des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei und von den im Westen lebenden Informanten, kamen jedoch viele aktuelle Informationen. Die Analyse des auf diese Weise zu-stande gekommenen Materials ist besonders wichtig, weil viele Berichte mit der Bemerkung en-den, dass „diese Informationen auf außenpolitischer Linie nicht bekannt sind“. Es ist also tat-sächlich von „streng geheimen“ und politisch sensiblen Informationen die Rede, die der Ge-heimdienst auch dem ihm eng verbundenen Außenministerium und der außenpolitischen Abtei-lung des ZK der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei nicht mitteilte.

29

ÁBTL 2.8.2.2. 23. Schachtel „illetmény“ (Besoldungsunterlagen ‒ Löhne, Beförderungen, Auszeich-nungen). Der unter dem Code D-49- geführte Kovalovszki diente zwischen 1982 und 1987 als Major in der Abteilung III/II/10 des Innenministeriums.

30

ÁBTL 2.7.3. – 6-7/878/85. Román vonatkozású információk (Informationen mit Rumänien-Bezug). Budapest, 22. November 1985.

31 Ebd.

32

László Búzás: A Szekuritate karmai között (In den Krallen der Securitate), Csíkszereda (Miercurea-Ciuc): Státus, 2005. Eine Begnadigung von 1984 drittelte seine Strafzeit, so dass er am 25. Februar 1987 entlassen wurde.

33

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Die vertraulichen Mitteilungen der im ZK der Rumänischen Kommunistischen Partei arbei-tenden Informanten bieten eine seltene Einsicht in die politische und Vertrauenskrise Rumäniens von Anfang der 1980er Jahre. Im August 1983 meldete der Bukarester Resident Folgendes: „Die Personalabteilung des ZK der RKP stellte eine 17-Punkte-Liste über die Anforderungen gegen-über allen Pressemitarbeitern zusammen. Diese Liste berücksichtigt auch Gesichtspunkte der Staatssicherheit. Laut dieser Liste obliegt die Überprüfung der Presse-Angestellten nicht ihrer übergeordneten Instanz, sondern dem Innenministerium. So wird die geplante Verminderung der Anzahl der Angestellten (Radio, Fernsehen, politische Redaktion) zur Entfernung der politisch unerwünschten Personen genutzt. Die Leiter dieser Institutionen bekommen vom Innenministe-rium eine Liste der Mitarbeiter, die entlassen werden sollen, ein Mitspracherecht haben sie nicht. Die Entlassungen werden meistens mit Rationalisierung oder Sparmaßnahmen begründet. Gleichzeitig sickern solche Entlassungsgründe durch wie: ausländische Verwandte, jüdische Herkunft, Scheidung, ungeordnetes Familienleben, Kulaken-Herkunft, Geistlicher in der Ver-wandtschaft.“34

Die größte Aufmerksamkeit fanden diejenigen Informationen und Meinungen, die die Min-derheitenpolitik und die ungarisch-rumänischen Beziehungen betrafen. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren wuchs die Menge der Informationen, die man durch die ungarische Emigra-tion bekam, spürbar. Das zeugt einerseits davon, dass die ungarischen Behörden mutiger die Hil-fe der bis dahin als Hil-feindlich behandelten und häufig beobachteten Emigration einforderten, an-dererseits zeigt es auch, dass gegen Mitte der 1980er Jahre für die Ungarn im Westen – unab-hängig von der politischen Zugehörigkeit – Siebenbürgen und die ungarische Minderheit zu ei-ner der wichtigsten Angelegenheiten wurden. Die diesbezügliche Aktivität der Emigration nahm die ungarische innenpolitische Führung mit unveränderter Antipathie wahr.35 Am 9. Mai 1984 wurde eine detaillierte Analyse über die Tätigkeit von László Hámos, einem der Leiter des

CHRR, angefertigt. Im Bericht wird das CHRR als eine „extrem feindliche ungarische

Emigran-tenorganisation” dargestellt, die eine wichtige Rolle beim Ausbau des Kontaktes zwischen der „demokratischen“ und „völkischen“ Opposition spielte. Der Bericht wurde mehreren Politikern der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei zugeschickt (György Aczél, Mihály Korom, Miklós Óvári) und beinhaltete die Feststellung, dass „sich die feindlichen westlichen Emigran-tenorganisationen immer mehr mit der Situation der Ungarn jenseits der Staatsgrenzen beschäf-tigen. Ihr diesbezügliches Engagement spornte sowohl die heimische nationalistische politische Linie als auch die radikal-reformistischen Personen an, die eine feindliche Tätigkeit ausübten. In diesem Thema ist die praktische Zusammenarbeit dieser beiden Richtungen auch intensiver ge-worden.“36 Anlässlich seines Besuchs in Budapest erklärte Hámos seinen Gesprächspartnern (unter anderem Gáspár Miklós Tamás, Lajos Für, György Bence, János Kis, Sándor Csoóri, Mi-hály Hamburger), dass die Amerikaner keinerlei Interesse an der Minderheitenfrage hätten. Das Thema der Minderheiten müsse man also so lancieren, dass für alle klar ersichtlich werde, wie die Menschenrechte in Osteuropa verletzt würden. Zu diesem Zweck arbeitete Hámos eine mehrgleisige Strategie aus: Zum einen verbesserte er die persönliche Situation der Andersden-kenden, er verhalf zum Beispiel Gáspár Miklós Tamás zu einer Einladung für einen

