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Kritik des Entwurfs eines Versicherungsgesetzes fur Angestellte

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Academic year: 2021

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(1)

Veröffentlichungen

des

Deutschen Vereins für Versicherungs-Wissenschaft

Herausgegeben von Prof. Dr. phil. et jur. A L F R E D M A N KS

(jeneral-Sekretär des Vereins

H e f t X X I I I

(Ausgegeben März 1911)

Kritik des Entwurfs

eines Versicherungsgesetzes

S S * "

1

für Angestellte

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.C

Verhandlungen des Vereins im Deutschen Reichstagsgebäude

am 15. Februar 1911

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WÜMIA POLtTfCA :

h Martiis —

f Berlin 1911

Ernst S i e g f r i e d M i t t l e r und Sohn

Königliche Hofbachhandluug Hochstraße 68-71

(2)

Berlin W50, Prager Straße 2 6 1

F e r n s p r e c h e r : A m t W i l m e r s d o r f Nr. 6709 a. V o r s t a n d :

Hegierungsdirektor Kitter Carl V. Rasp — München, Vorsitzender, Professor Dr. jur. Hermann Rehm — Strafsburg, 1. stellv. Vorsitzender, Direktor Dr. jur. Diedrich Bischoff — Leipzig, 2. stellv. Vorsitzender,

h. A u s s c h u s s | :

Präsident Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Präsident Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Dr. phil. h. c. Blenck — Berlin, Dr. jur. Kaufmann — Berlin,

Professor Dr. phil. Georj.' Bohlmann — Berlin, Vizepräsident Geheimer Justizrat Dr. jur. Professor Dr. phil. L. von Bortkiewicz — Berlin, P. Krause Berlin,

Direktor Peter Boxbüchen — Berlin, Geheimer Oberregierungsrat Prof. Dr. phil et Hofrat Professor Czuber — Wien, rer. pol. h. c. \V. Lexis — Göttingen, Geh.Reg.-Rat Generaldirektor DietzSCh Gotha, Direktor Dr. phil. Paraira Amsterdam, Geh.Justizrat Professor Dr. jur. Victor Ehrenberg Kegierungsrat Dr. phil. G. Pietsch Berlin,

Göttingen, KammerherrGansEdlerHerrZUPutlitz -Berlin, Professor Dr. jur. A. Emminghaus Gotha, Geh. San.-Rat Prof Dr. med. Karl Rüge -Berlin, Gesandter Wirkl. Geh. Rat Dr. jur. V. EuCken- Geh.Reg.-Rat Dir.Dr. jur. Karl Samwer -Gotha,

Addenhausen — Berlin, DirektorDr.phil.BrunnSchmerler Hamburg, Professor Dr. med. G. Florschiitz — Gotha, Generalsekretär Dr. phil. Soetbeer Berlin, Präsident Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Direktor Stein — Basel,

Dr. jur. h. c. Gruner — Berlin, Generalsekretär Rudolf Ulrich Berlin, Präsident Dr. jur. Ritter von Haag — München, Generaldirektor Hermann Vatke Magdeburg, Direktor Paul Härtung Berlin, Generalsekretär Dr phil. Otto Ziegler Berlin.

c. G e s c h ä f t s f ü h r e r :

Generalsekretär Professor Dr. phil. et jur. Alfred Manes — Berlin.

Aus den Satzungen des Deutschen Vereins für Versicherungs-Wissenschaft (E.

V.).

§ i.

Der Deutsche Verein für Versicherungs-Wissenschaft hat den Zweck, diese Wissen-schaft zu fördern.

Unter Versicherungs-Wissenschaft werden hier ebensowohl die rechts- und wirtschafts wissenschaftlichen wie die mathematischen und naturwissenschaftlichen Wissenszweige verstanden, deren Bestand und Fortbildung dem Versicherungswesen dienlich sind.

§ 3.

Die Mitglieder des Vereins sind entweder körperschaftliche oder persönliche.

Als körperschaftliche Mitglieder können Versicherungsgesellschaften, Vereine und Behörden aufgenommen werden.

Als persönliche Mitglieder werden auf Antrag aufgenommen solche Personen, welche den leitenden Stellen von körperschaftlichen Mitgliedern angehören, aufserdem aber alle diejenigen Personen, bei denen Interesse und Verständnis für versicherungswissenschaftliche Fragen vor-auszusetzen ist.

Über die Aufnahme entscheidet endgültig auf Anmeldung der Vorstand.

Zum Zeichen der Aufnahme wird dem Aufgenommenen eine auf seinen Namen lautende Mitgliedskarte zugestellt.

9 4

-Jedes Mitglied ist verpflichtet, einen jährlichen Beitrag zur Vereinskasse zu zahlen und empfängt dagegen alle Vereins-Veröffentlichungen, namentlich auch die Jahresberichte nebst Jahresrechnungen, ohne besondere Bezahlung.

D e r J a h r e s b e i t r a g d e r p e r s ö n l i c h e n M i t g l i e d e r b e t r ä g t z e h n M a r k . D e r J a h r e s b e i t r a g e i n e s k ö r p e r s c h a f t l i c h e n M i t g l i e d e s s o l l m i n d e s t e n s ein-h u n d e r t M a r k b e t r a g e n .

Wird der fällige Jahresbeitrag auf einmalige Mahnung seitens des Geschäftsführers innerhalb vier Wochen nicht entrichtet, so ist hiermit unbeschadet des Anspruches des Vereins auf diesen Beitrag die Mitgliedschaft verwirkt.

Freiwilliger Austritt aus dem Vereine kann im Laufe des Geschäftsjahres nur nach Entrichtung des Beitrages für dieses Jahr erfolgen. Schriftliche Austritte-Erklärung, zu richten an den Geschäftsführer, ist Bedingung.

§ 5.

Das Geschäftsjahr des Vereins ist das Kalenderjahr.

§

12-Abgesehen von der nach den ersten drei Vereinsjahren alle drei Jahre abzuhaltenden Versammlung zu Wahlzwecken, kann der Ausschurs jederzeit nach seinem p>messen V e r s a m m -l u n g e n der M i t g -l i e d e r tei-ls zu geschäft-lichen, tei-ls zu wissenschaft-lichen Zwecken berufen.

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/

^. xx ^Mom&J

Veröffentlichungen

des

Deutschen Vereins für Yersicherungs-Wissenschaft

Herausgegeben von Prof. Dr. phil. et jur. A L F R E D M A N E S

General-Sekretär des Vereins

Heft XXIII

(Ausgegeben März 1911)

Kritik des Entwurfs

eines Versicherungsgesetzes

für Angestellte

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Seite

Regierangsdirektor Ritter v. Rasp (München) 1

Dr. Otto Meltzing (München) 1 Chefmathematiker Schön wiese (Leipzig) 21

Universitätsprofessor Dr. Rehm (Straßburg) 41

Abg. Dr. Beumer (Düsseldorf) 43 Professor Dr. Manes (Berlin) 45 Direktor Dr. Walther (Leipzig) 50 Direktor Dr. Höckner (Leipzig) 55 Reichstagsabgeordneter Dr. Potthoff 59

Bankbeamter Fürstenberg 63 Justizrat Wandel (Essen) 66 Emil D. Feldberg (Hamburg) . . 68

Syndikus Dr. Leuckfeld (Hamburg) 70

Dr. Jacobssohn (Essen) 75 Versicherungstechniker Unger (Groß-Lichterfelde) 78

Geheimrat Düttmann (Oldenburg) 81 Direktor Dr. Bischoff (Leipzig) 85 Regierungsdirektor Ritter v. Rasp (München) 87

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Stenographische Aufnahme

der Verhandlungen des Vereins

im Deutschen Reichstagsgebäude

a m 15. F e b r u a r 1 9 1 1 .

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(7)

Meine Herren!

