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Extrakorporale Zirkulation: praktisches Vorgehen 5

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Academic year: 2021

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(1)

Extrakorporale Zirkulation:

praktisches Vorgehen

5.1 Präoperative Einschätzung – 101 5.1.1 Klinische Vorgeschichte – 101 5.1.2 Körperliche Untersuchung – 102 5.1.3 Laborbefunde – 103

5.1.4 Thoraxröntgenbild – 103 5.1.5 Elektrokardiogramm – 103 5.1.6 Echokardiographie – 103 5.1.7 Herzkatheter – 103

5.1.8 Zusammenfassende Beurteilung der vorliegenden Daten – 104

5.2 Prämedikation – 107

5.2.1 Bereitstellung von Blutprodukten – 107 5.2.2 Antibiotikaprophylaxe – 108

5.3 Monitoring – 109

5.4 Narkoseverfahren – 109 5.4.1 Opioidanästhesie – 109

5.4.2 Kombination von Opioiden mit Inhalationsanästhetika – 112 5.4.3 Fast-track-Anästhesie – 113

5.5 Praktisches Vorgehen bei der Narkose – 114 5.5.1 Vor der Narkoseeinleitung – 114

5.5.2 Narkoseeinleitung – 114

5.5.3 Operativer Zugang zum Herzen und Narkoseführung bis zum Anschluss an die HLM – 115

5.5.4 Anschluss des Patienten an die Herz-Lungen-Maschine – 116 5.5.5 Überwachung während des totalen Bypasses – 119

5.5.6 Narkose während des Bypasses – 121

5.5.7 Störungen der extrakorporalen Zirkulation – 121

(2)

5.6 Anhang – 124

5.6.1 Füllung der Herz-Lungen-Maschine – 124 5.6.2 Heparinisierung des Patienten – 124

5.6.3 Perfusionsvolumen (»Herzzeitvolumen«) – 125 5.6.4 Perfusionsdruck (arterieller Mitteldruck) – 125 5.6.5 Hypothermiegrade – 125

5.6.6 Urinausscheidung am Bypass – 125 5.6.7 Laboruntersuchungen – 125 5.6.8 Antagonisierung von Heparin – 126

Literatur – 126

(3)

5.1 · Präoperative Einschätzung

In diesem Kapitel wird das allgemeine Vorgehen bei Operationen mit der Herz-Lungen-Maschine von Erwachsenen beschrieben. Spezielle Gesichts- punkte der verschiedenen Herzerkrankungen sind in den entsprechenden Kapiteln dargestellt.

5.1

Präoperative Einschätzung

Die präoperative Einschätzung des herzkranken Patienten ist für den Anästhesisten von ganz be- sonderer Bedeutung. Sie dient als Grundlage für die Auswahl des Anästhesieverfahrens und der er- forderlichen Überwachungsmethoden, aber auch als Leitlinie für die zu erwartende postoperative Intensivbehandlung. Im Mittelpunkt steht hierfür die Funktion des Herz-Kreislauf-Systems. Dane- ben wird noch gezielt nach bestimmten Begleiter- krankungen gesucht.

Die präoperative Einschätzung beruht im We- sentlichen auf folgenden Faktoren:

5 klinische Vorgeschichte,

5 körperliche Untersuchungsbefunde, 5 Laborbefunde,

5 Ergebnisse diagnostischer Verfahren.

Sämtliche zur Verfügung stehenden Krankenun- terlagen, einschließlich der Untersuchungsergeb- nisse, sollten unmittelbar vor der Narkosevisite vom Anästhesisten durchgearbeitet werden, so- dass gezielt die spezielle Vorgeschichte erhoben und eine narkosebezogene körperliche Untersu- chung durchgeführt werden kann.

5.1.1

Klinische Vorgeschichte

Der Patient wird nach den Zeichen und Sympto- men der kardiovaskulären Erkrankung und dem Grad der körperlichen Belastbarkeit gefragt.

Allgemeine Zeichen von Herz- erkrankungen:

5 Angina pectoris,

5 Dyspnoe (auch anfallsweise nachts), Orthopnoe,

6

5 Zyanose,

5 Hustenattacken, Hämoptysis, 5 Ödeme, Nykturie,

5 Palpitationen, 5 Tachykardien, 5 Synkopen, 5 Benommenheit,

5 Müdigkeit, verminderte Belastbarkeit, 5 Herzinsuffi zienz oder Infarkt in der Vorge-

schichte.

Medikamentenvorgeschichte

Danach wird die Medikamentenvorgeschichte er- hoben. Hierbei sind v. a. folgende Medikamente für die Narkose wichtig:

5 Digitalis, 5 β-Blocker, 5 Nitrate,

5 Antihypertensiva, 5 Antiarrhythmika, 5 Diuretika, 5 Antikoagulanzien.

Digitalis. Zahlreiche Patienten, die sich einer Her- zoperation unterziehen, stehen unter Erhaltungs- dosen von Digitalis. Klinische Untersuchungen haben gezeigt, dass in den ersten 24 h nach dem kardiopulmonalen Bypass eine erhöhte Empfi nd- lichkeit des Myokards gegenüber den toxischen Wirkungen von Digitalis besteht. Sie manifestiert sich als gehäuftes Auftreten von Arrythmien nach dem Bypass. Da nach dem Bypass auch Arrhyth- mien anderer Ursache auftreten können, wird bei Fortführung der Digitalistherapie außerdem noch das differenzialdiagnostische und therapeutische Vorgehen bei postoperativen Arrhythmien er- schwert. Aus diesen Gründen gilt allgemein:

!Digitalispräparate werden ca. 48 h vor einer Herzoperation abgesetzt. Ausnahme: Vorhof- fl immern mit schneller Überleitung.

Außerdem sollte bei Digitalisierten der Serumka- liumspiegel während der Narkoseeinleitung min- destens 4 mmol/l betragen.

(4)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

β-Blocker. Nach gegenwärtiger Auffassung sollte bei Patienten, die β-Blocker zur Behandlung von Angina pectoris, Hypertonie und bestimmten Ar- rhythmien erhalten, präoperativ die β-Blockerzu- fuhr nicht unterbrochen werden. Das Vorgehen ist jedoch nicht einheitlich: In einigen Zentren wird die letzte β-Blockerdosis (nicht selten reduziert) am Vorabend der Operation gegeben; Standard- vorgehen ist aber die Fortsetzung der oralen β- Blockerzufuhr bis zum Morgen der Operation.

Auf jeden Fall ist es ratsam, β-Blocker bei Pa- tienten mit den Zeichen der Herzinsuffi zienz vor der Operation abzusetzen oder nur in reduzierter Dosis zuzuführen, wenn keine Angina pectoris, Hypertonie oder Arrhythmie vorliegt.

Kalziumantagonisten. Frühere Befürchtungen, nach denen die perioperative Fortsetzung der Kal - ziumantagonistentherapie intraoperativ zu hämo- dynamischer Instabilität prädisponiere, haben sich nicht bestätigt. Allerdings muss mit einer ge- wissen vasodilatierenden Wirkung gerechnet wer- den, die nach dem kardiopulmonalen Bypass den Volumenbedarf erhöht. Allgemein wird empfoh- len, die Zufuhr von Kalziumantagonisten bis zum Operationstag fortzusetzen (7Kap.4). Die Häu- fi gkeit intraoperativer hypertensiver Phasen wird hierdurch jedoch nicht vermindert.

Nitrate. Zahlreiche Patienten mit koronarer Herz- krankheit nehmen langwirkende Nitrate ein oder benutzen bei Bedarf Nitroglyzerin sublingual in Spray- oder Kapselform. Bei Patienten, die Nitro- präparate zur Kontrolle der Angina pectoris er- halten, wird die Therapie bis zur Narkoseeinlei- tung und, wenn erforderlich, während der Opera- tion fortgesetzt.

Antihypertensiva. Patienten, die unter Langzeit- therapie mit Antihypertensiva stehen, erhalten diese Medikamente ebenfalls bis zum Operations- tag weiter.

! Cave

Präoperativer Entzug von Antihypertensiva prädisponiert zu Hypertonie bei der Narkoseein- leitung und während der Operation.

Antiarrhythmika. Es wird empfohlen, eine antiar- rhythmische Behandlung bis zur Operation fort- zusetzen. Hierbei muss aber die negativ-inotro- pe Wirkung zahlreicher Antiarrhythmika beach- tet werden.

Diuretika. Diese Substanzen sollten möglichst mehrere Tage vor der Operation abgesetzt wer- den. Bei Diuretikabehandlung drohen v. a. 2 spe- zifi sche Gefahren:

5 Volumenmangel, 5 Hypokaliämie.

Mögliche Folgen sind Blutdruckabfall und Herz- rhythmusstörungen.

Antikoagulanzien. Acetylsalicylsäure und alle die- se Substanz enthaltenden Pharmaka müssen 1 Wo- che vor der Operation abgesetzt werden, andere antiinfl ammatorische Substanzen 3 Tage vor her.

