P o rt ale Hy p er te n si o n Kapitel 11
Portale Hypertension 11
K. J. Oldhafer
Vorbemerkungen 370
11.1 Allgemeines, Diagnostik und Indikation 371 11.1.1 Allgemeines 371
11.1.2 Diagnostik 372 11.1.2.1 Endoskopie 372
11.1.2.2 Radiologische Methoden 373 11.1.2.3 Sonographie 375
11.1.3 Indikation 375
11.1.3.1 Ösophagus-/Fundusvarizen 375
11.1.3.2 Hypersplenismus mit Thrombozytopenie 376 11.2 Operative Therapie 376
11.2.1 Vorgehen bei akuter Blutung 376 11.2.2 Vermeiden der Rezidivblutung 378 11.2.3 Vorgehen bei prähepatisch bedingter
portaler Hypertension 378
11.2.4 Vorgehen bei posthepatisch bedingter portaler Hypertension 378
11.2.5 Vorgehen bei portaler Hypertension und therapierefraktärem Aszites 379
11.2.6 Vorgehen bei arterioportalen Fistelbildungen 379 11.2.7 Vorgehen bei Hypersplenismus 379
11.3 Operationsvorbereitung 381
11.4 Spezielle operationstechnische Gesichtspunkte 381 11.4.1 Zugangswege 381
11.4.2 Portokavale Shunts (End-zu-Seit und Seit-zu-Seit) 382 11.4.3 Splenorenale Shunts 382
11.4.4 Mesenterikokavaler Shunt 384
11.4.5 Inokuchi-Shunt (V. gastrica sinistra/V. cava inferior) 384 11.4.6 Mesenterikoportaler Rex-Shunt (Meso-Rex-Shunt) 384 11.4.7 Dissektionsoperation 385
11.5 Postoperative Behandlung 387
11.6 Spezielle postoperative Gesichtspunkte 387
11.6.1 Entwicklung bzw. Verstärkung einer Enzephalopathie 387 11.6.2 Shuntkontrolle und -verschluss 388
Literatur 388
Vorbemerkungen
Die portale Hypertension ist keine selbständige Krankheit, sondern stellt die Auswirkung einer zugrundeliegenden Abflussbehinderung im portal-venösen Kreislauf dar. Die Rolle der konventionellen Chirurgie in der Betreuung von Patienten mit portaler Hypertension liegt in der Kontrolle der Auswirkungen der portalen Hypertension, dies sind
쐌
Ösophagusvarizen (ca. 30 bis 50% der Patienten mit nachgewiesenen Ösophagusvari- zen erleiden eine obere gastrointestinale Blutung),
쐌
Magenvarizen (ca. 20% der Patienten mit Magenvarizen erleiden eine obere gastroin- testinale Blutung),
쐌
hypertensive Gastropathie,
쐌Aszites und
쐌
Hypersplenismus mit Thrombozytopenie.
In der Therapie der portalen Hypertension haben in den letzten 20 Jahren erhebliche Ver- änderungen stattgefunden. Die Entwicklung der Lebertransplantation in den 80-er Jahren als Routineverfahren in der Behandlung von Patienten mit Leberzirrhosen hat die Über- lebenschancen der Patienten gerade mit fortgeschrittener Zirrhose und portaler Hyper- tension gesteigert. Die Lebertransplantation ist die einzige kurative Therapie der portalen Hypertension bei Zirrhosepatienten (Broelsch 1989), es gilt jedoch festzuhalten, dass die portale Hypertension allein keine Indikation für eine Transplantation ist. 50 bis 70% der Patienten, die an einer Leberzirrhose leiden, bilden gastroösophageale Varizen aus, etwa ein Drittel dieser Patienten erleidet eine gastrointestinale Blutung. Die Letalität der ersten Blutung beträgt ca. 30%. Ohne Rezidivprophylaxe erleiden zwei Drittel der Patienten in- nerhalb eines Jahres eine Rezidivblutung. Die hypertensive Gastropathie ist die zweithäu- figste Ursache für gastrointestinale Blutungen bei Leberzirrhosepatienten. Diese Blutun- gen sind selten lebensbedrohlich, führen jedoch zu chronischen Blutverlusten.