Indem ich die heutige Mitgliederversammlung des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft hiermit eröffne, begrüße ich Sie alle herzlichst im Namen des Vereins, namentlich die für die verschiedenen Reichs- und Staatsbehörden erschienenen Herren: Herrn Regierungsrat Dr. Aurin vom Reichsamt des Innern, Herrn Geheimen Regierungsrat Hanow vom Reichsversicherungsamt, Herrn Direktor Klewitz vom Kaiserlichen Aufsichtsamt für Privatver-sicherung, Herrn Regierungsrat Dr. Seibt vom Kaiserlichen Sta-tistischen Amt, Herrn Ministerialrat und Bevollmächtigten Bayerns zum Bundesrat Ritter von Strößenreuther, Herrn Ministerialrat Dr. v. Köhler für das Württembergische Ministerium des Innern, Herrn Dr. Kriese als Vertreter der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin, Herrn Dr. Demiith als Vertreter der Handelskammer Berlin, Herrn Syndikus Dr. Leonhard von der Handelskammer Magdeburg, Herrn Syndikus Dr. Rocke von der Handelskammer in Hannover und Herrn Syndikus Dr. Leuckfeld von der Handelskammer in Hamburg.

Meine Herren! Der Gegenstand, der heute zur Beratung steht, hat den Verein für Versicherungswissenschaft schon im Dezember 1908 einmal beschäftigt. Ich habe damals einen längeren Vortrag über die damalige '2. Denkschrift betreffend die Pensions- und Hinter-bliebenenversicherung der Privatangestellten gehalten. Ich hatte mich eines lebhaften großen Beifalls und allgemeiner Zustimmung zu erfreuen. Leider hat das Reichsamt des Innern die von mir damals gegebenen Anregungen nicht so zustimmend berücksichtigt (Heiterkeit). Ich will jetzt der Diskussion nicht vorgreifen; ich be-halte mir vor, am Schlüsse derselben, wenn nötig, zu einzelnen Punkten noch Stellung zu nehmen.

Die Diskussion wird Herr Dr. Meitzin <7 durch einen Vortrag ein-leiten. Ich muß bei der großen Zahl von Rednern, die sich zum Wort bereits gemeldet haben, bitten, daß sich die Herren tunlichster Kürze in der Diskussion befleißigen und womöglich nicht länger als je 10 bis 15 Minuten sprechen.

Ich erteile nunmehr das Wort Herrn Dr. Meltzing.

Dr. Otto Meltzing (München).

Hochgeehrte Versammlung!

Der vorliegende Entwurf eines Versicherungsgesetzes für An-gestellte, über den Ihnen einleitend zu referieren ich die Ehre habe, hat eine sich über etwa 15 Jahre erstreckende Vorgeschichte. Seit Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts zeigen sich unter

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den Privat-Angestellten Bestrebungen, die darauf abzielen, für die-sen immer größer werdenden Kreis von Personen eine bessere Für-sorge zu schaffen, als die reichsgesetzliche Invalidenversicherung sie zu leisten vermochte. Aber erst vom Jahre 1901 an kann man von einer eigentlichen Bewegung unter den Privatbeamten sprechen, die auf Schaffung einer Privatbeamten-Versicherung gerichtet war. Die in dem genannten Jahre vorgenommene Gründung des „Haupt-ausschusses zur Herbeiführung einer staatlichen Pensions- und Hin-terbliebenen-Versicherung der Privatbeamten" kann als Ausgangs-punkt dieser starken, durch geschickte und energische Agitation geförderten Bewegung unter den Privatbeamten bezeichnet werden. Die Stellung der Regierung gegenüber den Versicherungswünschen der Angestellten war, und das verdient angesichts der Ausdrucksweise der Begründung hervorgehoben zu werden, anfangs eine durchaus ablehnende, wie aus der bekannten Erklärung des Grafen Posa-dowslcy im Jahre 1903 klar hervorgeht. Ebenso kann man be-haupten, daß den politischen Parteien das Verständnis für die Forderungen der Angestellten erst allmählich kam. Politische Rücksichten, insbesondere Wahlrücksichten waren es, die sowohl bei der Regierung wie bei den politischen Parteien einen Umschwung der Meinungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Privatange-stellten-Fürsorge über die reichsgesetzliche Invalidenversicherung hinaus herbeiführten.

Die erste Regierungsliandlung in Sachen der Privatbeamten-Versicherung war die Denkschrift vom März 1907, die auf den Re-sultaten einer im Jahre 1903 vom Hauptausschuß vorgenommenen privaten Enquete über die Gehalts- und Familienverhältnisse der Privatbeamten aufgebaut war. Das ungünstige Resultat, zu dem diese Denkschrift hinsichtlich der Versicherungs-Wünsche der Pri-vatangestellten gelangte, ist bekannt, ebenso, daß sich infolge der Denkschrift die Meinungen unter den Privatangestellten über den einzuschlagenden Weg zu teilen begannen. Immerhin ver-mochte in zum Teil scharfen Kämpfen vor und hinter den Kulissen der Hauptausschuß die Mehrheit der organisierten Angestellten für seine Forderung, Schaffung einer Sonderversicherung für die An-gestellten zu gewinnen. Daneben entstand aber eine zweite Ver-einigung der Privatbeamten, die den Ausbau der bestehenden In-validenversicherung anstrebte und zu der etwa 60 000 oder, wie von anderer Seite behauptet wird, 100 000 Privatangestellte gehören. Die Zahl der dem Hauptausschuß zur Verfügung stehenden Stim-men wird von der Regierungsvorlage auf 700 000 beziffert.

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bestehenden reichsgesetzlichen Invalidenversicherung ins Auge. Die öffentliche Kritik, zu der die Denkschrift aufforderte, ward ihr in ziemlich reichem Maße zuteil, allerdings verhältnismäßig am wenigsten aus dem Lager der Arbeitgeber, die teilweise, wie z. B. die Detaillisten in ihrem Zentralausschuß der Prinzipal-Verbände, sich erst so spät an der öffentlichen Debatte zu beteiligen begannen, daß sie ernstlich auf Berücksichtigung ihrer Wünsche kaum rechnen konnten. Angesichts des Umstandes, daß die Regierung den Haupt-ausschuß als die Vertretung aller Privatbeamten ansehen zu müssen glaubte, war es klar, daß, sobald dieser sich mit den Grundzügen für die Privatbeamten-Versicherung, wie die zweite Denkschrift sie enthielt, einverstanden erklärt hatte, damit die Form und der wesent-liche Inhalt der von der Regierung auszuarbeitenden endgültigen Gesetzesvorlage gegeben war. In der Tat zeigt der am 16. Januar 1911 im Reichsanzeiger veröffentlichte Entwurf ganz deutlich das Hauptausschuß-Gesicht.

Die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzentwurfes, der nicht weniger als 376 Paragraphen zählt, sind folgende:

Vom vollendeten 16. Lebensjahre an sind bestimmte Gruppen von Angestellten, die der § 1 in Ziffer 1 bis 6 aufzählt, versiche-rungspflichtig. Der Bundesrat kann die Versicherung auf Selb-ständige ausdehnen, die eine ähnliche Tätigkeit, wie die Ange-hörigen der in Ziffer 1 bis 6 bezeichneten Personengruppen üben. Hierbei kommen jedoch, wie die Begründung S. 74 aus-führt, nur ganz vereinzelte Personengruppen in Frage, so z. B. die Fleischbeschauer, die selbständigen Krankenpfleger und Pflege-rinnen und dergleichen. Wer 5 Jahre hindurch Beiträge auf Grund der Versicherungspflicht entrichtete, kann die Versicherung freiwillig fortsetzen. Wer bereits ein Anrecht auf Rente erworben hatte, dann aber aus der Versicherungspflicht ausscheidet, kann sich eine Anwartschaft durch Zahlung einer jährlichen Aner-kennungsgebühr im Betrage von Mk. 3 ei'lialten. Nach der Höhe ihres Jalires-Arbeitsverdienstes werden die Versicherten in folgende neun Gehaltsklassen eingeteilt:

Klasse I umfaßt Einkommen bis Mk. 550, Klasse II solche von Mk. 550 bis Mk. 850, Klasse III Gehälter von Mk. 850 bis Mk. 1150, Klasse IV von Mk. 1150 bis Mk. 1500, Klasse V von Mk. 1500 bis Mk. 2000, Klasse VI von Mk. 2000 bis Mk. 2500, Klasse VII von Mk. 2500 bis Mk. 3000, Klasse VIII von Mk. 3000 bis Mk. 4000, Klasse IX von Mk. 4000 bis Mk. 5000.