34 Ebd.

35

Magdolna Baráth untersucht die Staatssicherheitsbezüge der Emigrationspolitik des Kádár-Regimes: Támogatni vagy bomlasztani? Adalékok a magyar hivatalos szervek emigrációs politikájának változá-sához (Unterstützen oder zersetzen? Beiträge zur Veränderung der Emigrationspolitik der ungarischen offiziellen Organe), in: Betekintı (2011) 3 (= http://www.betekinto.hu/node/181, letzter Zugriff: 3.12.2012).

36

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tigen Aufenthalt am Osteuropa-Institut der Columbia-Universität in New York. Andererseits übte er durch den Kongressabgeordneten Thomas Lantos Druck auf die amerikanische Gesetz-gebung und auf die ungarische Redaktion von Radio Freies Europa aus, die das Minderheiten-thema bis dahin überhaupt nicht behandelt hatte. Die ungarische politische Polizei bewertete es als besonders schwerwiegend, dass die von Hámos’ Organisation errichtete Ungarische Stiftung

für Menschenrechte die bis dahin isoliert agierende Lobbytätigkeit erfolgreich integrierte und

dass die antiungarische Politik des kommunistischen Regimes in Rumänien zur hauptsächlichen zusammenführenden Kraft zwischen der Emigration und der inneren Opposition wurde. Eine ähnliche Stoßrichtung spiegelte ein Geheimdienstbericht im Herbst 1985 über die Tätigkeit von Gáspár Miklós Tamás wider. Demnach wurde Tamás von „Vertretern feindlicher westlicher Presseorgane und Berichterstattern von Propagandaorganen“ regelmäßig besucht, man hielt ihn für „den Fachmann in Sachen Minderheiten“, dessen Äußerungen sich „für die Diffamierung der Ungarischen Volksrepublik“ eignen und „vollkommen den Erwartungen der feindlichen Propa-gandaorgane“ entsprechen würden.37

Als Gegengewicht zur rumänischen Propaganda entfalteten sich mehr oder weniger abge-stimmte Aktivitäten zwischen den oppositionellen Gruppen im Mutterland (zum Beispiel dem

Inconnu) und der Diaspora – auch den bis dahin vollkommen vernachlässigten Juden

ungari-scher Muttersprache. Im April teilte Dr. Ervin Farkas, Vize-Vorsitzender des Weltverbandes

Ungarischer Juden und Redakteur der Zeitschrift New Yorki Figyelı, den ungarischen Behörden

im Gespräch mit einem Mitarbeiter der New Yorker Vertretung wichtige Informationen mit. Seiner Meinung nach erhöhte sich der rumänische Druck auf die Organisationen der aus Rumä-nien ausgewanderten ungarischen Juden. Der Historiker Ion Isaiu, ehemaliger Rektor der Uni-versität in Großwardein (Oradea), hielt in New York einen Vortrag als Gast der regionalen Gruppe der Organisation Bnai Zion mit dem Titel „Die jüdische Frage in Rumänien“. Hier lobte er die rumänischen Maßnahmen in der Minderheitenpolitik und die Außenpolitik Ceauşescus im Nahen Osten und nannte gleichzeitig als negatives Gegenbeispiel den Boykott Ungarns gegen Israel.38

Die schrittweise Einengung des außenpolitischen Bewegungsspielraumes Rumäniens be-merkte auch Viktor Meier. Der Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sprach am 23. Oktober 1984 mit einem Mitarbeiter der Wiener Vertretung über die Verhandlungen, die anläss-lich des Besuchs Ceauşescus in Bonn stattfanden. Meier teilte seinem ungarischen Gesprächs-partner mit, dass „laut den [deutschen] Diplomaten Außenminister Ştefan Andrei seit längerer Zeit nicht mehr über authentische Informationen verfügt, sondern den Anschein zu erwecken versucht, dass die rumänische Diplomatie aktiv und selbstständig ist, aber nach unserer Erfah-rung hat sich der Spielraum Bukarests sehr eingeengt“. Was die Minderheitenfrage angehe, habe man für Bundeskanzler Helmut Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher eine detaillier-te Studie über die Situation der ungarischen Minderheit in Rumänien angefertigt und sie mit der-jenigen der deutschen Minderheit verglichen. Laut Meier „stellte die sachliche Studie fest, dass das Ziel der Rumänen im Fall beider Minderheiten dasselbe ist: die stufenweise, sich ständig beschleunigende Assimilation. Da auch die ungarische Regierung keinerlei Interesse an der

37

ÁBTL 2.7.3. 6-7/881/85. Die Tätigkeit von Gáspár Miklós Tamás. Budapest, 26. November 1985.