Die Zufuhr von Kumarinpräparaten wird eben- falls ausreichend lange vor der Operation unter- brochen. Ist eine Antikoagulanzienbehandlung bis zum Operationstag erforderlich, sollte auf He- parin umgestellt werden. Heparin ist leicht mit Protamin antagonisierbar (7Kap. 4).

5.1.2

Körperliche Untersuchung

Zu jeder Narkosevisite gehört eine kurze, narko- sebezogene körperliche Untersuchung. Speziell für Operationen am Herzen sind folgende Fakto- ren wichtig:

5 Gewicht, Größe, Körperoberfl äche, 5 Blutdruck an beiden Armen, 5 Herzfrequenz und Herzrhythmus, 5 Palpation der Arterien, Allen-Test,

5 Untersuchung der Venenverhältnisse an den Punktionsstellen,

5 Venenpulse, erweiterte Halsvenen, Hepatome- galie,

5 periphere Ödeme,

5 Strömungsgeräusch über den Karotiden, 5 Auskultation von Herz und Lunge,

5 körperliche Belastbarkeit während der Unter- suchung.

(5)

5.1 · Präoperative Einschätzung

5.1.3

Laborbefunde

Für eine Herzoperation müssen zahlreiche Labor- werte bestimmt, interpretiert und ggf. korrigiert werden. Essenzielle präoperative Laborwerte für Herzoperationen sind nachfolgend zusammenge- stellt.

Präoperative Laborwerte für Herz- operationen:

5 Blutbild: Hb, Hkt, Leukozyten, 5 Serumelektrolyte (Kalium!), 5 Kreatinin und Harnstoff, 5 Gesamteiweiß, 5 Glukose, 5 Leberenzyme,

5 Herzenzyme (wenn erforderlich),

5 Gerinnungsstatus: Thrombozyten, PTT, TZ, Quick-Wert, Fibrinogen,

5 arterielle Blutgase (wenn erforderlich), 5 Urinstatus.

Eine routinemäßige Lungenfunktionsprüfung ist von geringem Wert und sollte daher nur bei kli- nischen Hinweisen auf vorbestehende Lungener- krankungen durchgeführt werden (7Kap.12.1.6).

5.1.4

Thoraxröntgenbild

Vor jeder Operation wird ein p.-a.- und seitliches Thoraxröntgenbild angefertigt, insbesondere um Veränderungen des Herzens und der großen Ge- fäße festzustellen (Einzelheiten s. die entsprechen- den Krankheitsbilder).

Kardiomegalie bei Koronarkrankheit weist auf niedrige Ejektionsfraktion hin, ein normal kon- fi guriertes Herz schließt allerdings ventrikulä- re Funktionsstörungen nicht aus. Hingegen weist ein normal großes Herz bei Herzklappenfehlern auf eine gute Ventrikelfunktion hin. Pathologische Röntgenbefunde fi nden sich allerdings auch dann, wenn die Ventrikelfunktion normal ist.

5.1.5

Elektrokardiogramm

Bei der präoperativen Beurteilung des EKG wird besonders auf folgendes geachtet:

5 Rhythmus und Frequenz, 5 Herzachse,

5 Myokardischämie oder Infarktmuster, 5 Kammervergrößerung,

5 Schenkelblock, 5 Reentrymechanismen,

5 Medikamentenwirkungen, v. a. Digitalis.

Einzelheiten sind bei den entsprechenden Krank- heitsbildern beschrieben.

5.1.6

Echokardiographie

Die Echokardiographie gehört zu den wichtigs- ten nichtinvasiven Verfahren, mit denen die glo- bale und regionale Ventrikelfunktion, Wanddicke und Klappenfunktion sowie die Anatomie der Ko- ronararterien untersucht werden können. Der An- ästhesist sollte sich präoperativ mit den entspre- chenden Befunden vertraut machen. Auf Einzel- heiten kann hier nicht eingegangen werden.

5.1.7

Herzkatheter

Besonders wichtig für die präoperative Einschät- zung und Feststellung des Risikos sind die Ergeb- nisse der Herzkatheteruntersuchungen. Sie müs- sen am Tag der Narkosevisite vorliegen! Insbeson- dere sollte auf folgende Daten geachtet werden:

5 Ejektionsfraktion,

5 linksventrikulärer enddiastolischer Druck, 5 Kontraktionsanomalien im Ventrikulo-

gramm.

Wichtige hämodynamische Normalbefunde aus Herzkatheteruntersuchungen sind in .Tabelle 5- 1 zusammengestellt.

Einzelheiten zur Koronarangiographie in

7Kap. 6.

(6)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

5.1.8

Zusammenfassende Beurteilung der vorliegenden Daten

Anhand der gewonnenen Daten wird der Pati- ent klassifi ziert und danach das anästhesiologi- sche Vorgehen festgelegt. Hilfreich sind die Syste- me der New York Heart Association, der ASA-Ri- sikogruppen, der Canadian Cardiovascular Socie- ty (7Kap. 6.2.2) und der kardiale Risikoindex nach Goldman.

New York Heart Association Status

Diese Klassifi zierung beruht auf dem Herzstatus und der Prognose. Der Herzstatus bezieht sich auf die gesamte Einschätzung der Ursache, patholo- gische Anatomie und Pathophysiologie. Die Pro- gnose beruht auf der Einschätzung des Nutzens und der Gefahren der medizinischen und chirur- gischen Behandlung:

5 Schweregrad I:

Herzerkrankung ohne Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Körperliche

Belastung führt nicht zu übermäßiger Er- schöpfung, Palpitationen, Dyspnoe oder An- gina pectoris.

Prognose: gut.

5 Schweregrad II:

Herzerkrankung mit leichter Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Keine Be- schwerden in Ruhe. Normale körperliche Be- lastung führt zu Ermüdung, Palpitationen, Dyspnoe oder Angina pectoris.

Prognose: gut bei Behandlung.

5 Schweregrad III:

Herzerkrankung mit deutlich eingeschränk- ter körperlicher Leistungsfähigkeit. Keine Beschwerden in Ruhe, jedoch bereits bei geringer körperlicher Belastung: Müdigkeit, Palpitationen, Dyspnoe oder Angina pectoris.

Prognose: günstig bei Behandlung.

5 Schweregrad IV:

Herzerkrankung, die eine normale körperli- che Tätigkeit verhindert. Zeichen der Herz- insuffi zienz oder Angina pectoris können be-

.Tabelle 5-1. Normale hämodynamische Herzkatheterbefunde in Ruhe

Systolisch [mm Hg] Diastolisch [mm Hg] Mittel [mm Hg]

Drücke:

5 rechter Vorhof – 2 bis + 6

5 rechter Ventrikel 15–30 0–8 5–15

5 Pulmonalarterie 15–28 5–16 10–22

5 Wedgedruck 5–16

5 linker Vorhof 0–12

5 linker Ventrikel 100–140 60–90 70–105

Volumina:

5 linker Ventrikel enddiastolisch endsystolisch

70–95 ml/m2 24–36 ml/m2 Funktion:

5 Herzindex 2,5–4,2 l/min/m2

5 Schlagindex 40–60 ml/m2

5 Ejektionsfraktion 0,67 ± 0,08

Widerstände:

5 peripherer Gefäßwiderstand 770–1500 dyn · s · cm–5 5 pulmonaler Gefäßwiderstand 20–120 dyn · s · cm–5

(7)

5.1 · Präoperative Einschätzung

reits in Ruhe auftreten. Jede Art körperlicher Tätigkeit verstärkt die Beschwerden.

Prognose: zweifelhaft trotz Behandlung.

Klassifi kation der Angina pectoris nach der Ca- nadian Cardiovascular Society in 7Kap. 6.2.2.

ASA-Risikogruppen

Das Klassifi zierungssystem der American Socie- ty of Anesthesiologists (ASA) wird am häufi gsten zur Einstufung des Narkoserisikos herangezogen.

ASA-Risikogruppen:

1. Normaler, sonst gesunder Patient.

2. Leichte Allgemeinerkrankung ohne Leis- tungseinschränkung.

3. Schwere Allgemeinerkrankung mit Leis- tungseinschränkung.

4. Schwere Allgemeinerkrankung, die mit oder ohne Operation das Leben des Pati- enten bedroht.

5. Moribund, Tod innerhalb von 24 h mit oder ohne Operation zu erwarten.

Für nichtelektive Operationen kann das Sche- ma in folgender Weise ergänzt werden:

6. Akute Patienten der Gruppen 1 und 2.

7. Akute Patienten der Gruppen 3–5.

Nach Untersuchungen von Marx ist der körperli- che Zustand der wichtigste Faktor für die periope- rative Morbidität und Mortalität. Gefährdet sind v. a. die Patienten der Gruppen 3 und 4 (abgesehen von denen der Gruppe 5). Beachtet werden muss allerdings beim ASA-Index der relativ breite sub- jektive Spielraum bei der Einstufung des Patien- tenstatus. Insgesamt ist es mit dem ASA-Index al- lein nicht möglich, das Narkoserisiko für Herzo- perationen hinreichend genau festzulegen.

Kardialer Risikoindex nach Goldman Dieser Index bezieht sich auf das chirurgische Ri- siko für postoperative kardiovaskuläre Komplika- tionen von Patienten mit Herzerkrankungen, die sich einem nichtherzchirurgischen Eingriff unter- ziehen.