Mit der weltweiten Verbreitung der Lebertransplantation wurde die Frage aktuell, wel- cher drucksenkende Shunt bei potentiellen Transplantationskandidaten mit Varizenblu- tung anzulegen sei (Otto 1995). Portosystemische Shuntanlagen, die das Lig. hepatoduo- denale unberührt lassen, bieten sich in dieser Situation an (s. Kap. 22, Lebertransplanta- tion).
Die Einführung des transjugulär gelegten intrahepatischen portosystemischen Stents (TIPS) hat zu einer weiteren entscheidenden Veränderung in der Therapie der portalen Hypertension geführt. Der Vorteil dieser Stenteinlage liegt darin, dass es sich um ein nichtoperatives Verfahren handelt, was gerade bei leberinsuffizienten, häufig an Gerin- nungsstörungen leidenden Patienten sehr vorteilhaft sein kann. Die Rate der Stenosie- rungen und kompletten Verschlüsse der TIPS ist jedoch sehr hoch. Bei rund 50% der Pa- tienten kommt es ein Jahr nach TIPS-Platzierung zu Okklussionen, so dass eine konti- nuierliche Überwachung der Patienten und Kontrolle der TIPS notwendig erscheint. Dies ist der Grund, warum sich die initiale Euphorie seit Einführung der TIPS teilweise gelegt hat. Für Patienten auf der Warteliste zur Lebertransplantation mit rezidivierenden Vari- zenblutungen ist der TIPS jedoch eine ideale Option, die Zeit bis zur Transplantation zu überbrücken.
Seit Einführung der Lebertransplantation und der TIPS in das therapeutische Armen-
tarium ist die Zahl der chirurgisch angelegten Shunts in Deutschland rückläufig. Im Rah-
men einer repräsentativen Befragung von Krankenhäusern wurde festgestellt, dass 1992
insgesamt 253 Shunts angelegt wurden, im Jahre 1997 nur noch 120 (Wolff 1999).
11.1
Allgemeines, Diagnostik und Indikation
11.1.1 Allgemeines
쐌
Pfortaderhochdruck
Eine portale Hypertension liegt definitionsgemäß dann vor, wenn der korrigierte Pfortaderdruck (portovenöser Druckgradient) über 6 mmHg liegt.
Formen des Pfortaderhochdrucks
Anatomische Lokalisation Ursache(n), Beispiele Prähepatischer Block (ca. 10%) Fehlbildungen der Pfortader
Arteriovenöse Fisteln der Splanchnikusgefäße Kavernöse Transformation der Pfortader Thrombosen der Pfortader/der Milzvene Intrahepatischer Block (ca. 80%)
aPräsinusoidal Kongenitale Leberfibrose,
Sarkoidosen, Schistosomiasis Sinusoidal Leberzirrhosen
Postsinusoidal „veno-occlusive disease“
Posthepatischer Block (ca. 10%) Obstruktion der V. cava inferior Budd-Chiari-Syndrom Herzerkrankungen
a
In der Regel ist die Zuordnung bei Patienten mit Leberzirrhose in prä-, intra- oder postsinusoidalen Block nicht möglich, häufig sind die Lokalisationen gemischt.
쐌
Kollateralkreisläufe
Die portale Hypertension führt zur Wiedereröffnung und Dilatation vorbestehender Venen und zur Neubildung von Kollateralvenen, welche portalvenöses Blut an der Le- ber vorbei zum kavalen Venensystem führen. Die häufigsten vier Venenensysteme für die Umgehungskreisläufe sind der ösophageale submuköse venöse Plexus, die Cardia- venen, das retroperitoneale Umbilikalsystem und der rektale Venenplexus. Vom Caput Medusae spricht man, wenn es nach Aufdehnung der V. umbilicalis zu sichtbaren um- bilikalen Kollateralvenen gekommen ist. Beim Cruveilhier-von-Baumgarten-Syndrom kommt es zu einer Wiedereröffnung des venösen Kanals im Lig. teres hepatis.