38

ÁBTL 1.11.4. T-III/84, 374. Schachtel, 13. Román törekvés az USA-ban élı erdélyi magyar zsidók be-folyásolására (Rumänische Bemühungen zur Beeinflussung der in den USA lebenden ungarischen Ju-den aus Siebenbürgen). New York, 10. Dezember 1984.

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massiven Übersiedlung der 2 Millionen Personen zählenden Minderheit hat“, könne man laut dem Journalisten mit der Eskalation des Problems rechnen.39

Das Auftreten und die Reformpläne des neuen sowjetischen Generalsekretärs Michail Gor-batschow gaben dem Ost-West-Dialog neuen Schwung und brachten die Legitimationskrise des sowjetischen Blocks zum Vorschein. Am 19. April 1985 legte die Hauptverwaltung für Spiona-geabwehr des ungarischen Staatssicherheitsdienstes anhand der Berichte der Bukarester Vertre-tung wichtiges Informationsmaterial über die rumänischen (nicht-offiziellen) Reaktionen auf Gorbatschows Amtsantritt vor.40 Eine Gruppe von Moskaunahen „Veteranen“ und „Beiseitege-schobenen“ (vermutlich handelt es sich hier um Silviu Brucan und seinen Kreis) entfaltete nach dem Tod von Gorbatschows Vorgänger Konstantin Tschernenko zusehends Aktivitäten. Diese bestärkten das, was westliche Beobachter schon früher bemerkt hatten: Eine Folge der Leitlinie von Gorbatschow, die auf Kontaktpflege setzte, war die Abwertung der „Sonderweg-“ und „Schachspieler“-Politik Ceauşescus. Dem Bericht zufolge fehlten die Voraussetzungen für einen innenpolitischen Wandel vollständig: „Die Gruppe der ‚Andersdenkenden‘ hat sich weder in Form von Personen noch als Konzeption konkretisiert. Ihr führender Kern könnte sich aus sol-chen, in den oberen Führungsschichten ‚geduldeten‘ Politikern wie z. B. VerdeŃ, Paul Nicolescu, Dimitru Popescu, Mihály Gere), den ‚beiseitegeschobenen Klugen‘, wie Maxim Berghianu, Vorsitzender des Staatlichen Planungsbüros, oder die Vize-Premierminister Cornel Burtica und János Fazekas, aus den noch lebenden ‚großen‘ Veteranen sowie ihren engsten Schülern, aus auch heute wichtige Positionen bekleidenden, aber zur Unterwerfung gezwungenen Technokra-ten und führenden Parteifunktionären (Vize-Premierminister, Minister, Generalsekretäre des Kreisparteirats, ihren Vertretern), aus Geschäftsführern industrieller Zentren und Unternehmen, aus ‚unterdrückten Führungspersonen aus dem Militär‘ (usw.) herausbilden. Diese Menschen wissen einerseits, dass Rumänien die tiefe wirtschaftliche und politische Krise nur mit der Hilfe der Sowjetunion überwinden kann, andererseits sind sie geeignete Persönlichkeiten, um die jet-zige Führungslinie von Grund auf zu überprüfen und die Konsequenzen zu ziehen. Mit solchen ‚Explosionen‘, ‚spontanen Volksbewegungen‘, die einer kollektiven Unzufriedenheit entstam-men, kann man weiterhin nicht rechnen. [...] Eine ‚Palastrevolte‘ mit landesweiter Wirkung (an dem sich evtl. auch Familienmitglieder beteiligen würden) hat nur dann eine realistische Chan-ce, wenn sich ein führungsfähiger, relativ einheitlicher ‚Reform-Kern‘ herausbildet.“41

Die schrittweise Verschlimmerung der rumänischen Krise und die immer aktivere Rolle der ungarischen Emigration widerspiegeln zwei Berichte vom Mai 1985. Einer der beiden Berichte stellte eine Kehrtwende in den sich bis dahin dynamisch entwickelnden rumänisch-amerikani-schen Beziehungen fest, nachdem David B. Funderburk, der US-Botschafter in Bukarest, am 13. Mai mit sofortiger Wirkung seinen Posten aufgegeben hatte. Sein Rücktritt war ein Protest dagegen, dass der US-Kongress, trotz des Protestes von Menschenrechtsorganisationen, die Meistbegünstigungsklausel für Rumänien verlängerte. Am 20. Mai meldete der bereits erwähnte Szekeres seinem Gesprächspartner aus Ungarn mit dem Decknamen „Csíki“, dass „die siebenbürgischen Organisationen in den USA den Rücktritt des Botschafters als das Scheitern der Rumänien-Politik Reagans betrachten und den Zeitpunkt für geeignet empfinden, eine breit

39

ÁBTL 1.11.4. T-III/84, 374. Schachtel, 57. Nemzeti kisebbségek Romániában és a bonni tárgyalás (Ethnische Minderheiten in Rumänien und die Verhandlung in Bonn). Wien, 23. Oktober 1984.