Der Index beruht auf 9 unabhängigen Fakto- ren, die, je nach Schweregrad, mit Punkten bezif- fert werden. Die Gesamtzahl der Punkte beträgt 53 (.Tabelle5-2).

Der Index ist inzwischen modifi ziert worden und berücksichtigt in stärkerem Maße die Bedeu- tung der koronaren Herzkrankheit und der Herz- insuffi zienz (.Tabelle 5-3).

Aufgrund der Punktzahl können die Patien- ten in die Risikogruppen I–IV eingeteilt werden.

Hierbei gilt: Je höher die Punktzahl, desto höher die Risikogruppe (.Tabelle 5-4).

Der Wert des kardialen Risikoindex‘ wird all- gemein zunehmend angezweifelt und speziell für die Einschätzung des Risikos von Herzopera- tionen als nicht brauchbar angesehen. Einzelne Komponenten können jedoch zweifelsfrei als Prä- diktoren eines erhöhten Risikos für kardiovasku- läre Komplikationen angesehen werden. So erhö- hen bestimmte Erkrankungen nachweislich das

.Tabelle 5-2. Kardialer Risikoindex nach Goldman für nichtherzchirurgische Eingriffe beim Herzkranken

Kriterium Punktzahl

Alter über 70 Jahre 5

Herzinfarkt in den letzten 6 Monaten 10 S3-Gallopp oder erweiterte Jugular- venen

11

Deutliche valvuläre Aortenstenose 3 Herzrhythmus: kein Sinusrhythmus oder supraventrikuläre Extrasystolen

7

Mehr als 5 ventrikuläre Extrasystolen 7 paO2 < 60 oder paCO2 >50 mm Hg,

K+ <3,0 oder HCO3 < 20 mval/l, Harnstoff 50 mg/dl oder Kreatinin 3 mg/dl; SGOT pathologisch, Zei- chen chronischer Lebererkrankung;

Bettlägerigkeit aus nichtkardialen Ursachen

3

Operation: intraperitoneal, intratho- rakal, Aorta

3

Notoperation 4

Maximale Punktzahl 53

(8)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Risiko der perioperativen kardiovaskulären Mor- bidität. Hierzu gehören:

5 kürzlich erlittener Myokardinfarkt (< 6 Mo- nate),

5 Herzinsuffi zienz.

Umstritten bleibt der Einfl uss von Hypertonie, Di- abetes mellitus, Angina pectoris, Herzrhythmus- störungen, peripheren Gefäßkrankheiten und ho- hem Lebensalter.

Risikoklassifi zierung herzchirurgischer Patienten

Neuere Scoringsysteme basieren auf Untersuchun- gen an herzchirurgischen Patienten und können die postoperative Morbidität und Mortalität bes- ser voraussagen als der Goldman-Index. In .Ta- belle 5-5 ist ein Klassifi zierungssystem von Tuman zusammengestellt, das aus retrospektiven und prospektiven Untersuchungen verschiedener kar- diochirurgischer Eingriffe entwickelt worden ist.

Je höher die Punktzahl, desto größer die An- zahl und Schwere postoperativer Komplikatio- nen und desto länger der Aufenthalt in der Inten- sivbehandlungsstation. Bei einer Punktzahl von

> 12 trat bei 75 % der Patienten eine Komplikati- on auf, bei 46,4 % mehr als 2 Komplikationen. Die Gesamtmortalität betrug in dieser Gruppe 39,3 %, die operative Mortalität 16,1 %. Zu den wesentli- chen Komplikationen gehörten:

.Tabelle 5-3. Modifi zierter multifaktorieller Risikoindex nach Goldman

Kriterium Punktzahl

Koronare Herzkrankheit

5 Myokardinfarkt < 6 Monate 10

5 Myokardinfarkt > 6 Monate 5

5 Angina pectoris nach der CCS-Klassifi zierunga Schweregrad III

Schweregrad IV

instabile Angina < 6 Monaten

10 20 10 Alveoläres Lungenödem

5 innerhalb der letzten Woche 10

5 immer 5

Vermutete kritische Aortenstenose 20

Herzrhythmusstörungen

5 kein Sinusrhythmus oder Sinusrhythmus + supraventrikuläre Extrasystolen im letzten präoperativen EKG

5 5 mehr als 5 ventrikuläre Extrasystolen/min zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Operation 5

Schlechter Allgemeinzustand 5

Alter > 70 Jahre 5

Notoperation 10

Maximale Punktzahl 120

a CCS Canadian Cardiovascular Society; Defi nition der Schweregrade; 7 Kap. 6.2.2.

.Tabelle 5-4. Kardiale Risikogruppen nach Goldman

Gruppe Punktzahl Gruppe Punktzahl

I 0–5 III 13–25

II 6–12 IV > 26

(9)

5 perioperativer Herzinfarkt, 5 Low-output-Syndrom, 5 pulmonale Komplikationen, 5 Niereninsuffi zienz,

5 ZNS-Komplikationen, 5 schwere Infektionen.

Euro-Score. Dieser Score (.Tabelle 5-6) soll einen hohen Vorhersagewert für die Letalität herzchir- urgischer Patienten aufweisen, während zuverläs- sige Aussagen über die postoperative Morbidität nicht möglich sind. Bei Patienten mit terminaler Niereninsuffi zienz wird das Letalitätsrisiko unter- schätzt.

Insgesamt ist es bisher nicht möglich, an- hand der beschriebenen Klassifi zierungssysteme das Narkoserisiko hinreichend genau für den in-

dividuellen Patienten festzulegen, zumal gerade bei Herzoperationen das Narkoserisiko praktisch nicht vom Operationsrisiko getrennt werden kann.

Die Kriterien für das Aufschieben einer elektiven Herzoperation sind entsprechend schwerer zu fas- sen als bei nichtherzchirurgischen Eingriffen.

!Es gilt jedoch auch für Herzoperationen der Grundsatz, dass sich der Patient für den Eingriff im bestmöglichen Zustand befi nden sollte, um die perioperative Morbidität und Mortalität so niedrig wie möglich zu halten.

Einzelheiten zur Morbidität und Mortalität der verschiedenen Herzoperationen sind in den ent- sprechenden Kapiteln dargestellt.

5.2

Prämedikation

Der Grad der präoperativen Sedierung muss je- weils individuell eingeschätzt werden. Schwer- kranke Patienten mit eingeschränkter Herzfunk- tion erhalten keine oder nur eine geringe Präme- dikation, um die negativen Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Funktion zu vermeiden. Hingegen benötigen aufgeregte und ängstliche Patienten, besonders solche mit koronarer Herzkrankheit, meist eine starke Sedierung, um unerwünschte Reaktionen des Herz-Kreislauf-Systems wie Blut- druckanstieg und/oder Tachykardie auf den peri- operativen »Stress« zu verhindern. Gut geeignet sind hierfür Benzodiazepine, z. B. Midazolam, Flu- nitrazepam oder Lorazepam.

Atropin ist in der Herzchirurgie des Erwachse- nen zumeist nicht indiziert und sollte daher nicht routinemäßig zugeführt werden. Spezielle Ge- sichtspunkte der Prämedikation sind bei den ent- sprechenden Krankheitsbildern dargestellt.

5.2.1

Bereitstellung von Blutprodukten

Die Anforderung von Erythrozytenkonzentra- ten, Frischplasma und Thrombozytenkonzentra- ten für die Operation gehört zu den Aufgaben des Operateurs. Der Anästhesist sollte bei der Präme- dikationsvisite überprüfen, ob die für den Eingriff

.Tabelle 5-5. Vereinfachtes klinisches Risikoklassi- fi zierungssystem herzchirurgischer Patienten. (Nach Tuman et al. 1992)

Präoperative Faktoren Punktzahl

Notfalleingriff 4

Alter 65–74 Jahre 1

> 75 Jahre 2

Serumkreatinin > 1,2 mg/dl 2 Herzinfarkt in der Vorgeschichte

3–6 Monate zurückliegend 1

< 3 Monate zurückliegend 2

Weibliches Geschlecht 2

Reoperation 2

Pulmonale Hypertonie (PAP > 25%

MAP)

2

Zerebrovaskuläre Erkrankungen 2 Mehrfachklappen- oder Koronar-

bypass- + Klappenoperation

2

Mitral- oder Aortenklappenoperation 1

Stauungsherzinsuffi zienz 1

Linksventrikuläre Funktionsstörungen (EF < 35%)

1 5.2 · Prämedikation

(10)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

erforderliche Art und Menge der Blutprodukte korrekt angefordert worden ist. Bei seltenen Blut- gruppen oder irregulären Antikörpern sollte au- ßerdem vorab geklärt werden, in welchem Um- fang Blutkonserven im Bedarfsfall nachgefordert werden können. Weiterhin sollte überprüft wer- den, ob evtl. Eigenblutspenden verfügbar sind.