쐌
Lebervenendruck
Die direkte transkutane Messung des Drucks im portomesenterialen Venensystem ist mit einem hohen Blutungsrisiko verbunden und deswegen für den Routineeinsatz in der Klinik nicht geeignet. Die Messung der Druckwerte in den Lebervenen hingegen ist eine geeignete Methode, um das Ausmaß der portalen Hypertension indirekt zu be- schreiben. Der Lebervenenverschlussdruck wird durch Okklusion einer kleinen Leber- vene mit Hilfe eines vorgeschobenen Katheters bestimmt. Bei gesunden Probanden be- wegt sich der hepatovenöse Druckgradient zwischen 1 und 4 mmHg, d. h. der geblock- te Lebervenendruck liegt zwischen 5 und 10 mmHg und der freie hepatovenöse Druck zwischen 3 und 9 mmHg. Ein Wert für den hepatovenösen Druckgradienten über 4 mmHg weist auf eine intrahepatische portale Hypertension hin. Es ist jedoch zu be-
11.1 Allgemeines, Diagnostik und Indikation 371
achten, dass der hepatovenöse Druckgradient bei Patienten mit extrahepatischer por- taler Hypertension normal ist. Bei präsinusoidaler intrahepatischer portaler Hyper- tension kann der Druckgradient normal oder nur leicht erhöht sein. Bei geeigneten Pa- tienten bietet sich der Lebervenenverschlussdruck auch als Verlaufsparameter nach medikamentösen, drucksenkenden Maßnahmen an (Wongcharatrawee 2000).
쐌
Varizendruckmessung
Der Varizendruck kann direkt durch Feinnadelpunktion der Varize oder indirekt durch Anbringen eines Drucksensors an den Varizen bestimmt werden. Der hydrostatische Druck in Ösophagusvarizen korreliert mit dem Blutungsrisiko. Die Größe der Varizen und bestimmte Wandveränderungen (z. B.„red cherry spots“) weisen eine enge Korre- lation mit dem Varizendruck auf. Blutungen entstehen, wenn der intravasale Druck die Dehnung der Gefäßwand überschreitet (T = P
tr×R/W (T, Wandspannung; P
tr, Diffe- renz zwischen intraluminalen Druck in der Varize und Druck im Ösophagus; R, Gefäß- durchmesser; W, Wanddicke; Polio 1986)).
11.1.2 Diagnostik 11.1.2.1 Endoskopie
Die wahrscheinliche Zuordnung einer massiven oberen Intestinalblutung meist mit Er- brechen hellroten (portalvenösen) Blutes zu einer Blutung aus Ösophagus- oder Fundus- varizen ist aufgrund anderer Sekundärzeichen der zugrunde liegenden Leberzirrhose meist leicht möglich. Doch nur die Endoskopie kann die Diagnose sichern, besonders da auch akute Blutungen aus Schleimhauterosionen oder einem Magen- bzw. Duodenalulcus bei Zirrhosepatienten häufig sind.
Als hilfreich hat sich die Klassifikation der Ösophagusvarizen anhand des Ausmaßes der Vorwölbung in das Ösophaguslumen bewährt:
쐌
Grad I Varizen im oder knapp über Schleimhautniveau,
쐌
Grad II Varizen ragen in das Lumen hinein und lassen sich auch mit maximaler Luftinsufflation nicht komprimieren,
쐌
Grad III Varizen ragen weit in das Lumen und berühren sich.
Von den Magenvarizen ist die portale hypertensive Gastropathie zu unterscheiden. Mak- roskopisch ist die hypertensive Gastropathie durch die Betonung der Area gastricae mit einer sich deutlich abzeichnenden mosaikartigen Felderung und durch mehr oder weni- ger stark ausgeprägte Rötung bis zu multiplen „red spots“ gekennzeichnet. Endoskopisch unterscheidet man zwei Schweregrade:
쐌
Grad I oberflächliche Rötung der Schleimhaut, netzförmige Felderung der Schleimhaut, Schlangenhaut,
쐌
Grad II multiple „red cherry spots“, diffuse Schleimhautblutungen.
Im akuten Fall einer Varizenblutung (bzw. bei begründetem Verdacht) gehen Diagnostik
und Behandlung häufig parallel, doch muss Erstere absolute Priorität haben. Meist liegt
bei der Notfallaufnahme eines solchen Patienten bereits ein erheblicher Blutverlust mit
beginnender oder ausgeprägter Schocksymptomatik vor. Sowohl für das unmittelbare
Überleben als auch für das Ausmaß der hypovolämiebedingten zusätzlichen Leberschädi-
gung ist es entscheidend, wie rasch und vollständig die Beseitigung der Schocksympto- matik gelingt. Es wäre nicht richtig, in dieser Situation sofort eine Notfallendoskopie zu versuchen, bevor nicht zur Kreislaufstabilisierung eine intensive Infusions- und möglichst rasche Transfusionstherapie eingeleitet ist.