Das Gesetz gewährt Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenen-rente. Ein Ruhegehalt erhält, wer das 65. Lebensjahr vollendet oder infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen oder Schwäche zur Ausübung seines Berufes dauernd unfähig ist. Berufsunfähigkeit wird angenommen, wenn die Arbeitsfähigkeit des Versicherten auf weniger als die Hälfte eines körperlich oder geistig ^gesunden Ver-sicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Zur Abwendung der infolge einer Erkrankung drohenden Berufsunfähigkeit kann mit

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mung des Versicherten unter Umständen aber auch ohne seine Zu-stimmung ein Heilverfahren eingeleitet werden. Während der Dauer desselben beziehen die Angehörigen des Versicherten, die von ihm erhalten wurden, ein Hausgeld in Höhe von 3/2 0 des zuletzt

ge-zahlten Monatsbeitrages. Die Wartezeit dauert für männliche Ver-sicherte 10, für weibliche 5 Jahre. Sind innerhalb eines Jahres während der Karenzzeit weniger als 8 oder nach Ablauf derselben weniger als 4 Monatsbeiträge entrichtet, so erlischt die Anwartschaft auf Rente. Diese beträgt, die Absolvierung der 10- bzw. der 5j äh-rigen Karenzzeit vorausgesetzt, % des Wertes der in den ersten 10 Jahren entrichteten Beiträge und y8 des Wertes aller übrigen

Beiträge. Unter Wert der Beiträge ist die Summe der Beiträge zu verstehen. Die Witwenrente beziffert sich auf % der Invaliden-rente, auf die der Verstorbene bis zum Zeitpunkt seines Todes An-wartschaft erworben hatte. Die Kinder des verstorbenen Versicher-ten erhalVersicher-ten bis zum vollendeVersicher-ten 18. Lebensjahre pro Kopf % der Witwenrente, Doppelwaisen y3 derselben, doch dürfen die

Hinter-bliebenen-Renten eines Versicherten den Betrag der Invalidenrente nicht übersteigen, auf die sich der Verstorbene bis zum Eintritt seines Todes Anwartschaft gesichert hatte. Die Auszahlung der Rente geschieht monatlich im voraus.

Die Angehörigen weiblicher Versicherter, die nach Ablauf einer 5jährigen Wartezeit starben, ohne irgendwelche Renten auf Grund dieses Gesetzes erhalten zu haben und ohne rentenberechtigte Hin-terbliebene zurückzulassen, erhalten die Hälfte der für die Ver-sicherte bis zu ihrem Tode eingezahlten Prämien zurück. Statt der Kapital-Abfindung kann eine lebenslängliche Rente gewährt werden. Die gleiche Abfindung wird vergütet, wenn weibliche Versicherte durch Heirat aus der Versicherungspflicht ausscheiden. Bei Wieder-verheiratung fallen die Witwenrenten fort, als Abfindung empfängt die Witwe das Dreifache ihrer Jahresrente. Renten auf Grund dieses Gesetzes gelangen neben Renten der reichsgesetzlichen Arbeiterver-sicherung oder neben Bezügen aus Gehalt oder Lohn insoweit in Wegfall, als das Gesamteinkommen des Rentners sein durchschnitt-lich versichertes Einkommen, oder bei Witwen- und Waisenrenten °/10 dieses Einkommens übersteigt.

Trägerin der Versicherung ist die in Berlin zu errichtende Reichsversicherungsanstalt für Angestellte. Ihre Organe sind:

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Der Verwaltungsrat wählt aus seiner Mitte für die Dauer eines Jahres einen Ausschuß. Dieser besteht aus je zwei Vertretern der Angestellten und der Arbeitgeber. Die Ausschußmitglieder haben die Verwaltung der Reichsversicherungsanstalt fortlaufend zu be-aufsichtigen. Sie können insbesondere mit beratender Stimme an allen Sitzungen des Direktoriums teilnehmen, während der Ge-schäftsstunden im Beisein eines Mitgliedes des Direktoriums den Gang der Geschäfte prüfen, die Bücher einsehen und Kassen-Revi-sionen beiwohnen.

Rentenausschüsse werden nach Bedffrf von der Reichsversiche-rungsanstalt errichtet. Sie setzen sich zusammen aus einem stän-digen Vorsitzenden, mindestens einem Stellvertreter und Beisitzern. Außerdem erhält jeder Ausschuß die erforderlichen Hilfsbeamten. Seine Aufgabe ist es, die Renten und Abfindungen festzusetzen, auf Antrag ein Heilverfahren einzuleiten und Auskünfte in Angelegen-heiten dieses Gesetzes zu erteilen. Der Vorsitzende und sein Stell-vertreter werden vom Reichskanzler ernannt, der auch ihre Amts-dauer und ihr Gehalt festsetzt. Die Beisitzer werden je zur Hälfte von den Angestellten und ihren Arbeitgebern gewählt. Ihre Zahl beträgt mindestens 20. Es sind nur Männer wählbar. Das Amt ist ein Ehrenamt.

Die Vertrauensmänner werden je zur Hälfte von den versicher-ten Angestellversicher-ten und ihren Arbeitgebern gewählt. Ihre Zahl be-läuft sich für den Bezirk einer unteren Verwaltungsbehörde auf 6. Wohnen mehr als 10 000 Versicherte in einem solchen Bezirk, so kann die Zahl der Vertrauensmänner für jede angefangenen wei-teren 10 000 um zwei erhöht werden. Die Vertrauensmänner be-stimmen die Beisitzer für die Rentenausschüsse, die Schiedsgerichte, das Oberschiedsgericht und den Verwaltungsrat. Weitere Aufgaben können ihnen vom Rentenausschuß übertragen werden. Das Amt ist ein Ehrenamt.

Rechtspreehende Behörden in höherer Instanz sind die Schieds-gerichte und das Oberschiedsgericht. Die SchiedsSchieds-gerichte treten als höhere Spruch- und Beschlußbehörde in Sachen der Angestellten-versicherung auf. Sie bestehen aus einem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und mindestens 12 Beisitzern. Das Oberschieds-gericht ist die oberste Spruch- und Beschlußbehörde im Rahmen dieser Versicherung. Seine Zusammensetzung entspricht der der Schiedsgerichte. Die Aufsicht über die Schiedsgerichte wird durch die zuständige oberste Verwaltungsbehörde geführt, die die erforder-lichen Hilfskräfte bestellt und die Geschäftsräume beschafft. Die Kosten der Schiedsgerichte schießen die Bundesstaaten vor, in denen jene ihren Sitz haben, die Kosten des Oberschiedsgerichts streckt die Reichshauptkasse vor.

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Be-rechnungen sind 3% pCt. gewählt. Alle 5 Jahre stellt die Reichs-versicherungsanstalt eine versicherungstechnische Bilanz auf. Er-gibt sie einen Fehlbetrag, so werden die Beiträge erhöht oder die Renten herabgesetzt. Die Beiträge führt der Arbeitgeber ab. Er hat am Schlüsse eines jeden Monats eine Liste der fälligen Monats-beiträge aufzustellen und den Beitragsstellen mit den Prämien bis zum 15. des folgenden Monats portofrei einzusenden.