5.2.2

Antibiotikaprophylaxe

Bei praktisch allen Operationen mit der Herz- Lungen-Maschine ist eine Antibiotikaprophylaxe indiziert. Am häufi gsten werden hierfür Cepha- losporine eingesetzt; die Verabreichung erfolgt in 3 Dosen:

5 1. Gabe bei der Narkoseeinleitung,

5 2. Gabe am Ende der extrakorporalen Zirku- lation,

5 3. Gabe 8 h später.

.Tabelle 5-6. Euro-Risikoscore für Herzoperationen

Parameter Punktzahl

Alter

>60 Jahre; je weitere 5 Jahre 1 zusätzlicher Punkt 1

Geschlecht

Weiblich 1

Begleiterkrankungen

COPD: Langzeiteinnahme von Bronchodilatatoren und Steroiden 1

Extrakardiale Arteriopathie: Claudicatio, Karotisverschluss oder -stenose > 50%, vorangegangene oder geplante Intervention an der abdominellen Aorta, den Extremitätenarterien oder Karotiden

2

Neurologische Dysfunktion mit schwerer Beeinträchtigung der Alltagsbewältigung 2

Vorangegangene Herzoperation mit eröffnetem Perikard 3

Serumkreatinin > 200 mmol/l präoperativ 2

Akute Endokarditis; noch unter Antibiotikatherapie 3

Kritischer präoperativer Status

Einer oder mehrere Faktoren: ventrikuläre Tachykardie, Kammerfl immern, verhinderter plötzlicher Tod, präoperativ Herzdruckmassage, präoperativ Beatmung vor Erreichen des Narkoseeinleitungsraums, präoperativ positiv-inotrope Substanzen erforderlich, IABP

3

Kardiale Faktoren

5 Instabile AP: Ruhe-AP, i.v.-Nitrate bis Erreichen des Einleitungsraums erforderlich 5 LV-EF 30–50%

5 LV-EF <30%

5 Vorangegangener Myokardinfarkt (<3 Monate) 5 Pulmonale Hypertonie: systolischer PAP >60 mmHg

2 1 3 2 2

Operative Faktoren

5 Notfalloperation: am Tag der Krankenhauseinlieferung 5 Größere Herzoperationen, außer isolierter ACB-Operation

5 Thorakale Aortenchirurgie (Aorta ascendens, Aortenbogen, Aorta descendens) 5 Postinfarzielle Septumruptur

2 2 3 4

Das Risikoprofi l ergibt sich durch Addition der Punktwerte:

5 Niedriges Risiko 1–2

5 Mittleres Risiko 3–5

5 Hohes Risiko 6

(11)

Der Anästhesist sollte bei der Prämedikationsvi- site klären, welches Antibiotikum eingesetzt wer- den soll.

5.3

Monitoring

Bei allen Herzoperationen ist ein umfassendes und invasives Monitoring erforderlich. Hiermit sollte unmittelbar nach Ankunft des Patienten im Einleitungsraum begonnen werden (Einzelheiten s. unten).

Apparative Überwachung bei Herzoperationen:

5 EKG-Monitor,

5 invasive Blutdruckmessung (NIBP allen- falls ergänzend),

5 zentraler Venendruck,

5 mehrlumiger Pulmalarterienkatheter (nicht routinemäßig),

5 Messung des HZV, wenn indiziert, 5 transösophageale Echokardiographie,

wenn indiziert,

5 linker Vorhofdruck, wenn indiziert, 5 Pulsoxymeter, Kapnometer, 5 Körpertemperatur, 5 Urinausscheidung,

5 Laborparameter: Blutgase, Blutgerinnung (ACT), Elektrolyte,

5 prozessiertes EEG, BIS-Monitor.

5.4

Narkoseverfahren

Grundlage praktisch aller Narkoseverfahren in der Herzchirurgie sind die Opioide. Sie gewäh- ren eine komplette Analgesie, schalten jedoch, wie bereits dargelegt, das Bewusstsein nicht si- cher aus und verhindern auch nicht immer kar- diovaskuläre Refl exreaktionen auf starke Stimuli.

In Deutschland werden daher die Opioide in der Regel mit anderen Anästhetika kombiniert. Un- ter den zahlreichen Varianten der Anästhesiever- fahren lassen sich die nachfolgend beschriebenen

Grundformen für den intraoperativen Einsatz von Opioiden beim Erwachsenen unterscheiden.

5.4.1

Opioidanästhesie

Bei diesem Verfahren, auch als »stressfreie An- ästhesie« bezeichnet, wird das Opioid (Fentanyl, Sufentanil, Alfentanil) als alleiniges »Anästheti- kum« zugeführt, und zwar entweder als Kurzinfu- sion innerhalb von einigen Minuten vor dem Ein- griff oder als kontinuierliche Infusion mit variab- ler Infusionsrate, nach vorangehender Injektion eines Bolus. Die Beatmung erfolgt mit einem Luft- Sauerstoff-Gemisch ohne Lachgas.

Die kontinuierliche Infusion vermeidet, im Gegensatz zu intermittierenden Bolusinjektionen, stärkere Schwankungen der Plasmakonzentrati- onen des Opioids. Flexible, am Bedarf orientier- te Dosierung ist mit der Infusion ebenfalls mög- lich. Allerdings wird das Bewusstsein der Patien- ten auch mit hohen Opioiddosen nicht sicher aus- geschaltet.

Die alleinige Kurzinfusion hoher Opioiddosen zu Beginn der Narkose ist hingegen pharmakoki- netisch nicht sinnvoll und pharmakodynamisch oft nicht ausreichend: Zwar werden initial sehr ho- he Plasma- und Gehirnkonzentrationen erreicht, jedoch fallen diese Konzentrationen rasch ab, so- dass bei zahlreichen Patienten zum Zeitpunkt der maximalen chirurgischen Stimulation eine unge- nügende Wirkung besteht und entsprechend kar- diovaskuläre Reaktionen auftreten:

5 Blutdruckanstieg,

5 Tachykardie (bei Patienten ohne Vorbehand- lung mit β-Blockern),

5 Anstieg des systemischen Gefäßwiderstands, 5 evtl. Abfall des Herzzeitvolumens.

Ein weiterer Nachteil sehr hoher Opioiddosen er- gibt sich aus der erheblichen Verlängerung der Aufwachphase. Durch die erforderliche Nachbeat- mung wird die postoperative Morbidität der kar- diochirurgischen Patienten wahrscheinlich er- höht. Muskelrigidität, bis weit in die postoperati- ve Phase anhaltend, ist ebenfalls bei einigen Pati- enten beobachtet worden.

5.4 · Narkoseverfahren

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Fentanyl

Die Technik des hochdosierten Einzelbolus (etwa 100–150 µg/kgKG) sollte aus den oben genannten Gründen nicht angewendet werden.

Für koronarchirurgische Eingriffe sind in der Präbypassphase Fentanylplasmakonzentrationen von etwa 18–20 ng/ml erforderlich, um kardio- vaskuläre Reaktionen auf starke Stimuli (Sterno- tomie, Kanülierung der Aorta) bei den meisten Patienten zu unterdrücken; höhere Konzentratio- nen sind hingegen nicht von Nutzen und verlän- gern zudem unnötig die Aufwachphase. Sinnvoll ist vielmehr die bedarfsangepasste Dosierung von Fentanyl.

Dosierung Fentanyl:

Injektion oder Kurzinfusion eines initialen Bolus (etwa 5–10 µg/kgKG), gefolgt von einer variablen, bedarfsangepassten Infusion (etwa 20 µg/kgKG/h). Supplementierung mit i.v.

Hypnotikum oder Inhalationsanästhetikum.

Bei alleiniger Zufuhr von Fentanyl in hohen Do- sen muss bei einem gewissen Prozentsatz der Pa- tienten mit einer ungenügenden Dämpfung kardi- ovaskulärer Reaktionen auf starke Stimuli gerech- net werden, v. a. wenn β-Blocker vor der Operati- on abgesetzt worden sind.

In der Postbypassphase ist der Fentanylbedarf zumeist vermindert.

Weiterhin ist zu beachten, dass Patienten mit erheblich beeinträchtigter Herzfunktion emp- fi ndlicher auf höhere und hohe Dosen von Opi- oiden reagieren (Blutdruckabfall) und daher die Dosis reduziert werden muss.

Sufentanil

Diese Substanz weist eine bessere Steuerbarkeit, geringere Schwankungen der »Anästhesietiefe«

und größere kardiovaskuläre Stabilität unter chir- urgischer Stimulation auf als Fentanyl. Weitere Ei- genschaften:

5 wesentlich größere therapeutische Breite als Fentanyl (LD50 : ED50 25211 gegenüber 277 bei Fentanyl),

5 Wirkungseintritt in 2–3 min (Fentanyl 5–

7 min),

5 analgetische Potenz: 6–10mal stärker als Fen- tanyl,

5 Eliminationshalbwertszeit ca. 160 min (Fenta- nyl etwa 220 min),

5 rascheres Erwachen.

Die kardiovaskulären Wirkungen selbst hoher Do- sen von Sufentanil sind zumeist gering und mani- festieren sich als Abfall des arteriellen Blutdrucks und des systemischen Gefäßwiderstands.