40

ÁBTL 1.11.4. T-III/85, 409. Schachtel, 79-85. Hauptverwaltung III/II des Innenministeriums. Román vonatkozású infórmációk (Informationen mit Rumänien-Bezug). Bukarest, 19. April 1985.

41

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gefächerte Kampagne für den Schutz der Minderheitenrechte zu initiieren.“42 Einen Tag später äußerte sich Bulcsú Veress, enger Mitarbeiter des Senators Chris Dodd und einer der Gründer des CHRR, in einem Gespräch mit dem Berichterstatter mit dem Decknamen „Tabi“ auf ähnliche Weise.43

Dank der ungarischen Emigration im Westen erhöhte sich bis Herbst 1985 der internationale Druck auf Rumänien. István Zolcsák, der in Brasilien lebende Präsident des Weltverbandes der

Siebenbürger, setzte einen Diplomaten, mit dem er in Kontakt stand, im Oktober darüber in

Kenntnis, dass man über zuverlässige Daten verfüge, wonach die rumänische antikommunis-tische Emigration bedeutende materielle und moralische Unterstützung für eine antiungarische siebenbürgische Propaganda erhalte. Dies sei auch schon der BBC mitgeteilt worden, mit deren Hilfe man die vertraulichen Informationen anlässlich des für November geplanten Gorbatschow-Reagan-Gipfeltreffens veröffentlichen wolle.44 Obwohl den Experten bereits klar war, dass die USA die langjährige Unterstützung Rumäniens bald beenden würden45, mahlten die Mühlen der großen Politik langsamer. Die Pressekampagne begann mit der Osteuropa-Reise des amerikani-schen Außenministers George P. Shultz. Anlässlich dieses Besuchs erwachte ein beispielloses öffentliches Interesse an den Ceauşescu-kritischen Emigrantengruppen. Am 15. Dezember brachte der Nachrichtensender CNN ein fast zehnminütiges Live-Interview mit dem CHRR-Vorsitzenden László Hámos, in dem er über die Verletzung der Menschen- und Minderheiten-rechte berichtete und die Gewährung der Meistbegünstigungsklausel für Rumänien kritisierte.46 In dem zusammenfassenden Bericht des ungarischen Geheimdienstes, den Mátyás Szőrös, János Berecz und Péter Várkonyi erhielten, hieß es, der Bukarest-Besuch von Shultz sei in extrem angespannter Atmosphäre verlaufen. Auf Shultz’ harmlose Bemerkung, dass „Washington Rumäniens unabhängige außenpolitischen Entscheidungen gleichermaßen schätzt wie die auf eine Unabhängigkeit hinweisende ungarische Wirtschaftspolitik“, reagierte Ceauşescu sehr wütend und sagte, für ihn sei sehr klar, dass das langfristige Ziel „der jetzigen ungarischen Führung“ die Revision der Grenzen sei und das Land auch in seiner Propaganda dieselbe Linie verfolge wie das faschistische Ungarn der Zwischenkriegszeit. Er bemängelte auch, dass die Sowjetunion dies tolerieren würde.47 Nach Informationen des ungarischen Geheimdienstes bezog Shultz absichtlich keine Stellung zu dieser Frage, sondern bat lediglich die rumänische Führung, die Minderheitenrechte, vor allem das Recht auf Auswanderung, zu garantieren. Die damaligen Experten erklärten die Zurückhaltung der USA mit dem Interesse der Westmächte,

42

ÁBTL 1.11.4. T-III/85, 409. Schachtel, 98. Der Rücktritt des amerikanischen Botschafters in Bukarest, David Funderburk. Madrid, 20. Mai 1985. Zwei Jahre später fasste der bereits als Universitätsdozent arbeitende ehemalige Botschafter seine Erlebnisse in Rumänien auch in Buchform zusammen: David B. Funderburk: Pinstripes and Reds. An American Ambassador Caught Between the State Department & the Romanian Communists, 1981–1985, Washington D. C. 1987.

43

ÁBTL 1.11.4. T-III/85, 409. Schachtel, 97. Die Vergabe des Status der meistbegünstigten Nation. Wa-shington, 21. Mai 1985.

44

ÁBTL 1.11.4. T-III/85, 409. Schachtel, 41. Az Erdélyi Világszövetség tervei (Die Pläne des Siebenbür-gischen Weltverbandes). São Paulo, 21. Oktober 1985.