Im blutungsfreien Intervall kann im Rahmen der elektiven Endoskopie die Lokalisati- on und der Schweregrad der Varizen beurteilt werden (Ösophagus-, Fundusvarizen).
11.1.2.2
Radiologische Methoden
Radiologische Methoden haben einen hohen Stellenwert in der Planung des operativen Vorgehens, im Speziellen dienen sie
쐌
der Zuordnung der Blockform (prä-, intra-, posthepatisch),
쐌
der Darstellung der Gefäßverhältnisse und der Hämodynamik vor geplanten Operationen und
쐌
der Kontrolle der Gefäßverhältnisse nach Operationen.
Für jeden einzelnen Patienten muss die effektivste Shuntform herausgearbeitet werden.
Grundlage dieser Planung sind die Kenntnisse über den Gefäßzustand des portomesente- rialen Stromgebietes. Besonders bei der prähepatischen Blockform ist die Lokalisations- diagnostik des Verschlusses essenziell.
Eine weitere Aufgabe der radiologischen Diagnostik ist die Klärung der Blutflussver- hältnisse in den entsprechenden Gefäßen. Es muss präoperativ bekannt sein, ob ein hepa- topedaler oder ein hepatofugaler Fluss vorliegt. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Shuntwahl. Zur Darstellung des portomesenterialen Gefäßsystems fand in der Vergangen- heit häufig die Angiographie (indirekte Splenoportographie) Anwendung. Die konventio-
11.1 Allgemeines, Diagnostik und Indikation 373
Abb. 11.1.
Patient mit Leberzirrhose und Zeichen der portalen Hyperten- sion. Koronar reformatiertes Bild aus einem dreidimensiona- len, kontrastmittelverstärktem MR-angiographischen Daten- satz. (Mit freundlicher Geneh- migung von PD Dr. S. Rühm, Zentralinstitut für Röntgen- diagnostik, Direktor: Prof.
Dr. J. Debatin, Universität
Essen)
nelle Angiographie wird inzwischen von der modernen MR-Angiographie mehr und mehr abgelöst (Davis 1995; Kreft 2000). Moderne Workstationen an MRT-Anlagen mit dreidimensionaler Darstellung ermöglichen dem Chirurgen eine optimale Vorbereitung auf die Shuntanlage (s. Abb. 11.1, 11.2). Die MR-Angiographie erlaubt die Darstellung der Hauptkollateralgefäße (Kim 2000), dies sollte zur Planung des Shunts bei jedem Patienten genutzt werden. Ferner erlaubt diese Technik eine ideale postoperative Kontrolle des Shunts (Abb. 11.3).
Abb. 11.2.
Patient mit einem Thrombus im Konfluens zwischen der V. mesenterica superior und V. lienalis. Koronar reforma- tiertes Bild aus einem dreidi- mensionalen, kontrastmittel- verstärktem MR-angiographi- schen Datensatz. (Mit freund- licher Genehmigung von PD Dr. S. Rühm, Zentralinstitut für Röntgendiagnostik, Direktor: Prof. Dr. J. Debatin, Universität Essen)
Abb. 11.3.
Kontrastmittelverstärkte 3D MR-Angiographie bei einer Patientin 4 Wochen nach Anlage eines distalen splenorenalen Shunts.
(Mit freundlicher Genehmi- gung von PD Dr. S. Rühm, Zentralinstitut für Röntgen- diagnostik, Direktor: Prof. Dr.
J. Debatin, Universität Essen)
11.1.2.3 Sonographie
Die konventionelle Sonographie ggf. mit Duplex-Farbdoppler-Sonographie liefert in der Diagnostik des portomesenterialen Gefäßsystems in der Regel eindeutige Befunde und kann bei unklaren Ergebnissen ohne großen Aufwand im Verlauf wiederholt werden (Mohr 1998). Auch für die postoperativen Verlaufsmessungen bieten sich die sonographi- schen Methoden an.