Allerdings führt die alleinige Zufuhr von Sufentanil in hohen Dosen (z. B. 20–30 µg/kgKG) bei herzchirurgischen Eingriffen nicht immer zu einer ausreichenden Anästhesietiefe. Viel- mehr können auch mit dieser Substanz, wie bei allen Opioiden, unter starker Stimulation uner- wünschte kardiovaskuläre Reaktionen auftreten, v. a. wenn keine Vorbehandlung mit β-Blockern durchgeführt wurde. Bei einigen Patienten las- sen sich Blutdruckanstiege jedoch durch zusätzli- che Bolusinjektionen beseitigen. Nicht selten sind aber hierfür Adjuvanzien, z. B. Inhalationsanäs- thetika oder Vasodilatatoren, erforderlich.

Inzwischen liegen größere Erfahrungen mit dem Einsatz von Sufentanil in der Herzchirurgie vor. Klinisch wesentliche Vorteile gegenüber Fenta- nyl in der Kardiochirurgie sind jedoch bisher nicht hinreichend gesichert. Für die »Monoanästhesie«

mit Sufentanil werden folgende Dosierungen bei koronarchirurgischen Eingriffen angegeben:

Dosierung

Dosierungsvorschläge für Sufentanil bei ACB-Operation:

5 Narkoseeinleitung: 10–20 µg/kgKG, 5 Infusion von 1–2 µg/kgKG/h; Supplemen-

tierung mit Hypnotikum (z. B. Propofol) oder Inhalationsanästhetikum, 5 vor Sternotomie: Bolus von 20 µg/kgKG, 5 weitere Boli von 10–50 µg nach Bedarf.

Wie bei Fentanyl und Alfentanil muss auch bei Anwendung hoher Dosen von Sufentanil mit ei- ner verlängerten Aufwachphase und postoperati- ven Nachbeatmung gerechnet werden.

(13)

Alfentanil

Hohe Dosen von Alfentanil (1–2 mg/kgKG Ge- samtdosis) für koronarchirurgische Eingriffe ge- währleisten ebenfalls keine ausreichende kardio- vaskuläre Stabilität bei starken chirurgischen Sti- muli, sondern müssen in der Präbypassphase häu- fi g durch zusätzliche Bolusinjektionen, nicht sel- ten auch durch Adjuvanzien (Inhalationsanästhe- tika, Vasodilatatoren) ergänzt werden. Auch muss, obwohl die Substanz eine kürzere Halbwertszeit als Fentanyl und Sufentanil aufweist, ebenfalls mit einer verlängerten postoperativen Atemdepressi- on gerechnet werden.

Die Substanz sollte, nach initialem Bolus, kon- tinuierlich, bedarfsangepasst infundiert werden, wenn nötig ergänzt durch Bolusinjektionen.

Dosierung

Dosierungsvorschläge für Alfentanil bei ACB-Operation:

5 Narkoseeinleitung 125 µg/kgKG, danach 5 kontinuierliche Infusion von etwa 0,5 mg/

kgKG/h, Supplementierung mit Hypnoti- kum oder Inhalationsanästhetikum, 5 zusätzliche Boli von 20 µg/kgKG nach

Bedarf.

Remifentanil

Dieser sehr kurz wirkende µ-Rezeptoragonist weist unter den derzeit klinisch gebräuchlichen Substanzen die beste Steuerbarkeit auf, auch wer- den kardiovaskuläre Reaktionen auf stärkste chi- rurgische Reize am wirksamsten unterdrückt. Zu den wichtigsten Eigenschaften gehören:

5 maximaler Wirkungseintritt nach etwa 1 min, 5 kontext-sensitive Halbwertszeit 3–4 min, un-

abhängig von der Infusionsdauer,

5 Inaktivierung unabhängig von der Leber- und Nierenfunktion, daher keine Kumulation, 5 analgetische Potenz etwa wie Fentanyl, 5 rasches Erwachen nach Abstellen der Infusion.

Hypnotische Wirksamkeit. Wie die anderen Opi- oide, schaltet auch Remifentanil das Bewusstsein nicht sicher aus, selbst wenn sehr hohe Dosen an- gewandt werden. Daher muss die Substanz mit ei-

nem Hypnotikum wie z. B. Propofol oder einem volatilen Anästhetikum in niedriger Konzentrati- on (MACawake) kombiniert werden, um eine intra- operative Wachheit des Patienten zu verhindern.

Muskelrigidität. Remifentanil bewirkt, besonders nach Bolusinjektionen, bei den meisten Patienten eine Muskelrigidität, die so ausgeprägt sein kann, dass die Beatmung mit Beutel/Maske erheblich er- schwert wird oder gar nicht mehr möglich ist. Die Rigidität kann durch Vorinjektion eines nichtde- polarisierenden Muskelrelaxans in niedriger Do- sierung meist verhindert und durch Vollrelaxie- rung vollständig beseitigt werden.

Herz-Kreislauf-Wirkungen. Die kardiovaskulären Wirkungen von Remifentanil entsprechen quali- tativ weitgehend denen der anderen Aninilinpipe- ridin- Derivate, jedoch sind die Bradykardie und die blutdrucksenkende Wirkung gewöhnlich stär- ker ausgeprägt.

! Cave

Bradykardie und Blutdruckabfall sind die typi- schen Nebenwirkungen von Remifentanil, beson- ders bei höheren Dosierungen sowie in Phasen geringer chirurgischer Stimulation.

Extreme Bradykardien und ein erheblicher Blut- druckabfall können v. a. nach Bolusinjektionen auftreten, aber auch während der Einleitung durch Infusion sowie in Phasen ohne oder mit nur gerin- ger chirurgischer Stimulation. Besteht bereits ein hoher Vagotonus, kann die Bradykardie unter Re- mifentanil in eine Asystolie übergehen, v. a. wenn in dieser Phase das Laryngoskop eingeführt und auf diese Weise der Rachenraum stimuliert wird.

Bei herzchirurgischen Patienten, die mit β-Rezep- torenblockern eingestellt sind, muss ebenfalls mit einer stärkeren Bradykardie unter einer Anästhe- sie mit Remifentanil gerechnet werden. Nicht im- mer kann bei diesen Patienten die Bradykardie durch Vorinjektion von 0,5 mg Atropin verhindert werden.

Blockade hämodynamischer Reaktionen. Wie kein anderes Opioid vermag Remifentanil Blut- druckanstiege und/oder Tachykardie auf star- 5.4 · Narkoseverfahren

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ke chirurgische Reize wie z. B. die Sternotomie zu verhindern oder durch Dosissteigerung zu besei- tigen. Bei schmerzhaften Eingriffen wie z. B. Tho- rakotomien sollte daher die Schmerztherapie be- reits kurz vor Operationsende begonnen werden.

Alternativ kann der Patient unter Fortführung der Remifentanilinfusion auf die Intensivstation ver- legt werden.

Postoperativer Schmerz. Mit dem raschen Erwa- chen nach Remifentanil ist zumeist auch ein ra- scher Verlust der analgetischen Wirkung ver- bunden, sodass, abhängig von der Art des Ein- griffs, bereits frühzeitig, mitunter sogar schlagar- tig auf dem Operationstisch, heftige postoperative Schmerzen auftreten können, die eine umgehende analgetische Behandlung erfordern.

5.4.2

Kombination von Opioiden mit Inhalationsanästhetika

Durch Supplementierung der Opioide mit vo- latilen Inhalationsanästhetika lässt sich bei vie- len Patienten eine befriedigende kardiovaskulä- re Stabilität bei ausreichender Narkosetiefe erzie- len. Hierbei wird entweder die Opioidzufuhr (z. B.

durch Infusion) konstant gehalten und die Kon- zentration des Inhalationsanästhetikums variiert oder eine konstante niedrige Konzentration des Inhalationsanästhetikums mit variablen Dosen von Fentanyl, Sufentanil oder Remifentanil kom- biniert. Variable Zufuhr beider Komponenten ist jedoch ebenfalls möglich. Vorteile dieses Verfah- rens: meist gute Dämpfung kardiovaskulärer Re- aktionen; gute Steuerbarkeit; geringerer Dosis- bedarf beider Komponenten; verkürzte postope- rative Beatmung. So ermöglicht z. B. die Kombi- nation von Inhalationsanästhesie (z. B. Isofl uran 0,4–0,6 %) und 10–15 µg/kgKG Fentanyl zur Nar- koseeinleitung eine deutlich frühere Extubati- on des Patienten. Hierdurch soll die postoperati- ve Morbidität im Vergleich zur verlängerten Nach- beatmung deutlich vermindert werden. Nachteil:

evtl. stärkere Beeinträchtigung der Herzfunktion durch Inhalationsanästhetika; für Patienten mit schweren Störungen der Ventrikelfunktion wenig geeignet.

Remifentanil. Durch Kombination von Remifen- tanil in variabler Infusionsgeschwindigkeit (Auf- rechterhaltung im Mittel bei starker Stimulation:

0,5 µg/kgKG/min) mit einem volatilen Anästhe- tikum, z. B. 0,4–0,6 Vol.- % lässt sich zumeist eine ausreichende chirurgische Anästhesie erreichen, die selbst Reaktionen auf starke Stimulation un- terdrückt und außerdem eine frühzeitigere Extu- bation des Patienten ermöglicht als bei allen an- deren Verfahren.