45

Siehe das Protokoll der Kongresssitzung am 1. November 1985. Hinzuweisen ist insbesondere auf den ausgezeichneten Beitrag der außenpolitischen Analystin Juliana Geron Pilon (zur Zeit Geschäftsführe-rin des Center for Culture and Security at the Institute of World Politics in Washington). ÁBTL 1.11.4. T-III/85, 409. Schachtel, 8-15. US Congressional record – Senate – November 1, 1985.

46

ÁBTL 1.11.4. T-III/85, 409. Schachtel, 17. Távirat. Hámos László nyilatkozata (Telegramm. Die Erklä-rung von László Hámos). New York, 18. Dezember 1985.

47

ÁBTL 1.11.4. T-III/85, 409. Schachtel, 3. Az amerikai külügyminiszter romániai tárgyalásairól (Über die rumänischen Verhandlungen des amerikanischen Außenministers). Budapest, 27. Dezember 1985.

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dass die rumänische Führung ihre „verbliebene Unabhängigkeit“ bewahren sollte anstatt sich Moskau wieder mehr anzunähern. Den zunehmenden Druck spürte auch Bukarest, und es wurden Gegenmaßnahmen getroffen. Viktor Meier, der Wiener Korrespondent der Frankfurter

Allgemeinen Zeitung, signalisierte im Herbst 1985 vor dem Shultz-Besuch seinem ungarischen

Gesprächspartner mit dem Decknamen „Herceg“, dass das rumänische Konsulat vor Ort für die Korrespondenten westlicher Zeitungen ein informelles Gespräch über die Situation der ethnischen Minderheiten in Siebenbürgen organisiere. Dieses Gespräch solle gleichzeitig der Informationsbeschaffung über Ungarn und Propagandazwecken dienen.48 Aus dem Jahr 1986 sind sehr wenige, für unsere Forschung irrelevante geheimdienstliche Dokumente über Rumänien erhalten geblieben. Der genaue Grund dafür lässt sich nicht feststellen. Man kann vermuten, dass später ein erheblicher Teil dieser Akten vernichtet oder teilweise einfach zurückgehalten wurde.

Im darauffolgenden Jahr lässt sich jedoch ein Quantensprung hinsichtlich der Menge an Dokumenten, die der Forschung zur Verfügung stehen, verzeichnen. Hervorzuheben sind der in Bukarest tätige Resident mit dem Decknamen „Szál“ oder der aus Klausenburg berichtende, streng geheime Offizier mit dem Decknamen „Sík“. Die Berichte dieser beiden Mitarbeiter, die an den Kollegen mit dem Decknamen „Láng“ in der Zentrale gerichtet waren, trugen in großem Maße dazu bei, dass Budapest einen tieferen Einblick in die neuesten Entwicklungen im Nachbarland bekam. Am 7. Januar 1987 gelangte aus Bukarest ein sehr wichtiges verschlüssel-tes Telegramm ins Innenministerium, das solche „nicht überprüften“ Informationen beinhaltete, über die auch das Außenministerium nicht benachrichtigt wurde: „Laut unseren aus Gesprächs-kontakten bezogenen Informationen aus dem Zentralkomitee der Rumänischen Kommunisti-schen Partei wurde eine prinzipielle Entscheidung darüber getroffen, dass die von János Kádár geführte ungarische Staats- und Parteiführung vor den sozialistischen Ländern zu diskreditieren sei. In der ungarischen Innenpolitik ist die Erhöhung der inneren Spannungen durch direkte oder indirekte Einmischung anzustreben. Auf der internationalen Plattform soll die Glaubwürdigkeit der Ungarn in erster Linie vor der Sowjetunion und dem Genossen Gorbatschow verringert werden. Die Argumentationslinie soll die ungarische Gefahr betonen, die durch eine zu große Öffnung der antisozialistischen Kräfte nach Westen entsteht, der ungarische Nationalismus soll betont werden, dessen Ziel zunächst die Wiedererlangung von Siebenbürgen, aber später auch ein Angriff auf die Sowjetunion ist. Das ungarische wirtschaftliche Modell soll innerhalb des sozialistischen Bündnisses als Trojanisches Pferd dargestellt werden, das sich schließlich gegen es wenden wird. All diese Bestrebungen seien vom Westen unterstützt. Die Schwachpunkte der sozialistischen Gemeinschaft sind Ungarn und Polen. Auf echter marxistischer, dem Kommu-nismus treuen Grundlage stehen lediglich die DDR, die Tschechoslowakei und Rumänien. Was Ungarn angeht, muss Rumänien damit fortfahren, wichtige Positionen von Staat und Partei zu unterwandern; dies dient dem Ziel der Informationsgewinnung und der Beein-flussung.“49

Dieser harte Schritt Rumäniens sollte eine Reaktion auf das Erscheinen einer Publikation in Budapest sein, die eine Trennlinie im ungarisch-rumänischen Konflikt bedeutete. Im November 1986 erschien nach jahrelanger Vorbereitung unter der Herausgeberschaft von Kultusminister Béla Köpeczi die dreibändige Geschichte Siebenbürgens.50 Innerhalb weniger Monate wurden

48

ÁBTL 1.11.4. T-III/85, 409. Schachtel, 48. Az erdélyi nemzetiségi kérdésrıl (Über die Nationalitäten-frage in Siebenbürgen). Wien, 27. September 1985.