Die Beitragsstelle quittiert durch Marken, die von den Arbeit-gebern in die Versicherungskarten ihrer Angestellten einzukleben und zu entwerten sind. Berartige Beitragsstellen werden nach Be-darf errichtet. Eventuell können ihre Geschäfte von den hierfür durch die oberste Verwaltung bezeichneten Organen oder von den Postanstalten wahrgenommen werden. Die Vergütung für die Bei-tragsstellen setzt der Bundesrat fest. Jeder Versicherte hat sich eine Versicherungskarte ausstellen zu lassen. Zu diesem Zwecke hat er sie bei den Ausgabestellen durch eine Aufnahmekarte zu be-antragen. Die Ausgabestelle wird von der obersten Verwaltungsbe-hörde bestimmt. Die Kosten für die Herstellung und Lieferung der monatlichen Beitragslisten der Arbeitgeber, der Versicherungskar-ten und der AufnahmekarVersicherungskar-ten trägt die Reichsversicherungsanstalt. Sie hat auch den Ausgabestellen für die Ausstellung der Karten eine Vergütung zu gewähren. Die Reichsversicherungsanstalt über-wacht die Entrichtung der Beiträge, sie kann die Überwachung den Rentenausschüssen übertragen. Die Auszahlung der Renten erfolgt durch die Post, die hierfür eine Entschädigung erhält.

Das Vermögen der Reichsversicherungsanstalt ist mündelsicher und mindestens zu einem Viertel in Anleihen des Reiches oder der Bundesstaaten anzulegen. Der Reichskanzler kann genehmigen, daß das Vermögen auch für Kommunal-Darlehen benutzt wird. Ferner darf die Reichsversicherungsanstalt mit Zustimmung des Reichskanzlers das Vermögen bis zu 25 pCt. desselben anders als mündelsicher oder in Kommunal-Darlehen investieren. Insbesondere kann es für Unternehmungen benutzt werden, die ausschließlich oder überwiegend den Versicherten zugute kommen. Beim Erwerb von Hypotheken darf die Beleihung 60 pCt. des Wertes des be-liehenen Grundstückes nicht übersteigen, nur bei landwirtschaft-lichem Grundbesitz kann eventuell bis zu 66% pCt. gegangen werden.

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die dem au die Reichsversicherungsanstalt abgeführten Beitrag ent-spricht. Alle derartigen Kassen können gegen Einzahlung des Deckungskapitals ihre Leistungen auf die Reichsversicherungs-anstalt übertragen.

Privatbeamte, die zur Zeit der Veröffentlichung dieses Gesetzes bei privaten Lebensversicherungs-Gesellschaften versichert sind, können auf Antrag von der Beitragsleistung befreit werden, wenn sie für Versicherungs-Prämien mindestens soviel aufwenden, als sie an die Reichsversicherungsanstalt zu zahlen hätten. Doch hat in diesen Fällen der Arbeitgeber seine Beitragshälfte an die Reichs-versicherungsanstalt abzuführen, die dafür dem Versicherten die halben Leistungen dieses Gesetzes in Aussicht stellt. Zahlt der Arbeitgeber zu den Prämien für die Lebensversicherung seiner An-gestellten Zuschüsse, so kann er diese Zuschüsse um seine gesetz-lichen Beiträge kürzen. Um den versicherten Privatbeamten die Aufrechterhaltung ihrer Lebensversicherung zu ermöglichen, zahlt die Reichsversicherungsanstalt auf Antrag des Versicherten die Arbeitgeberbeiträge an die Lebensversicherungsgesellschaft weiter, wenn die Versicherung noch in voller Höhe besteht, die Police bei der Reichsversicherungsanstalt hinterlegt und die Forderung aus der Versicherung rechtsverbindlich an die Reichsversicherungsan-stalt zu dem Teil abgetreten wird, der dem Betrag des überwiesenen Arbeitgeberanteiles entspricht. —

Wie man aus dieser kurzen Darstellung, die naturgemäß nur die wichtigsten Bestimmungen des Entwurfs aufzählt, ersieht, hat die Regierung im großen und ganzen an der in der zweiten Denk-schrift empfohlenen Grundlage für die Privatbeamten-Versicherung festgehalten. Die Vorlage will, weil der Gesetzgeber den Ausbau der bestehenden reichsgesetzlichen Invalidenversicherung nicht für einen gangbaren Weg erachtet, die Zusatzversicherung neben der reichs-gesetzlichen Invalidenversicherung. Als Hauptgrund für die Ab-lehnung des Ausbaues gibt die Begründung an, daß der Entwurf die Wünsche der Angestellten nach Möglichkeit hätte erfüllen wollen. Er sehe daher Renten in angemessener Höhe beim Eintritt der Be-rufsunfähigkeit, spätestens vom vollendeten 65. Lebensjahre an und Hinterbliebenenrenten, die eine angemessene Versorgung gewähren könnten, wie sie den höheren Leistungen und Lebensverhältnissen des Privatbeamtenstandes entspräche, vor. Gegen die Anfügung höherer Lohnklassen an die bestehenden Gehaltsklassen der In-validenversicherung werden finanzielle und versicherungstechnische Bedenken geltend gemacht. Für rund 50 000 Privatbeamte mehr müßte dann, so sagt die Begründung, im Invaliditätsfalle der Reichs-zuschuß gewährt werden. Ja, es lasse sich erwarten, daß diese Ziffer sich noch beträchtlich erhöhe, da bei Anfügung neuer Lohn-klassen von der freiwilligen Fortsetzung der Versicherung und der

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Der Ausbau der Invalidenversicherung entspräche, so betont die Begründung weiter, aber auch den Interessen der Angestellten nicht, weil diese ein durchschnittlich nicht erheblich besseres Risiko dar-stellen, als die Gesamtheit der von der reichsgesetzlichen Invaliden-versicherung umfaßten Bevölkerungsschichten.

Ganz ausgeschlossen wäre es drittens, die allgemeine Erwerbs-unfähigkeit des Invalidenversicherungs-Gesetzes in Berufsunfähig-keit umzuwandeln, weil sich hieraus eine außerordentlich hohe Mehrbelastung für das Reich wie für die Versicherungsträger er-geben würde. Die Begründung schätzt diese Mehrbelastung für das Reich für das Jalir 1910 auf rund 75 Millionen Mk., eine Summe, die sich jährlich um etwa 1% pCt. dieses Betrages erhöhen würde, und beziffert die Mehrbelastung für die Versicherungsträger zur Zeit auf etwas mehr als das Doppelte dieser Summe, steigend auf etwas mehr als das Dreifache derselben. Eine weitere Mehrbe-lastung würde die allgemeine Herabsetzung der Altersgrenze für die Invalidenversicherten auf das 65. Lebensjahr nach sieh ziehen. Die Mehrlast hierfür wird von der Begründung für die Versiche-rungsträger auf rund 20 Millionen und für das Reich auf rund 9 Millionen Mk. veranschlagt.

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Fest-Stellung, deren Resultat man im großen und ganzen für die Gesamt-heit der Privatangestellten als richtig betrachten kann, zeigt, wie sehr diejenigen Recht haben, die für einen Ausbau der bestehenden Invalidenversicherung zugunsten der Privatbeamten bis zu einem Einkommen von 3000 Mk. unter Staffelung der Beiträge bis zu etwa 6 pCt. des durchschnittlich versicherten Einkommens eintreten; dies umsomehr, als die bestehende Invalidenversicherung auch den An-sprüchen der hochentlohnten Arbeiterschichten nicht mehr ent-spricht, dürften doch etwa 10 bis 20 pCt. der Arbeiter über Löhne zwischen 2000 und 3000 Mk. im Jahre verfügen. Die nüchterne Statistik zeigt aber auch, daß die Forderung des Hauptausschusses, sozialpolitisch gesondert behandelt zu werden, einer inneren Be-rechtigung entbehrt. Schildern jene Zahlen die wirtschaftliche Lage der Privatbeamten richtig, so kann mit Recht von einer Berufs-Invalidität der Privatangestellten nicht die Rede sein. Diese fällt dann für die überwiegende Mehrheit derselben durchaus mit der allgemeinen Erwerbsunfähigkeit zusammen, wenn man außer acht läßt, daß die allgemeine Invalidität bei herabsinkender Arbeits-fähigkeit auf weniger als Ys der normalen, die BerufsunArbeits-fähigkeit aber bei Herabgehen auf weniger als die Hälfte der normalen Ar-beitsfähigkeit als vorhanden angenommen wird. Aber selbst wenn man die Identität beider Invaliditäten für die Mehrheit der Ange-stellten leugnet, so ist an Hand der Ausführungen der Begründung schwer zu sagen, worin der Unterschied zwischen beiden besteht. Bei Abschätzung der allgemeinen Erwerbsunfähigkeit wird der Ver-sicherte in Vergleich gesetzt zu körperlich und geistig gesunden Per-sonen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung in der gleichen Gegend. Die Begründung der neuen Vorlage setzt den Privatbe-amten, dessen Invalidität festgestellt werden soll, in Vergleich zu einem körperlich und geistig gesunden Privatangestellten in irgend-einer durch die neue Versicherung erfaßten Berufsstellung, mag sie mit der bisherigen verwandt oder völlig verschieden von ihr sein. Da nun der Kreis der versicherungspflichtigen Personen in der neuen Versicherung sehr weit gezogen ist und alle möglichen Berufe um-faßt, so ergibt sich, daß die Berufsunfähigkeit der Privatangestellten sich eigentlich, abgesehen v o m Prozentsatz, in nichts von der allge-meinen Erwerbsunfähigkeit unterscheidet. Es ist ferner zu be-achten, daß es sich in der Praxis kaum durchführen lassen wird, im Bereich der Sozialversicherung mit zwei verschiedenen Invaliditäts-begriffen zu operieren.