Opioide und Propofol (TIVA)

Durch die Kombination von Opioiden mit Pro- pofol (totale intravenöse Anästhesie, TIVA) kann bei Patienten mit guter Ventrikelfunktion die Do- sis von Opioiden erheblich reduziert und außer- dem die Aufwachphase und Nachbeatmungszeit verkürzt werden. Bei sorgfältig an den Bedarf an- gepasster Dosierung beider Substanzen sollte eine ausreichende kardiovaskuläre Stabilität bei star- ker Stimulation erreicht werden. Ohne chirurgi- sche Stimulation muss aber mit einer Abnahme des arteriellen Blutdrucks, evtl. auch der Herzfre- quenz, gerechnet werden, sodass entsprechende Vorsicht geboten ist; der Pulmonalarteriendruck nimmt ebenfalls ab. Um die unerwünschten kar- diovaskulären Wirkungen zu vermeiden, kann die Narkose auch mit Etomidat anstelle von Propofol eingeleitet und durch eine kontinuierliche Infusi- on von Propofol mit Fentanyl, Sufentanil oder Re- mifentanil fortgesetzt werden. Hierfür werden in der Literatur verschiedene Vorgehensweisen an- gegeben.

Dosierung

Dosierungsvorschläge für Patienten mit guter Ventrikelfunktion:

5 Fentanyl:

– Narkoseeinleitung: 5–10 µg/kgKG Fen- tanyl + 0,2–0,3 mg/kgKG Etomidat, – Aufrechterhaltung bis zur Sternotomie:

etwa 6 mg/kgKG/h Propofol + 5 µg/

kgKG Fentanyl; nach Sternotomie etwa 3 mg/kgKG/h Propofol, jeweils per Infu- sion.

6

(15)

5.4.3

Fast-track-Anästhesie

Ziel des sog. Fast-track-Konzepts ist die umge- hende Wiederherstellung bzw. Entlassung des Pa- tienten aus der medizinischen Behandlung. Hier- durch sollen v. a. Kosten gespart und die postope- rative Morbidität und Letalität gesenkt werden.

Das Konzept besteht aus mehreren Komponenten, zu denen auch die Fast-track-Anästhesie, d. h. das rasche Erwachen des Patienten aus der Narkose und die frühe Extubation, gehört.

Bei der Fast-track-Anästhesie werden v. a. gut steuerbare Substanzen eingesetzt, die nicht mit einem lange dauernden Überhang einhergehen.

Grundlage sind wiederum die Opioide, allerdings in wesentlich reduzierter Dosis, supplementiert durch Propofol, Midazolam oder volatile Anästhe- tika. Unter pharmakokinetischen Gesichtspunk- ten sind hierfür besonders Remifentanil und Pro- pofol oder die Inhalationsanästhetika Desfl uran und Sevofl uran geeignet; sie erfordern allerdings ein entsprechendes Konzept der postoperativen Schmerztherapie und Sedierung.

Komponenten des Fast-track-Konzepts in der Herzchirurgie:

5 Aufnahme am Vortag oder am Tag der Operation,

5 spezielles anästhesiologisches und chirur- gisches Vorgehen,

5 spezifi sche Überwachungsstation, 5 frühe Extubation,

5 frühe Mobilisierung,

5 Prophylaxe oder aggressive Behandlung von Komplikationen,

5 frühe Verlegung von der Überwachungs- station,

5 möglichst frühe Entlassung aus dem Kran- kenhaus.

Dosierung 5 Sufentanil:

– Narkoseeinleitung: 10–20 µg/kgKG Sufentanil + 0,2 mg/kgKG Etomidat, – Aufrechterhaltung bis zur Sternotomie

mit 1–2 µg/kgKG/h Sufentanil und 3–

6 mg/kgKG/h Propofol, nach Sternoto- mie etwa 1,5 mg/kgKG/h Propofol per Infusion.

5 Remifentanil:

– Narkoseeinleitung: 0,5 µg/kgKG/min für einige Minuten, danach Dosisreduk- tion auf etwa 0,25 µg/kgKG/min bzw.

nach hämodynamischer Wirkung + 0,2–

0,3 mg/kgKG Etomidat.

– Aufrechterhaltung bei Sternotomie und Spreizen: etwa 0,5 µg/kgKG/min + 2–

3 mg/kgKG/h Propofol.

Opioide und Midazolam

Opioide potenzieren die hypnotische Wirkung von Midazolam und werden daher in dieser Kom- bination bei herzchirurgischen Eingriffen einge- setzt. Allerdings sind für eine ausreichende Nar- kosetiefe höhere Dosen von Fentanyl, Sufenta- nil oder Alfentanil erforderlich als bei der Kom- bination mit Propofol. Auch werden kardiovasku- läre Refl exreaktionen auf starke chirurgische Sti- muli oft nicht ausreichend gedämpft, sodass der Einsatz von Adjuvanzien wie Inhalationsanästhe- tika oder Vasodilatatoren erforderlich ist. In Pha- sen geringer oder fehlender Stimulation kann der Blutdruck abfallen.

In der Literatur werden unterschiedliche Vor- gehensweisen bei der Kombination von Opioiden mit Midazolam angegeben, z. B.

Dosierung

5 Sufentanil + Midazolam:

– Narkoseeinleitung: 10–20 µg/kgKG Sufentanil + 0,1 mg/kgKG Midazolam, – Aufrechterhaltung: 1–2 µg/kgKG/h

Sufentanil + 0,07–1,5 mg/kgKG/h Mida- zolam, jeweils per Infusion.

5.4 · Narkoseverfahren

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5.5

Praktisches Vorgehen bei der Narkose

5.5.1

Vor der Narkoseeinleitung

5 Sofort nach der Ankunft des Patienten im Einleitungsraum:

– EKG anschließen,

– Blutdruckmanschette anlegen,

– Blutdruck und Herzfrequenz bestimmen, – Pulsoxymeter anschließen, Ausgangswert

ermitteln.

5 Danach großlumige Venenkanüle legen (Lo- kalanästhesie) und Elektrolytinfusionslösung anschließen, dann arterielle Kanüle einführen (ebenfalls unter Lokalanästhesie).

5 Bei hohem Blutdruck und/oder Tachykardie durch Angst und Aufregung: Sedativum, z. B.

– Midazolam (Dormicum), – Flunitrazepam (Rohypnol).

Dosierung dieser Substanzen immer nach Wirkung, niemals schematisch.

5 Bei pektanginösen Beschwerden: Nitrogly- zerinspray oder -kapseln und Sedierung; bei Nichtansprechen: Nitroglyzerin- oder Nifedi- pininfusion.

Arterielle Kanülierung. Bevorzugt an der A. radialis der nichtdominanten Hand, mit einer Kunststoff- kanüle 18 oder 20 gg., und zwar vor der Narkosee- inleitung. Bei schwierigen Gefäßverhältnissen: Ka- theterisierung der Arterie mit Seldinger-Technik.

Ausnahmen: Bei Operationen an der Aorta des cendens wird die rechte A. radialis kanüliert, weil beim Abklemmen der Aorta links Pulslosig- keit auftritt. Bei Entnahme einer Radialarterie für ACB-Operationen wird die Radialarterie des an- deren Armes katheterisiert. Bei vorangegangenen Herzkatheterisierungen sollte die arterielle Kanü- le nicht auf der Seite des Herzkatheterzugangs ge- legt werden, weil intraoperativ häufi g Druckgra- dienten auftreten – auch wenn die präoperativen Messwerte unauffällig waren.

Alternative Zugangswege:

5 A. brachialis,

5 A. femoralis, z. B. Katheterisierung per Seldin- ger-Technik,

5 A. ulnaris, 5 A. temporalis, 5 A. dorsalis pedis.

Pulmonalarterienkatheter. Bei ausgewählten Pati- enten, in einigen Herzzentren auch routinemäßig (7Kap. 3). Der Katheter wird per Seldinger-Tech- nik über eine Schleuse eingeführt. Er dient zur Messung von Pulmonalarteriendruck, Lungenka- pillarenverschlussdruck (Wedgedruck) und Herz- zeitvolumen (Thermodilutionsmethode).

Zentrale Venenkatheter. Sie dienen der Messung des zentralen Venendrucks und der Zufuhr von kardiovaskulären Medikamenten, Heparin, Nat- riumbikarbonat usw. (7Kap. 3). Bewährt hat sich das Einführen eines 3-Lumen-Katheters über die (rechte) V. jugularis interna, am besten nach der Narkoseeinleitung.

Alternative Zugangswege für den Geübten bzw. wenn andere Zugänge nicht möglich:

5 V. jugularis externa; hierbei lässt sich jedoch der Katheter nicht immer zentral platzieren, 5 V. subclavia,

5 V. basilica,

5 V. femoralis: Nur ausnahmsweise und nur kurzfristig.

5.5.2

Narkoseeinleitung

Die Narkoseeinleitung muss immer zu zweit er- folgen! Eine Person injiziert die Medikamente und überwacht die Herz-Kreislauf-Funktion, die ande- re präoxygeniert den Patienten, sichert die Atem- wege und unterstützt die Atmung des Patienten bis zur endotrachealen Intubation.