49

ÁBTL 1.11.4. T-III/86, 476. Schachtel, 227. Informationsbericht. Szigorúan titkos, különösen fontos (Streng geheim, besonders wichtig). Bukarest, 7. Januar 1987.

50

Siehe György Földes: Magyarország, Románia S. 370–375; Gábor Vincze: Lăncrănjantól, S. 347-349. Martin Mevius: The Politics of History. Romanian-Hungarian historical disputes and the genesis of the

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von dem fast 2.000 Seiten starken Buch 100.000 Exemplare verkauft. Das besondere Interesse an der Publikation erklärt sich mit der gesellschaftlichen Solidarität mit dem „Schicksal Sieben-bürgens“. Nach der oben zitierten internen Anordnung starteten die rumänischen Behörden im Frühjahr 1987 eine breit aufgestellte Propagandakampagne im In- und Ausland, um den offiziellen rumänischen Standpunkt zu verteidigen und den ungarischen „Revisionis-mus“ zu enthüllen. Die Folgen dieser Kampagne wurden im Bericht der Bukarester Stelle zur Spiona-geabwehr im Monat Mai verzeichnet: „Laut unseren Informationen haben sich im März-April 1987 die Maßnahmen der rumänischen Staatssicherheit und Polizei gegen ungarische Objekte, Staatsbürger sowie gegen die ungarische Minderheit in Rumänien verstärkt. Die meisten Polizisten, die den Schutz der ungarischen Botschaft in Bukarest gewährleisteten (externer Schutz), wurden ausgetauscht. [...] Mehrere Angehörige der ungarischen Minderheit, die Kon-takte zur ungarischen Botschaft und dem Konsulat unterhielten, wurden zum Staatssicher-heitsdienst vorgeladen und verhört; sie wurden auch darauf hingewiesen, dass solche Kontakte einer Bewilligung bedürfen. Bei vielen von ihnen wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt, mehrere kamen unter strengste Kontrolle der Staatssicherheit. Mit dieser Praxis ist die Äußerung des ideologischen Sekretärs des Kreises Cluj (Klausenburg) in Verbindung zu bringen: ‚In Zukunft ist es für die RKP kein relevanter Aspekt mehr, dass einige verfolgte Angehörige der ungarischen Minderheit in Rumänien nicht zu Märtyrern werden‘ “.51

Die ungarischen Geheimdienstdokumente vom Ende der 1980er Jahre gewähren seltene Einblicke in den diplomatischen Krieg zwischen zwei Ländern, die demselben militärischen Block angehören. Ab 1987 zeigte sich der ungarisch-rumänische Konflikt nicht nur darin, dass die bilateralen Beziehungen auf Eis gelegt wurden (außer dem Gipfeltreffen der beiden Generalsekretäre Karoly Grosz und Nicolae Ceauşescu im August 1988 in Arad wiesen die Ungarn jeden Kontakt mit der Ceauşescu-Führung auf höchster Ebene zurück), sondern verlief vielmehr auf internationaler Ebene, vor dem Kongress der USA und den westeuropäischen Regierungen, oder sogar in unterschiedlichen Unterorganisationen der Vereinten Nationen oder der Konferenzen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Änderung des offiziellen ungarischen Standpunktes vermerkten viele Teilnehmer des OSZE-Treffens in Wien, als Budapest sich ohne Vorankündigung dem jugoslawischen und kanadischen Vorschlag zum Thema der ethnischen Minderheiten anschloss. Der Schritt löste heftige Reaktionen nicht nur seitens des rumänischen, sondern auch des sowjetischen und bulgarischen Vertreters aus, die die ungarische Sondermeinung als einen Verrat an der Einheit des sozialistischen Lagers werteten.52

Die ungarische Diplomatie und Staatssicherheit (beide sind schwer auseinanderzuhalten, weil mehr als die Hälfte der in westlichen Hauptstädten tätigen Angestellten des Außenministeriums einen doppelten Status besaß) warf vor der internationalen Öffentlichkeit immer entschlossener die Frage der Verantwortung Rumäniens auf. Und ihre Gesprächspartner äußerten in immer größerer Zahl ihre Zustimmung. Karl Stipsicz, der einflussreiche Redakteur der Sendung „Keleti

‘History of Transylvania’, Manuskript, 2011. Über das Thema siehe ferner die Erinnerungen von Béla Köpeczi: Erdély története harminc év távlatából (Die Geschichte Siebenbürgens aus der Perspektive von dreißig Jahren), in: Kisebbségkutatás (2006) 1, S. 47-59. Eine Kurzfassung der dreibändigen schichte Siebenbürgens erschien 1990 in Budapest in deutscher Sprache unter dem Titel Kurze Ge-schichte Siebenbürgens und umfasste immer noch 780 Seiten.