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sollen, eine Altersrente in Empfang zu nehmen, während Privatan-gestellte mit gleichem oder geringerem Einkommen eine solche schon vom 65. Lebensjahre an beziehen. Überdies ist es sowohl von der Regierung als wünschenswert wie von den politischen Parteien als dringend notwendig erklärt worden, die Altersrenten-Grenze allge-mein auf das 65. Lebensjahr herabzusetzen. Es ist mithin nur eine Frage der Zeit, daß in die reichsgesetzliche Invalidenversicherung die niedrigere Altersrenten-Grenze eingeführt wird.

Wenn endlich die Begründung die Zusatzversicherung befür-wortet, weil beim Ausbau der Invalidenversicherung an einer viel-leicht bescheideneren Renten- und Hinterbliebenenversicherung fest-gehalten werden müsse, als sie die Zusatzversicherung gewähren könne, so ist, wenn man sich einmal zahlenmäßig vor Augen führt, welche Witwen- und Waisenrenten die Privatbeamten-Versicherung in Aussicht stellt, schwer einzusehen, wie noch bescheidenere Renten normiert werden können. Jedenfalls kann nicht davon die Rede sein, daß die Hinterbliebenen-Renten des Entwurfes den Angehörigen der versicherten Privatbeamten eine „angemessene Versorgung ge-währen, wie sie den höheren Leistungen und Lebensverhältnissen ihres Standes" entspricht. Bei der Kritik des Entwurfes im einzelnen wird Gelegenheit sein, auf diesen Punkt zurückzukommen.

Die iv es entlichsten Bedenken der Regierung gegen den Ausbau der Invalidenversicherung liegen, wie auch aus der Begründung er-sichtlich ist, auf finanziellem Gebiete. Man hat demgegenüber darauf hingewiesen, daß man in der Sozialversicherung im Hinblick auf die großen Ziele, deren Erreichung man anstrebe, nach den Kosten nicht fragen dürfe. Wenn auch dieser Ansicht nicht beigetreten werden kann, man es vielmehr für notwendig halten muß, daß bei Aufer-legung neuer sozialer Lasten die Tragfähigkeit der Volkswirtschaft für sie zuvor genau geprüft werde, so ist doch die Begründung der Zusatzversicherung durch finanzielle Rücksichten als ein Fehlgriff des Gesetzgebers zu bezeichnen. Eine solche Politik rechnet nur mit dem Augenblick. Gerade die Schaffung der SonderverSicherung wird die Versicherungswünsche der Arbeiter lebhaft anregen und bei dem politischen Einfluß der in Frage kommenden Klassen die Regierung zweifellos zwingen, diesen Forderungen in irgend einer Weise zu ent-sprechen; dann werden Mittel in vielleicht weit größerem Umfange nötig, als man sie jetzt bei einem Ausbau der Invalidenversicherung hätte bereit stellen müssen.

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Privatbeamten stärkere Mißstimmung und tiefere Unzufriedenheit verursachen wird, der Ausbau der Invalidenversicherung in mäßigen Grenzen oder die Angestellten-Versicherung, wie sie die Vorlage bringt.

Aber die Frage, ob Ausbau oder Sonderkasse, ist durchaus keine Formfrage. Die Regierung, das Parlament, die Gesamtheit steht hier vor einer prinzipiellen Entscheidung. Es werden von der Vorlage auch Angestellte versicherungspflichtig gemacht, die über Einkommen von 4000 und 5000 Mk. verfügen. Es wird mit anderen Worten die Kompetenz der Regierung, den Versicherungszwang auszusprechen, ganz erheblich erweitert. Es werden von ihm Personenkreise erfaßt, von denen man bislang annahm, daß sie wirtschaftlich kräftig genug seien, sich selbst eine Fürsorge zu schaffen. Die Vorlage bedeutet also einen nicht unerheblichen Schritt vorwärts auf dem Wege zum Rentenstaat. Denn es darf keinem Zweifel unterliegen, daß, wenn Angestellte mit Gehältern bis zu 5000 Mk. versicherungspflichtig gemacht werden, die Regierung den Forderungen nach Versicherungs-schutz seitens anderer Personengruppen mit ähnlichem Einkommen, gleichviel ob es sich um selbständige oder unselbständige Existenzen handelt, also etwa der Handwerker, der kleinen Gewerbetreibenden usw., nichts entgegensetzen kann. Sie steht demnach jetzt vor der prinzipiellen Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Einkommen-höhe als Grenze für den staatlichen Zwang zur Versicherung aner-kannt werden soll oder nicht. Tut sie dies nicht, setzt sie ihrer Für-sorgetätigkeit auf diesem Gebiete keine feste und für einen längeren Zeitraum unverrückbare Grenze, so kommt sie, da es auch in der Sozialversicherung ein Zurück nicht gibt, unfehlbar dahin, unter dem Andringen der Massen, deren Forderungen sich das Parlament stets gefügig zeigen wird, es sich jedenfalls aus Wahlrücksichten nie ganz versagen kann, die Möglichkeit jeder Grenzziehung zu verlieren. Diese Gefahr sollte nicht nur seitens der Regierung, sondern auch des Parlaments ernstlich berücksichtigt werden.

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wenige, ganz bestimmte Leistungen in Aussicht stellen kann, umso ungerechter und unbefriedigender wird, je höhere Ziele sie sich setzt. Die neue Zwangsversicherung mit ihren in Rücksicht auf das Ein-kommen der Versicherten hohen Pflichtbeiträgen, ihrer langen Karenzzeit, kleinen Renten und enormem Verwaltungsapparat, wird niemanden zufriedenstellen; dazu kommt, daß die Vorlage, die doch die wirtschaftliche Lage der Angestellten bessern soll, diese in mancher Beziehung geradezu verschlechtert. Es ist sehr wahr-scheinlich, daß in einer ganzen Reihe von Gewerben und Stellungen die Privatangestellten nicht nur die eigenen Prämien für die Zwangs-versicherung aufbringen müssen, sondern daß sie auch die Beiträge der Arbeitgeber aus eigener Tasche zu entrichten haben. Herab-setzung der. Anfangsgehälter, Verringerung der Gehaltszulagen, stärkere Heranziehung weiblicher Arbeitskräfte, um gleichzeitig an Gehalt und Versicherungsbeiträgen zu sparen, Hineinströmen zahl-reicher Arbeitskräfte in den Kreis der Privatangestellten und damit Herabdrückung der Gehälter, die nahezu völlige Unmöglichkeit Kapital anzusammeln und sich mit seiner Hilfe in höhere soziale Schichten hinaufzuarbeiten oder seinen Nachkommen hierzu zu ver-helfen, die rücksichtslose Abstoßung aller Arbeitskräfte unter den Privatbeamten, die nicht mehr voll leistungsfähig sind, jetzt aber durchweg von den Arbeitgebern beibehalten werden, das sind einige der schwerwiegenden Folgen, die die neue Versicherung für die An-gestellten nach sich ziehen kann. Auch darauf muß hingewiesen werden, daß das neue Gesetz das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Angestellten, das heute vielfach noch ein familiäres ist, mehr und mehr auf Geld stellt. Der Arbeitgeber wird sich hinfort damit be-gnügen, für seine Angestellten neben dem Lohn den gesetzlichen Beitrag zur Privatbeamten-Versicherung zu zahlen und sich nicht mehr

veranlaßt sehen, darüberhinausgehende Aufwendungen für seine Beamten zu machen. Einschränkung des energischen Vorwärts-strebens, Verringerung des Selbstverantwortlichkeitsgefühls, Aus-bildung der aus der Sozialversicherung genugsam bekannten Renten-krankheiten und besonders der in Zeiten schlecher wirtschaftlicher Konjunktur hervortretenden Rentensucht, sind die weiteren Folgen der Überspanung der Zwangsversicherungsidee.