11.1.3 Indikation 11.1.3.1
Ösophagus-/Fundusvarizen
Fortschritte in der endoskopischen Sklerosierungstherapie der Ösophagusvarizen sowie die Einführung des transjugulären Shunts (TIPS) haben die Chirurgie bei portaler Hy- pertension weitgehend abgelöst. Sowohl in der akuten Blutungsphase als auch – in aller Regel – zur Langzeitprophylaxe eines Blutungsrezidivs stellt die endoskopische Varizen- verödung oder die Gummibandligatur die Therapie der Wahl dar. Damit beschränkt sich eine chirurgische Therapie auf
쐌
den Notfall,
bei dem die Blutung weder durch mehrfache endoskopische Behandlungen noch me- dikamentös oder/und durch Sondenkompression anhaltend zu stillen ist (eine beson- ders ungünstige Ausgangslage, die jedoch eine zwingende Indikation für eine operati- ve Behandlung ist), und
쐌
die elektive Indikation im Blutungsintervall,
wenn weitere Blutungsrezidive durch Sklerosierung nicht ausreichend sicher zu verhü- ten sind.
In beiden Situationen liegen als Quelle der Blutung vor allem Fundusvarizen vor, deren endoskopische Behandlung schwierig ist.
Erst neuere Verbesserungen der Sklerosierungstechnik, besonders der intravasalen Form mit instrumenteller Abflussblockade nach kranial machen auch Fundusvarizen er- folgreicher endoskopisch behandelbar. Trotzdem ergibt sich heute noch individuell in bei- den oben beschriebenen Situationen (der besonders ungünstigen akuten und der elekti- ven) die Notwendigkeit einer operativen Intervention.
Die Möglichkeit einer Lebertransplantation beeinflusst die Chirurgie der portalen Hy- pertension. Zwar ist die portale Hypertension mit ihren Folgen für sich keine Indikation zur Transplantation, doch kann sich gerade in der Kombination von Blutungsrezidivge- fahr und Beginn einer Leberinsuffizienz bei fortgeschrittener Leberzirrhose diese Thera- pierichtung ergeben. Jedenfalls wird man möglichst vermeiden, die Aussichten für eine Lebertransplantation zu verschlechtern, indem etwa durch einen portokavalen Shunt so- wohl die Gefahr der akuten Insuffizienz der Leber als auch erhebliche technische Er- schwernisse bei einer späteren Lebertransplantation in Kauf genommen werden. Hier ist die eher frühzeitige Indikation zur Lebertransplantation heute in der Regel das geeignete- re Vorgehen.
11.1 Allgemeines, Diagnostik und Indikation 375
Die Chirurgie der portalen Hypertension, die sich schon in der Vergangenheit häufig geändert hat, zeigt auch derzeit je nach Erfahrung und Aktivität des jeweiligen inter- nistisch-endoskopischen Partners unterschiedliche Akzente. Möglicherweise werden en- doskopische Verfahren zunehmend auch für die Prophylaxe von Blutungen eingeführt.
Ösophagusvarizensklerosierung und Gummibandligaturen bekommen jedenfalls zuneh- mend Bedeutung für die Behandlung von Patienten vor einer Lebertransplantation und die Vorbereitung zur elektiven Operation.
11.1.3.2
Hypersplenismus mit Thrombozytopenie
Besonders bei Kindern mit einer prähepatisch bedingten portalen Hypertension mit da- durch entstandenem Hypersplenismus (Thrombozyten <50.000/ml) kann durch Dekom- pression der Milzvene mittels eines splenorenalen Shunts eine Splenektomie vermieden werden (Shilyanski 1999). Die Erfahrungen im eigenen Vorgehen sind gut. Die Erholung der Thrombozytenzahlen kann jedoch einige Monate in Anspruch nehmen (Miura 1999).
Die Thrombozytopenie kann zur Verstärkung einer gastrointestinalen Blutung bei be- stehenden Ösophagus- und Fundusvarizen führen und die Durchführung invasiver Maß- nahmen bei diesen Patienten generell erschweren. Die Alternative besteht in einer Sple- nektomie, die jedoch besonders bei jungen Patienten mit den bekannten postoperativen Konsequenzen,Alteration des Immunsystems, OPS(I)-Syndrom (s. Kap. 13, Milz) assoziert ist.
11.2
Operative Therapie
Eine Zusammenfassung der Hauptindikationen zur operativen Behandlung der portalen Hypertension findet sich in Tabelle 11.1.