51

ÁBTL 1.11.4. T-III/87, 476. Schachtel, 140. Magyarellenes intézkedések Romániában (Ungarnfeindli-che Maßnahmen in Rumänien). Bukarest, 6. Mai 1987.

52

ÁBTL 1.11.4. BX-IV/1987/1. 490. Schachtel, 34. A bécsi EBEÉ-n elhangzott magyar javaslat vissz-hangja (Das Echo des bei der OSZE in Wien lancierten ungarischen Vorschlags). Belgrád, 2. März 1987.

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Stúdió“ des österreichischen Staatsfernsehens ORF, den man als „loyalen Kritiker der Unga-rischen Volksrepublik“ charakterisierte, stellte seinem ungaUnga-rischen Gesprächspartner, welcher für die Staatssicherheit arbeitete, im März 1987 den Standpunkt der österreichischen Medien vor. Demnach waren diese „im Kontext der ungarisch-rumänischen Meinungsunterschiede lediglich an einer Darstellung der Veränderungen in den bilateralen Beziehungen der beiden Länder interessiert. Grundsätzlich unterstützen sie die ungarische Sichtweise; der Grund dafür liegt aber nicht in der Unterdrückung der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen, sondern vielmehr in der Antipathie gegenüber der rumänischen Innenpolitik“. Er fügte aber auch hinzu, dass „das Ziel des österreichischen Fernsehens hinsichtlich der Minderheitenpolitik darin besteht, die Probleme der Österreicher in Südtirol und diejenigen der slowenischen Bevölkerung in Kärnten zu deeskalieren. In dieses Vorhaben passt die Darstellung der Probleme der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen nicht hinein. Er räumt aber auch ein, dass sie eine intensive Beschäftigung mit dem Thema im Falle einer dramatischen Wende der Situation in Erwägung ziehen würden“.53 Aus Madrid wurde wiederum gemeldet, dass bezüglich der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen am 10. und 11. März „in den zentralen Zeitschriften solche Artikel erschienen sind, aus denen eine Wertschätzung des offiziellen ungarischen Standpunktes hervorging“. In der Lancierung der Pressekampagne spielte Dr. János Szekeres, einer der Anführer der ungarischen Emigration in Spanien, eine wichtige Rolle. Zu ihm gelangten durch einen Verwandten, der im Informationszentrum der Vereinten Nationen in Washington arbeitete, wichtige und vertrauliche Dokumente aus der Unterabteilung für Außenhandel des US-Senats und aus der Kommission für Menschenrechte in Rumänien.54 Während dessen stellte sich heraus, dass der „Industriebaron“ Thyssen-Bornemissza für die Propagandaarbeit des CHRR „monatlich 10.000 Dollar gibt und dass er auch im Vorstand der Organisation ein Amt bekleidet“55 Die Rumänen blieben ebenfalls nicht untätig. Anfang Mai 1987 berichtete die ungarische Staatssicherheit darüber, dass die rumänische kirchliche Dele-gation während ihrer New York-Reise eine Pressekonferenz in den Vereinten Nationen abhielt. Die Teilnehmer behaupteten, dass in Rumänien Religionsfreiheit bestehe, der Staat sich in die Angelegenheiten der Kirche nicht einmische, und waren der Ansicht, dass die Nachrichten über das brutale Vorgehen gegen Gläubige einseitig seien. Oberrabbiner Moses Rosen erläuterte, dass die Juden in Rumänien in religiöser oder anderer Hinsicht keinerlei Einschränkungen unterlägen und auch frei auswandern könnten.56 Diese starke Lobbyarbeit war deswegen not-wendig, weil im Frühjahr 1987 die Kündigung der Rumänien seit 1975 gewährten Zollvergünstigungen wieder auf die Tagesordnung kam. Am 27. April akzeptierte die amerikanische Legislative die sechsmonatige Suspendierung der Meistbegünstigungsklausel mit großer Mehrheit und verpflichtete damit den Präsidenten, in dieser Frage innerhalb von zwei Monaten eine endgültige

53

ÁBTL 1.11.4. BX-IV/1987/1. 490. Schachtel, 18. Az osztrák média és az erdélyi kérdés (Die österrei-chischen Medien und die siebenbürgische Frage). Wien, 27. März 1987.

54

ÁBTL 1.11.4. T-III/84, 374. Schachtel, 83. Die neuesten Dokumente der Kommission für Menschen-rechte in Rumänien. Madrid, 10. September 1984.

55

ÁBTL 1.11.4. BX-IV/1987/1. 490. Schachtel, 33. A spanyolországi magyar emigráció tevékenysége (Die Tätigkeit der ungarischen Emigration in Spanien). Madrid, 12. März 1987.

56

ÁBTL 1.11.4. BX-IV/1987/1. 490. Schachtel, 9. A román egyházi delegáció amerikai tevékenysége (Die Tätigkeit der rumänischen kirchlichen Delegation in den USA). New York, 5. Mai 1987.