Muß man, wie aus den eben gemachten Darlegungen erhellt, mit Entschiedenheit an dem Gedanken des Ausbaues der Invalidenver-sicherung festhalten, so hieße es doch mißmutig und untätig bei-seite stehen, wenn man deshalb den auf einer anderen Grundlage auf-gebauten Entwurf des Privatbeamten-Versicherungsgesetzes ohne weiteres zurückweisen wollte. Es ergibt sich vielmehr für den, der an dieser Fürsorgefrage mitarbeiten will, auch wenn er den von der Regierung gewählten Weg nicht für den richtigen hält, die Pflicht, die Vorlage einer sorgfältigen Kritik im einzelnen zu unterziehen, damit, wenn auch nicht der grundlegende Mangel des Entwurfes, so doch manche andere seiner Schwächen beseitigt werden können.

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gemachten Erfahrungen und des sehr lückenhaften Materials, auf dem die neue Vorlage aufgebaut ist, ohne in eine eingehende Erörterung darüber einzutreten, ob die Witwen-Absterbeordnung und die Inva-liditäts-Wahrscheinlichkeit der Angestellten richtig gewählt ist, der Befürchtung Ausdruck gibt, daß man mit den angenommenen Bei-trägen in der Praxis kaum auskommen wird, und zwar dürften es nicht so sehr die Renten sein, die Fehlbeträge veranlassen werden, als die überaus hohen Verwaltungskosten und die Ausfälle bei den Zinserträgen, worüber später noch zu sprechen sein wird. Faßt man die Renten, die den Privatbeamten in Aussicht gestellt sind, ins Auge, so zeigt sich, daß sie nicht unerheblich hinter denen der zweiten Denk-schrift zurückbleiben. Die Grundrente beläuft sich etwa auf 10 bis 18 pCt. des durchschnittlich versicherten Einkommens, sie steigt bei einer 40jährigen Versicherungsdauer auf etwa 30 bis 45 pCt. des Jahreseinkommens. Hieraus ergibt sich, daß man die Invaliden-rente als eine angemessene Versorgung, wie die Begründung sich aus-drückt, kaum bezeichnen kann. Es erscheint als eine recht geringe Unterstützung, wenn ein Angestellter, der 1500 Mk. bezog nach einer Versicherungsdauer von 40 Jahren eine Rente von 510 Mk. oder im Monat etwas über 40 Mk. erhält. Dabei ist zu beachten, daß das pro-zentuelle Verhältnis zwischen seinem Einkommen und seiner Rente für den Versicherten um so ungünstiger wird, je höher er auf der Gehaltsleiter im Lauf der Versicherung gestiegen ist. Denn die Rente wird nicht aus dem zuletzt versichert gewesenen Einkommen, sondern dem Durchschnitt des versicherungspflichtigen Einkommens während der ganzen Dauer der Versicherung berechnet. Zu diesen niedrigen Renten bemerkt die Begründung, daß eine Invalidenrente bereits ge-zahlt wird, wenn der Privatbeamte nur seine halbe Arbeitskraft ein-gebüßt hat. Er wäre demnach in der Lage, unterstützt durch seine

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Kollegen auftreten, da sie, gestützt auf ihre Rente, die ihnen wenigstens einigen wirtschaftlichen Rückhalt gewährt, ihre Arbeitskraft billiger anbieten können. Man könnte sich sogar-denken, daß die Arbeitgeber für gewisse Stellungen, diese berufsinvaliden Privatbeamten vor-ziehen werden, da sie für diese Versicherungsbeiträge nicht zu ent-richten haben, wenigstens enthält die Gesetzesvorlage über die in der Praxis gar nicht selten zu erwartenden Fälle, daß rentenbeziehende Angestellte aufs neue eine Privatbeamtenstellung annehmen, nichts. In diesem Zusammenhang muß die Frage aufgeworfen werden, ob es nicht ein ganz verfehlter Grundsatz der Vorlage ist, für die Rentenberechnung die Beiträge der ersten 10 Jahre zu dem vierten Teile ihres Wertes gelten zu lassen, während alle folgenden nur zu einem achtel desselben gewertet. werden. Hieraus folgt nämlich, daß Angestellte, die mit niedrigen Einkommen begannen, aber später durch ihre Tüchtigkeit zu hohen Gehältern aufsteigen, hinsichtlich ihrer Rente, mögen sie noch so lange versichert gewesen sein, dauernd benachteiligt bleiben.

Die Karenzzeit ist für männliche Versicherte auf 10 Jahre be-messen, also recht lang; während dieses ganzen Zeitabschnittes sind der Versicherte und seine Angehörigen trotz seiner Beiträge ohne jeden Versicherungsschutz. - Ja, die Vorlage sieht nicht einmal, wie dies die Denkschrift nach Ablauf von 5 Versicherungsjahren tat, die Zahlung eines Sterbegeldes an die Hinterbliebenen des Angestellten vor. Dazu kommt, daß die Karenzzeit sich bei länger andauernder Arbeitslosigkeit, wie sie bei den Privatangestellten nach der Statistik der ersten Denkschrift gar nicht selten ist, noch erheblich verlängert. Es wäre in hohem Maße wünschenswert, wenn wenigstens nach einer Versicherungsdauer von 5 Jahren den Hinterbliebenen verstorbener Versicherter ein angemessenes Sterbegeld gewährt werden könnte.

Eine nicht ganz ungefährliche Bestimmung bringt der § 76 der Vorlage. Er verfügt, daß, wenn das Einkommen eines rentenbe-ziehenden Privatangestellten aus seiner Rente und etwaigem Arbeits-verdienst sein durchschnittliches versicherungspflichtiges Einkommen übersteigt, die Rente für den überschießenden Einkommenteil ruht. Es ist der Gedanke nicht von der Hand zu weisen, daß diese Be-stimmung die Arbeitslust rentenempfangender Privatbeamten beein-trächtigt.

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zu haben, so irren sie sich. Es wäre richtiger, nur denjenigen Witwen, die beim Tode ihres Ernährers ein gewisses Lebensalter überschritten haben oder erwerbsunfähig sind, eine Rente in Aus-sicht zu stellen. Die praktische Folge des jetzigen Verfahrens wird sein, daß die Privatbeamtenwitwen auf dem Arbeitsmarkte in den Wettbewerb mit eintreten, und zwar, gestützt auf ihre Rente, zu etwas niedrigeren Gehältern.

Schwer ist es zu sagen, wie man die von der Vorlage in Aussicht genommenen Waisenrenten bezeichnen soll. Die Waisen eines Privat-angestellten mit einem Gehalt von 1500 Mk., der nach 20j ähriger Ver-sicherungsdauer stirbt, erhalten pro Kopf eine Jahresrente von 24,50 Mk. oder von rund 2 Mk. im Monat, nach 30jähriger Ver-sicherungsdauer des Vaters 32,65 Mk. oder rund 2,50 Mk. im Monat. Für Kinder von Angestellten, die 2000 Mk. bezogen, sind die ent-sprechenden Renten 2,60 Mk. und 4 Mk. im Monat. Bezog der ver-storbene Angestellte ein Jahreseinkommen von 3000 Mk., so stellt sich die Monatsrente für seine Kinder nach 20jähriger Versicherungsdauer auf rund 5 Mk., nach 30jähriger auf 6,50 Mk. und bei 4000 Mk. Ein-kommen auf 6 und 8 Mk. im Monat. Die Zuweisungen an die Kinder versicherter Angestellter halten sich mithin in so engen Grenzen, daß man fast meinen könnte, es sei besser, von einer Waisenversicherung, die nicht mehr zu leisten in der Lage ist, ganz abzusehen und dafür eine Erhöhung der Invaliden- und Altersrenten ins Auge zu fassen.