!Die Narkose wird ruhig und besonnen ohne jede Hast eingeleitet. Alle Medikamente werden langsam injiziert und nach Wirkung dosiert; das Körpergewicht ist nur ein grober Anhaltspunkt.

Um eine ausreichende Narkosetiefe für die endo- tracheale Intubation zu erreichen, ist meist eine Kombination mehrerer Medikamente erforder- lich. Gegenwärtig sind verschiedene Verfahren zur Narkoseeinleitung gebräuchlich. Hierbei ist

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die Überlegenheit des einen oder anderen Verfah- rens nicht gesichert. In jedem Fall ist ein indivi- duelles Vorgehen erforderlich. Im folgenden wird beispielhaft ein mögliches Vorgehen bei Patienten mit guter Ventrikelfunktion beschrieben; Alterna- tiven werden kurz erwähnt:

5 O2-Voratmung 3–5 min über Maske.

5 Sufentanil 10–30 µg/kgKG oder Fentanyl 7–

10 µg/kgKG i.v. Zu schnelle Injektion kann zu Blutdruckabfall und Bradykardie führen; auch ist bei rascher Injektion die Muskelsteife bzw.

Thoraxrigidität ausgeprägter.

5 Falls erforderlich: Zusätzlich Sedativa in nied- riger Dosierung, z. B. Midazolam i.v.

5 Kommandoatmung, dann assistierte/kontrol- lierte Beatmung über Maske.

Alternativ kann auch, nach Vorinjektion einer kleinen Dosis Pancuronium, mit Succinylcho- lin oder mit einem mittellang wirkenden Re- laxans wie Atracurium oder Cis-Atracurium relaxiert werden.

5 Intubationsdosis Pancuronium injizieren:

0,1 mg/kgKG; maximaler Wirkungseintritt nach einigen Minuten; gelegentlich tritt nach der Injektion eine Tachykardie auf. Die Ver- wendung von Rocuronicum in Intubationsdo- sen (0,6 mg/kgKG) ist ebenfalls möglich (Bra- dykardiegefahr bei Kombination mit Opioi- den, 7Kap. 1).

5 Anschließend Etomidat 0,2–0,3 mg/kgKG in- jizieren (alternativ auch Thiopental in titrier- ter Dosierung, Näheres in 7Kap. 1).

5 Danach Laryngoskopie (neben der Masken- beatmung erster größerer Stimulus).

Hierbei Blutdruck und Herzfrequenz überwachen.

Reagiert der Patient nicht mehr auf die Laryngos- kopie, erfolgt der nächste Schritt:

5 Endotracheale Intubation; bevorzugt oral, um Blutungen der Nasenschleimhaut unter der Heparinisierung zu vermeiden, Anschluss des Kapnometers. Erst kurz vor dem Transport auf die Intensivstation kann, bei entsprechen- der Indikation, nasotracheal umintubiert wer- den. Für die postoperative Routinenachbeat- mung ist die Umintubation nicht erforderlich.

5 Zentralen Venenkatheter (mehrlumig) ein- führen, bevorzugt in die rechte V. jugularis in-

terna (Seldinger-Technik); wenn indiziert, zu- sätzlich Pulmonaliskatheter.

5 Aprotinin, 2 Mio. KIE, über 20 min zentral- venös infundieren; danach 500 000 KIE/h;

2 Mio. KIE in das Füllvolumen der Herz-Lun- gen-Maschine.

5 Blasenkatheter legen.

5 Thermosonden rektal und ösophageal ein- führen.

5 Patienten für die mediane Sternotomie la- gern.

Besonderheiten nach der Narkose- einleitung:

5 Nach Abschluss dieser Stimulation sinkt der Anästhetikabedarf des Patienten zunächst ab.

5 In dieser Phase kommt es v. a. darauf an, Blutdruckabfälle zu vermeiden. Darum werden Opioide, Inhalationsanästhetika und Vasodilatatoren zunächst reduziert.

5 Leichte Blutdruckabfälle werden mit Kopftiefl agerung bzw. Beinehochlagerung behandelt. Spricht der Patient auf diese Maßnahmen nicht ausreichend an, wer- den Vasopressoren vorsichtig »titrierend«

infundiert. Niemals Noradrenalin o. ä. im Strahl infundieren, um den Blutdruck zu steigern: Exzessive Blutdruckanstiege können die Folge sein.

5 Inotrope Substanzen wie z. B. Dopamin werden infundiert, wenn der Blutdruckab- fall durch eine Beeinträchtigung der Myo- kardkontraktilität hervorgerufen wurde.

5.5.3

Operativer Zugang zum Herzen und Narkoseführung bis zum Anschluss an die HLM

Zugang zum Herzen

Am häufi gsten wird eine mediane Sternotomie in Rückenlage des Patienten durchgeführt, in Aus- nahmefällen auch eine rechtsseitige anterolaterale Thorakotomie. Bei der medianen Sternotomie wird das Sternum in der Mittellinie eröffnet, meist voll- 5.5 · Praktisches Vorgehen bei der Narkose

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ständig, gelegentlich partiell als obere oder unte- re Hemisternotomie. Der Patient wird vom Beat- mungsgerät diskonnektiert und dann das Ster- num mit einer Pendelsäge durchtrennt. Nach Blut- stillung wird der Thoraxsperrer eingesetzt, da- nach der Perikardbeutel dargestellt.

Für die anterolaterale Thorakotomie wird der Körper aus der Rückenlage leicht gedreht, dann der Interkostalraum identifi ziert, die Haut in- zidiert, die Muskulatur (M. pectoralis) mit dem Elektrokauter durchtrennt, das Periost an der Oberkante der Rippe abgehoben, danach die In- terkostalmuskulatur durchtrennt, die Pleura pari- etalis eröffnet und ein Sperrer eingesetzt.

Narkoseführung

5 Die Narkose wird mit Sufentanil in einer Do- sierung von ca. 1–2 µg/kgKG/h aufrechterhal- ten und mit Propofol, Midazolam oder Fluni- trazepam, alternativ auch mit einem volati- len Anästhetikum supplementiert, wenn die Ventrikelfunktion dies zulässt; TIVA mit Re- mifentanil/Propofol ist ebenfalls möglich, be- sonders, wenn eine frühe Extubation geplant ist (7Kap. 2).

5 Wenn vom Patienten toleriert, können außer- dem 50–70 % Lachgas in O2 zugeführt wer- den.

5 Die Muskelrelaxierung erfolgt mit Pancuro- nium oder einem mittellang wirkenden nicht depolarisierenden Muskelrelaxans.

5 Der Erhaltungsbedarf an Volumen beträgt ca.

3–4 ml/kgKG/h Elektrolytlösung.

5 Die Einstellung des Respirators wird früh- zeitig anhand der arteriellen Blutgasanalyse überprüft, angestrebt wird Normoventilation oder eine geringe Hyperventilation.

Besonderheiten:

5 Die stärksten chirurgischen Reize erfolgen von der Hautinzision über die Sternoto- mie bis zum Abschluss der Präparation der großen Gefäße. In dieser Phase ist der Anästhetikabedarf meist am größten.

6

5 Stärkere Stimulationen des Herz-Kreislauf- Systems, die mit Blutdruckanstieg und/

oder Tachykardie einhergehen, steigern den O2-Verbrauch des Herzens erheblich und können v. a. beim Koronarkranken zu einer bedrohlichen Myokardischämie führen. Sie müssen daher vermieden bzw.

umgehend behandelt werden.

5 Hierbei ist zu beachten, dass die Opio- ide keine Anästhetika im eigentlichen Sinne sind: Ihre analgetische Potenz ist zwar sehr groß, die refl exdämpfende Wirkung auf das sympathische Nerven- system jedoch nicht immer ausreichend.

Nachinjektionen von Fentanyl können häufi g die unerwünschten Reaktionen des Herz-Kreislauf-Systems nicht beseitigen.

So müssen bei stärkeren Stimuli oft Vasodilatatoren oder zusätzlich Inhala- tionsanästhetika eingesetzt werden, um Blutdruck und/oder Herzfrequenz wieder unter Kontrolle zu bringen. Das spezielle Vorgehen bei den verschiedenen Herz- erkrankungen ist in den entsprechenden Kapiteln dargestellt (7Kap. 1).

5.5.4

Anschluss des Patienten an die Herz-Lungen-Maschine

Nach Eröffnung des Perikards werden 300 I.E./

kgKG Heparin in einen zentralen Venenkatheter injiziert. Nachspülen und den Operateur infor- mieren, dass Heparin gegeben worden ist. Hepa- rinisierung mit ACT-Test kontrollieren.

Arterielle Kanülierung. Nach gesicherter Aufhe- bung der Blutgerinnung erfolgt die arterielle Ka- nülierung für den Bypass. Über die arterielle Ka- nüle wird während der EKZ das in der HLM arte- rialisierte Blut in den Körper zurückgepumpt. Be- vorzugtes Gefäß ist die Aorta, in Ausnahmefällten die A. femoralis, z. B. bei schwerer Atheromatose der Aorta, Aortenaneurysma oder -dissektionen.