11.2.1
Vorgehen bei akuter Blutung
Zwei Strategien zur Akutbehandlung der Blutungsquelle finden je nach individuellen Möglichkeiten Anwendung (s. Schema 1):
쐌
die sofortige Notfallendoskopie
mit dem Ziel der Diagnosesicherung, der Lokalisierung der Blutung und der gleichzei- tigen Stillung der Blutung durch endoskopische Methodik und
쐌
die initiale Kompressionsbehandlung
mit Sengstaken-Blakemore- (Varizen des terminalen Ösophagus) oder Linton-Nach- las-Sonde (Fundusvarizen) mit oder ohne vorangehende rein diagnostische Endosko- pie und Verschieben der endoskopischen Behandlung auf einen Zeitraum von ca. 6 bis 12 Stunden nach Therapiebeginn.
Bei Versagen der eingeschlagenen Therapieform ist jeweils unmittelbar die andere zu ver- suchen.
Die Intensivüberwachung mit fortlaufender Registrierung der Kreislaufparameter, be-
sonders auch des zentralvenösen Drucks (ZVD), der Hämoglobinkonzentration und der
Urinausscheidung ist selbstverständlicher Teil der Therapie.
Falls kompetente endoskopische Behandlungsversuche innerhalb von 12 bis 24 Stun- den keine Blutstillung erreichen oder falls die Blutungen unter dieser Voraussetzung in- nerhalb von 1 bis 3 Tagen mehrmals rezidivieren, ist ein chirurgisches Vorgehen zu disku- tieren. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Sicherheit des Vorliegens der intrahepatischen Ur- sache der portalen Hypertension, eine grobe Orientierung über Genese und Aktivität der Leberzirrhose und nach Möglichkeit auch über die Beschaffenheit der V. portae (am ehe- sten dopplersonographisch) vorliegen.
Bei dieser auf ausgesprochene Notlagen begrenzten Operationsindikation liegt jeweils eine sehr individualspezifische Situation vor, für die eine einheitliche Therapie nicht an- gegeben werden kann. Letztlich kommen wohl mehrere operative Möglichkeiten je nach individueller Erfahrung und den Gegebenheiten in Betracht. So kann bei Verdacht auf eine frische Pfortaderthrombose eine Thrombektomie angestrebt, bei vermutlich sehr ge- ringer portaler Durchblutung ein portokavaler End-zu-Seit-Shunt oder gerade bei einem jüngeren Menschen mit noch guter Leberfunktion und wohl noch wesentlicher portaler Leberdurchblutung ein distaler splenorenaler Shunt erwogen werden.
Meist ist jedoch die Ausgangssituation schon so schlecht, dass gerade Shuntoperatio- nen wegen des dann besonders hohen Risikos nicht indiziert erscheinen. Eher kommen Sperroperationen bzw. kombinierte Dissektions-Transsektionsverfahren in Betracht. Je nach dem Ort der Blutung wird man diese mehr im Ösophagus oder im Fundus-Magen- Bereich vornehmen. Unter Nutzung der Vorteile der Klammernahtgeräte kommen zwei
11.2 Operative Therapie 377
Tabelle 11.1. Hauptindikationen zur operativen Behandlung der portalen Hypertension
Art der Erkrankung Status Wichtigste Operationsmethode der Wahl
adiagnostische Verfahren
Prähepatischer Block
Pfortaderthrombose Akut Sonographie, CT Mesokavaler Shunt, Devaskularisa- und/oder MRT tionsoperationen
Elektiv Sonographie, CT Mesokavaler Shunt und/oder MRT
Milzvenenthrombose Sonographie, CT Ggfs. Splenektomie und/oder MRT
Intrahepatischer Block Akut Sonographie, CT Porto- oder mesokavaler Shunt, und/oder MRT splenorenaler Shunt,
Devaskularisationsoperationen
Elektiv Sonographie, CT Splenorenaler Shunt, porto- oder und/oder MRT mesokavaler Shunt, Inokuchi-Shunt Posthepatischer Block
Budd-Chiari-Syndrom Akut Sonographie, CT Sehr individuell: ggf. portokavaler und/oder MRT, Druck- Shunt, Seit-zu-Seit (Cave: End-zu- messung in der subhepa- Seit), evtl. Dilatation und Stent- tischen V. cava inferior einlage notwendig
(Segment I-Hypertrophie)
Elektiv Sonographie, CT und/oder Sehr individuell: portokavaler Shunt, MRT, Druckmessung in der Seit-zu-Seit (Cave: End-zu-Seit), subhepatischen V. cava inf. evtl. Dilatation und Stenteinlage (Segment I-Hypertrophie) notwendig
Indikation zur Lebertransplantation überprüfen
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