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Zu diesen Organen der Verwaltung kommen die der Recht-sprechung. Bei den Schiedsgerichten sind wohl der Vorsitzende sowie dessen Stellvertreter festbesoldete Beamte. Die Beisitzer, in der Zahl von mindestens 12 für jedes Schiedsgericht, erhalten Reisekosten-Ent-schädigung und Diäten. Das gleiche gilt für das Oberschiedsgericht. Zu den richterlichen Beamten gesellen sich bei den Schiedsgerichten wie beim Oberschiedsgericht die Unterbeamten, Gerichtsschreiber, Registratoren, Sekretäre usw., deren Gehälter die Reichsversicherungs-anstalt zu tragen hat. Endlich müssen sowohl den Schiedsgerichten wie dem Oberschiedsgerichte Bureauräume zur Verfügung gestellt werden.

Uberblickt man alle diese verschiedenen Behörden, Ämter, Stellen usw. und überlegt man, welche Fülle von Druckmaterial seitens der Reichsversicherungsanstalt in Form von Beitragslisten, Aufnahme-karten, VersicherungsAufnahme-karten, Formularen usw. hergestellt werden muß,

welches Heer von hohen und niederen Beamten für die Durchführung der Privatbeamten-Versicherung in Frage kommt, dann wird man mit Recht der Meinung sein dürfen, daß die Kosten der Privatbeamten-Versicherung nicht leicht zu hoch veranschlagt werden können.

Während die Versicherten die Kosten der Versicherung ganz allein zu tragen haben, hält sich ihre Mitarbeit an der Verwaltung in engen Grenzen. Auf die Wahl der leitenden Beamten der Reichsver-sicherungsanstalt haben sie keinen Einfluß. Der Verwaltungsrat ist nur gutachtlich und auch dann nur bei ganz wenigen Fragen von be-sonderer Wichtigkeit zu hören. Auch der Verwaltungsausschuß hat im Direktorium nur beratende Stimme. Seine Befugnisse sind durch-aus formaler Natur. Die Beisitzer der Rentendurch-ausschüsse können zwar bei der Feststellung, Anweisung, Entziehung und Einstellung der Ver-sicherungsleistungen mitwirken, doch sagt der Entwurf nichts über ihre Stellung zu dem beamteten Vorsitzenden und dessen Stellver-treter. Von einer organischen Verbindung der freien Selbstverwaltung mit der sachlich unentbehrlichen behördlichen Einwirkung, von der die Begründung spricht, ist daher wenig zu spüren.

In hohem Maße fordern auch die Bestimmungen über die Ver-mögensverwaltung die Kritik heraus. Die versicherungstechnische Rechnung ist aufgebaut auf einen Zinsfuß von 3y2 pCt. Der Nachweis,

daß diese Verzinsung der Vermögensanlagen unter allen Umständen erreicht werden kann, wird aber nicht erbracht. Die Begründung nimmt an, daß wenigstens in den ersten Jahren des Bestehens der Versicherung etwa 150 Millionen Mk. jährlich zu investieren sind. Hiervon sind 25 pCt. in Reichs- und Staatsanleihen anzulegen. Diese Bestimmung verteidigt die Begründung damit, daß eine vorzugsweise Anlage in Hypotheken illiquide sei und daß die Reichsversicherungs-anstalt an der Befestigung des Staatspapierkurses mitarbeiten müsse, da sie unter dem Schutze der Reichsgesetzgebung stände und die Mit-hilfe der Reichs- und Landesbehörden nicht entbehren könne. Hier-gegen ist zu bemerken, daß die Kapitalanlagen der Lebensversiche-rungsgesellschaften trotz deren großen Bestände an Hypotheken nicht als illiquide bezeichnet werden können, wie jeder zugeben wird, der

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sich mit der Hypothekenanlage näher beschäftigt. Zweitens muß die Verquickung der Finanzpolitik mit der Sozialpolitik, wie sie in der Vorlage versucht wird, auf das allerentschiedenste bekämpft werden. Es ist nicht einzusehen, warum die Privatangestellten der Finanz-politik in die Millionen gehende Zinsopfer bringen sollen, denn mit der Tatsache der Aufsicht des Reiches über die Reichsversicherungs-anstalt, die von den Versicherten teuer genug bezahlt werden muß, kann die Heranziehung des Vermögens dieser Anstalt zu finanz-politischen Zwecken nicht begründet werden. Für die Träger der In-validenversicherung, auf die als Beispiel verwiesen wird, ist die Situation insofern anders, als das Reich zur Invalidenversicherung beträchtliche Zuschüsse leistet.

Da die Verzinsung des in Staatspapieren angelegten Vermögens in Rücksicht auf die zu erwartenden Kursverluste 3y2 pCt. kaum

er-reichen dürfte, muß für die restlichen 75 pCt. des anzulegenden Ver-mögens mehr als 3 % pCt. erzielt werden und zwar, wie die Begründung selbst berechnet, zwischen 3,833 pCt. und 4,167 pCt. Eine solche Zins-rente glaubt die Begründung durch Anlage des Vermögens in Hypo-theken erreichen zu können. Sie hofft aus ihnen eine durchschnitt-liche Verzinsung von 4 pCt. erzielen zu können und verweist hier-bei auf die Lebensversicherungsgesellschaften, die im Jahre 1909 einen durchschnittlichen Zinsfuß von 4,191 pCt. erwirtschafteten. Es ist indessen in hohem Maße fraglich, ob die von Beamten geleitete Reichsversicherungsanstalt die gleiche Rente erreichen kann. Es darf nicht vergessen werden, daß die Lebensversicherungsgesell-schaften ihre Hypothekengelder im wesentlichen wenigen großen Städten, und zwar insbesondere der Stadt Berlin zufließen lassen und daß sie nur infolge dieser örtlichen Konzentration der Kapitalanlagen, durch die die Kosten für die Überwachung und Kontrolle, sowie für die Organisation des Taxwesens verringert werden, in der Lage sind, Kapitalerträge in der genannten Höhe zu erzielen. Die Reichsver-sicherungsanstalt aber muß sich erstens neu in die Hypothekenan-lagepraxis einarbeiten, wobei auch sie wird Lehrgeld zahlen müssen. Zweitens muß sie die bei ihr eingegangenen Gelder, die aus dem ganzen Reiche stammen, auch wieder über das ganze Reich in Form von Hypotheken-Darlehen verteilen. Diese Dezentralisation der

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Hypothekenbe-legung wertvolle Dienste leisten können. Ihre Mitwirkung soll sich auf Entgegennahme von Hypothekenanträgen, Begutachtung der-selben, Auskunfteiteilung über die Hypothekensucher, Vorschläge für die Bestellung von Taxatoren erstrecken und durch eine ent-sprechende Anleitung mit Formularen geregelt werden. Woher die Vertrauensmänner die Zeit und die Kenntnisse nehmen sollen, die nötig sind, um wirklich brauchbare Dienste in Hypothekensachen zu leisten, wird nicht angegeben.

Bei Erörterung der Kapitalanlage in Hypotheken wird von der Begründung ferner nicht berücksichtigt, daß nicht mehr volle % des Vermögens noch für Hypotheken zur Verfügung stehen. Der Gesetzgeber sieht nämlich die Verwendung von bis zu 25 pCt. des Vermögens in Unternehmungen vor, die den Privatbeamten zugute kommen. Er denkt also offenbar an die Benützung des Vermögens für gemeinnützige Zwecke, für Erholungsheime, Genesungsheime, Lungenheilstätten usw. Aus derartigen Kapitalanlagen kann aber eme Verzinsung von mehr als 2 bis 3 pCt. kaum gezogen werden. Endlich verringert sich die anzulegende Vermögenssumme noch um die Summen, die für Verwaltungskosten, den Bau von Verwaltungs-gebäuden, die Schaffung von Bureaus usw. verwendet werden müssen.