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Entscheidung zu treffen.57 Am 2. Juni setzte Ronald Reagan die Legislative über die erneute Gewährung der Meistbegünstigungsklausel in Kenntnis.58

Der Grund für die Aufhebung dieser Strafmaßnahme seitens des Präsidenten war nicht der Glaube an die „Bekehrung“ des kommunistischen Regimes in Rumänien, sondern es ging ausschließlich um strategische Überlegungen. In den USA befürchtete man nämlich, dass Ceauşescus Rumänien seinen bisherigen Sonderweg verließe und sich erneut der Sowjetunion zuwendete, falls die USA ihre Unterstützung einstellten. Dennoch entschied sich der Kongress auf Rat des State Departments am 26. Juni 1987 für die Nicht-Verlängerung der Meistbe-günstigungsklausel. Im Vorfeld der Entscheidung führte man Komitee-Anhörungen durch, zu denen internationale Experten eingeladen waren wie zum Beispiel György Schöpflin, Dozent an der Universität in London, der sich seit Längerem mit dem Thema Siebenbürgen beschäftigte. Nach Erkenntnissen der ungarischen Staatssicherheit spielte in diesen Anhörungen und in dem für Rumänien schließlich negativ ausfallenden Beschluss die ungarische Lobby von Thomas Lantos und László Hámos eine entscheidende Rolle.59 Die rumänischen Propagandabemühun-gen, die Diskussionen über Siebenbürgen zu neutralisieren, die zahlreichen Delegationen nach Amerika, die Überflutung der Kongressabgeordneten mit „freundschaftlichen“ Publikationen (wie zum Beispiel das dezidiert antiungarische Pamphlet von Milton G. Lehrer)60 seien erfolglos geblieben, wird der republikanische Abgeordnete aus Kalifornien Ernst Könnyő zitiert.61 Einem anderen Bericht zufolge feierte die ungarische Emigration dieses Scheitern Rumäniens als ihren größten Sieg in den vergangenen Jahrzehnten. Am Tag der Abstimmung unternahm Rumänien noch panische Versuche, die Situation zu retten. Die Angestellten der Botschaft berichteten ihren Kontakten im amerikanischen Außenministerium und im Kongress, dass die 1983 Verurteilten Ernı Borbély, László Buzás und zwei weitere Kameraden aus dem Gefängnis entlassen wurden – doch die Kräfteverhältnisse ließen sich damit nicht mehr ändern.

Obwohl es immer mehr Anzeichen gab, dass die bis dahin passive und resignierte Bevöl-kerung Rumäniens ihre Toleranzgrenze erreichte, lassen die diesbezüglichen Dokumente darauf schließen, dass die von internen politischen und wirtschaftlichen Problemen geplagte ungarische Parteiführung die offene Konfrontation mit Rumänien weiterhin vermeiden wollte. Bis Anfang 1988 wurde nicht einmal eine prinzipielle Entscheidung darüber getroffen, wie die inzwischen mehrere Tausend Personen umfassende Welle von Flüchtlingen aufgenommen werden sollte – und das, obwohl die oppositionelle und halboffizielle Öffentlichkeit (die Ungarische Presse-agentur in Siebenbürgen, die Samizdat-Publikationen Beszélı und Határ-Idı-Napló, die ungari-sche und rumäniungari-sche Sendung von Radio Freies Europa) regelmäßig darüber berichtete, mit welcher brutalen Behandlung diejenigen Personen (meistens ungarischer Ethnie) rechnen konnten, die nach Ungarn geflohen waren, aber den rumänischen Behörden wieder ausgeliefert wurden.62 Wie unhaltbar der offizielle ungarische Standpunkt war, der sich lediglich auf das

57

Eine detaillierte Schilderung der Gründe für die diplomatische Spannung und die Eskalation des Kon-fliktes siehe: Kirk Roger, Mircea Raceanu: Romania versus the United States. Diplomacy of the Ab-surd, 1985-1989, New York, 1994, S. 110-204.

58

György Földes: Magyarország, Románia, S. 386.

59

ÁBTL 1.11.4. T-III/87, 476. Schachtel, 120. Románia és az MFN (Rumänien und der Status der meist-begünstigten Nation). Budapest, 18. Juni 1987.

60

Milton G. Lehrer: Transylvania: History and Reality, Silver Spring (MD) 1986.

61

ÁBTL 1.11.4. BX-IV/1987/1. 490. Schachtel, 2. Román lobbizás az MFN ügyében (Rumänische Lobby für den Status der meistbegünstigten Nation). Washington, 15. Juni 1987.

62

Über die Änderungen der ungarischen Flüchtlingspolitik bezüglich Rumäniens in den 1980er Jahren siehe die thematische, englischsprachige Ausgabe der Zeitschrift Regio aus dem Jahr 2008,

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