Die Aorta ascendens wird in der Regel zuerst kanüliert, damit im Notfall rasch Volumen zuge-

(19)

führt werden kann. Weitere Vorteile: leicht zugäng- lich, großlumige Kanüle einführbar, dadurch höhe- re Flowraten; keine weitere Inzision erforderlich.

Anstiege des Aortendrucks erhöhen die Ge- fahr der Aortendissektion und müssen daher strikt vermieden werden. Weitere Gefahren: Em- bolisierungen durch Luft oder durch Plaques aus der Aortenwand; versehentliche Kanülierung von Aortenbogenästen, Aortendissektion oder andere Gefäßverletzungen.

Der Anästhesist sollte auf klinische Zeichen einer Fehlkanülierung achten, z. B. einseitiges Ab- blassen des Gesichts, einseitige Karotispulsation, unterschiedliche Blutdrücke an den Armen.

Venöse Kanülierung. Die venöse Kanülierung dient der Drainage des venösen Blutes in die HLM:

Bei ACB-Operationen und Eingriffen an der Aor- tenklappe wird über den rechten Vorhof eine Zweistufenkanüle eingeführt. Die Öffnungen die- ser Kanüle liegen in der unteren Hohlvene und im rechten Vorhof, sodass über nur einen Schlauch venöses Blut aus den unteren Extremitäten und aus der oberen Hohlvene abgeleitet wird. Vorteil:

einfachere und schnellere Technik, nur eine Inzi- sion erforderlich. Allerdings kann die Drainage des Blutes beeinträchtigt werden, wenn das Herz für die chirurgische Exposition angehoben wird.

Ist für den Eingriff am Herzen ein Zugang über den rechten Vorhof erforderlich, wird die bi- kavale Kanülierung durchgeführt: Hierbei wird ein Drainageschlauch über den rechten Vorhof in die untere Hohlvene und ein zweiter Schlauch in die obere Hohlvene eingeführt.

Solange die Schlingen um die Kanülen nicht fest angezogen sind, fl ießt ein Teil des Blutes über den rechten Ventrikel in den Lungenkreislauf, der andere Teil – unter Umgehung von Herz und Lun- gen – in die HLM: partieller Bypass. Durch Fest- ziehen der Schlingen um beide Hohlvenenschläu- che wird das gesamte venöse Blut (mit Ausnahme des aus dem Sinus coronarius in den rechten Vor- hof einströmenden Blutes) am Einstrom in das Herz gehindert und der HLM zugeführt: totaler Bypass.

Gefahren: beide Kanülierungsverfahren kön- nen den venösen Rückstrom aus der V. cava supe- rior oder inferior beeinträchtigen.

5 Eine Obstruktion der oberen Hohlvene führt zur Stauung in Gesicht, Hals und Konjuktiven.

5 Eine Obstruktion der unteren Hohlvene ist klinisch schwer zu erkennen, am ehesten an einem Abfall der Füllungsdrücke aufgrund des verminderten venösen Rückstroms.

Checkliste vor Beginn des Bypasses 5 Narkosetiefe und Relaxierungsgrad über-

prüft?

5 Heparin gegeben? ACT-Kontrolle durch- gefüht?

5 Aortenkanüle luftfrei? Keine Dissektion?

Korrekte Lage?

5 Venöse Kanüle: keine Obstruktion der oberen oder unteren Hohlvene?

5 Pulmonaliskatheter 3–5 cm zurückgezo- gen?

5 Alle Überwachungsgeräte in Funktion?

5 Zusätzliche Medikamente erforderlich?

5 Gesicht, Hals und Pupillen inspiziert?

Patient befi ndet sich am partiellen Bypass 5 Lachgas abstellen und mit 100%igem O2 beat-

men.

5 Für die Narkose während des Bypasses z. B.

Remifentanil in Kombination mit Propofol kontinuierlich infundieren. Alternativ kann ein Inhalationsanästhetikum in den Oxygena- tor der Herz-Lungen-Maschine geleitet wer- den.

5 Patienten erneut ausreichend nachrelaxieren, z. B. 4–8 mg Pancuronium in die Herz-Lun- gen-Maschine, damit er während der extra- korporalen Zirkulation nicht atmet.

Der partielle Bypass sollte mindestens 3 min dau- ern. In dieser Phase kann der linke Ventrikel mit einem Vent kanüliert werden. Über den Vent wird das aus den Vv. thebesi und peripheren Bronchial- venen (über Lungenvenen) unter Umgehung des rechten Herzens einströmende Blut kontinuierlich abgesaugt, um den linken Ventrikel nicht zu über- dehnen. Die Drainage des in das Herz einströmen- den Blutes wird häufi g auch über eine in der Aor- tenwurzel platzierte Doppelkanüle durchgeführt.

5.5 · Praktisches Vorgehen bei der Narkose

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Außerdem wird jetzt mit der Abkühlung des Blutes im Wärmeaustauscher der Herz-Lungen- Maschine begonnen.

Übergang auf den totalen Bypass

Nach einigen Minuten wird auf den totalen By- pass übergegangen. Beim totalen Bypass fl ießt das gesamte Blut des Patienten durch den extrakor- poralen Kreislauf. Herz und Lungen werden voll- ständig bzw. total umgangen. Der Bypass ist total, wenn die Bänder um die beiden Hohlvenenkanü- len fest angezogen worden sind, sodass kein Blut mehr in den rechten Vorhof einströmen kann. Die Anweisung des Operateurs hierzu lautet: »Unte- re Hohlvene zu; obere Hohlvene zu!« Gleichzeitig pumpt jetzt die Herz-Lungen-Maschine das ge- samte Blut des Körpers, nach Oxygenierung, über die Aortenkanüle in den Patienten zurück (vgl.

hierzu .Abb. 4-9).

Bei Verwendung der Zweistufenkanüle wird die V. cava nicht mehr angeschlungen, d. h. der By- pass ist nicht total, sondern partiell und das Blut aus dem Herzen wird über die Doppelkanüle in der Aortenwurzel drainiert. Die Übergangsphase zwischen partiellem und totalem Bypass entfällt somit bei Verwendung der Zweistufenkanüle.

Patient befi ndet sich am totalen Bypass (gilt auch für Verwendung der Zwei- stufenkanüle)

5 Beatmung sofort abstellen. Wenn gewünscht, Lunge mit 5 cm H2O gebläht halten.

5 Infusionen ebenfalls abstellen. Alle Medika- mente können über die Herz-Lungen-Maschi- ne zugeführt werden, ebenso die Anästhetika.

5 Pupillengröße kontrollieren und im Narkose- protokoll notieren.

Nach Platzierung des Vent und Abkühlung des Blu- tes beginnt das Herz meist spontan zu fl immern.

Die Aorta wird abgeklemmt (»Aorta zu«). Da- nach Infusion von Kardioplegielösung in die Aor- tenwurzel (antegrade Aortenwurzelkardioplegie).

Die Lösung fl ießt über den Koronarkreislauf in den Sinus coronarius (rechter Vorhof); von hier wird sie über einen kleinen Schlauch abgesaugt.

Bei Verwendung der Zweistufenkanüle gelangt al- lerdings ein Teil der Lösung in den systemischen

Kreislauf. Bei insuffi zienter Aortenklappe: Gefahr der Überdehnung des linken Ventrikels durch die einströmende Kardioplegielösung (retrograde Koronarsinuskardioplegie; 7Kap. 7.9.3).

Blutdruckabfall zu Beginn des Bypasses. Mit Be- ginn des Bypasses fällt der arterielle Mitteldruck häufi g vorübergehend auf Werte um 30–40 mmHg ab, möglicherweise bedingt durch die akut einset- zende Hämodilution mit Abnahme der Blutvisko- sität und des systemischen Gefäßwiderstands. Bei Patienten mit kritischen Koronararteriensteno- sen könnte durch die Hypotension eine subendo- kardiale Ischämie hervorgerufen werden, solange die Aorta noch nicht abgeklemmt ist. Der mittle- re Aortendruck sollte daher bei diesen Patienten bis zum Abklemmen der Aorta im Bereich von ca.

80 mm gehalten werden.

Checkliste für die Bypassphase:

5 Arterieller Einstrom:

– Wird das Blut im Oxygenator oxygeniert – Bestehen Hinweise auf Fehllage der

Aortenkanüle (einseitige Gesichts- schwellung oder Unterschiede in der Gesichtsfarbe)

– Liegen Hinweise auf eine eine Aorten- dissektion vor

– Ist der arterielle Blutdruck anhaltend niedrig

– Ist der Einstromdruck hoch

– Fällt der Perfusatspiegel im Reservoir/

Oxygenator

– Ist der arterielle Blutdruck anhaltend hoch

5 Venöser Ausstrom:

– Wird das venöse Blut ausreichend drai- niert oder bestehen Hinweise auf eine Obstruktion der Kanüle

– Ist das Gesicht geschwollen oder die Gesichtsfarbe verändert

5 Totaler Bypass:

– Einstellen der Beatmung.

– Unterbrechung der i.v. Flüssigkeits- und Medikamentenzufuhr.

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