Weitere Bestimmungen der Vorlage, die kritisch betrachtet zu werden verdienen, sind die Vorschriften über die Ersatzinstitute. Der Entwurf läßt grundsätzlich Ersatzinstitute nicht zu. Um aber die hier versicherten Privatbeamten nicht zu schädigen, wird die Reichs-versicherungsanstalt zu einer Art Mitversicherungsgesellschaft für die Pensionskassen wie für die bei Lebensversicherungen abge-schlossenen Verträge der Angestellten gemacht. Daß diese Lösung befriedigt, kann nicht behauptet werden. Zunächst ist darauf hin-zuweisen, daß der Entwurf die Ersatzeinrichtungen verschieden be-handelt und in seiner Politik ihnen gegenüber Inkonsequenz zeigt. Bei den Pensionskassen soll die Möglichkeit, die Reichsversieherungs-anstalt als Mitversicherungsunternehmen zu benutzen, dauernd auch i.ach Inkrafttreten des Gesetzes bestehen. Für die bei Lebensver-sicherungsgesellschaften abgeschlossenen Verträge soll dagegen die Benutzung der Reichsversicherungsanstalt als Mitversiclierungsge-scllschaft auf die Zeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes beschränkt bleiben. Auf der andern Seite werden weder die bei Pensionskassen versicherten Angestellten noch ihre Arbeitgeber von der Versiche-rungspflicht befreit, dagegen sind die bei Lebensversicherungsgesell-schaften versicherten Angestellten nicht mehr versicherungspflich-tig, sondern nur ihre Arbeitgeber. Es wäre in hohem Maße wün-schenswert, wenn der Entwurf diese schwankende Haltung aufgeben würde und zu einer einheitlichen Stellungnahme gegenüber den Pensionskassen und den Ersatzverträgen gelangte. Dementsprechend müßte, wenn es sich als unmöglich erweisen sollte, die Anerkennung aller leistungsfähigen Ersatzinstitute durchzusetzen, was von den interessierten Instituten wie ihren Versicherten mit aller Kraft an-zustreben ist, sowohl für die Pensionskassen wie für die bei

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Versicherungen genommenen Verträge dauernd die Reichsversiche-rungsanstalt als Mitversicherungsgesellschaft vorgesehen sein. Zwei-tens wären sowohl die bei Pensionskassen, wie bei Lebensversiche-rungsgesellschaften versicherten Angestellten für ihre eigenen Bei-träge von der Versicherungspflicht zu befreien.

Das Verfahren würde sich dann derart gestalten, daß die Arbeit-geber von bei Pensionskassen versicherten Privatbeamten ihre Bei-träge an die Reichsversicherungsanstalt abführen, die im Versiche-rungsfalle dafür die halben Renten in Aussicht stellt. Diese können der Kasse zur Auszahlung mit deren Renten überwiesen werden.

Bei den bei Lebensversicherungsgesellschaften genommenen Verträgen hätten die Arbeitgeber ihre Beiträge an die

Reichsver-sicherungsanstalt mit oder ohne eventuelle weitere freiwillige Zu-schüsse zu zahlen. Hierfür wären den Angestellten die halben Ren-ten im Versicherungsfall zu überweisen, wobei es gleichgültig ist, ob sich das Rentenanrecht der Angestellten daraus ergibt, daß die Reichsversicherungsanstalt die Arbeitgeberbeiträge behält oder dar-aus, daß sie sich im Falle der Lebensversicherung mit Arbeitgeber-Zuschuß den Teil der Versicherungssumme rechtsverbindlich vom Angestellten abtreten läßt, der dem gesetzlichen, von der Reichsver-sicherungsanstalt an die Lebensversicherungsgesellschaft zwecks Aufrechterhaltung der Versicherung weiter gezahlten beitrag entspricht. Denn die direkte Zurückhaltung des Arbeitgeber-beitrages soll doch nur, ebenso wie die Abtretung eines Teiles der Versicherungssumme, die Reichsversicherungsanstalt in den Stand setzen, den Angestellten die halben Renten in Aussicht stellen zu können. Verfährt man in dieser Weise, dann greift ein einheitliches Verfahren der Reichsversicherungsanstalt gegenüber den bestehen-den Versicherungseinrichtungen Platz. Jetzt ist weder einzusehen, warum die Versicherung bei Pensionskassen die Angestellten nicht für ihre Beitragshälfte von der staatlichen Versicherung befreien sollte, noch, warum die Ersatzverträge bei Lebensversicherungsge-sellschaften nur für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes die Angestellten von der Versicherungspflicht frei machen sollten. Gerade von letzterer kann man sagen, daß bei der Unwahrscheinlichkeit der Zulassung von Ersatzinstituten diese Art der Privatangestelltenver-sicherung in mancher Beziehung eine ideale Lösung ist, weil bei ihr die Selbsthilfe mit dem Staatszwang und die Rentenversicherung mit der Kapitalversicherung geschickt verbunden wird. Ganz be-sonders segensreich wird diese Versicherungskombination werden, wenn die Lebensversicherung, was nicht zu bezweifeln ist, eine dem speziellen Bedürfnis dieses Falles angepaßte Versicherungsart schafft.

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Nichtzulassung derselben Schädigungen entstehen, ist ohne Zweifel. Die Pensionskassen werden gesetzlich gezwungen, einen erheblichen Bruchteil der ihnen zufließenden Beiträge an die Reichsversicherungs-anstalt abzugeben. Dafür erhalten sie Renten, die erstens niedriger sind als diejenigen Leistungen, die die Pensionskasse für die gleichen Beiträge hätte liefern können, zweitens auf Grund ganz anderer ver-sicherungstechnischer Unterlagen berechnet sind und drittens in nicht wenigen Fällen aus dem Rahmen der Versicherungsleistungen der Pensionskassen mehr oder minder herausfallen. Es fragt sich, ob diese Kassen nach wie vor in der Lage sind, unter Hinzuziehung der ihnen von der Reichsversicherungsanstalt gezahlten Renten, ihren Versicherten die gleichen Leistungen zu gewähren, wie früher. Für diejenigen Angestellten, die eine Lebensversicherung abge-schlossen hatten, tritt eine Schädigung durch die Bestimmungen des Entwurfs insofern ein, als sie verpflichtet sind, der Reichsversiche-rungsanstalt den Teil der Versicherungssumme abzutreten, der dem der Lebensversicherungsgesellschaft überwiesenen Arbeitgeberbeitrag entspricht, obwohl ein innerer Zusammenhang zwischen der Höhe des Arbeitgeberbeitrages und der Versicherungssumme nicht besteht.

Diese kurzen kritischen Ausführungen, die in der Diskussion in manchen Punkten von berufener Seite ergänzt werden dürften, lassen erkennen, wieviele und wie schwere Bedenken, sowohl prinzipieller wie materieller Natur gegen den Entwurf zu erheben sind. Möge die heutige Tagung dazu beitragen, ihn zu bessern! (Lebhafter Beifall.)

Vorsitzender:

Das Wort hat Herr Chefmathematiker Schönwiese!

Chefmathematiker S c h ö n w i e s e (Leipzig).

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In zwei Punkten hat die Regierung den an der zweiten Denk-schrift geübten Kritiken Beachtung geschenkt. Sie hat einmal die Versicherungspflicht nur bis zu einem Jahreseinkommen von Mk. 5000 ausgedehnt, während die zweite Denkschrift ausdrücklich eine solche Gehaltsgrenze verwarf. Sodann ist die Höhe der Beiträge besonders für die niedrigen Gehaltsstufen ermäßigt worden, so daß einschließ-lich des Beitrages für die allgemeine Versicherung nach der Reichs-versicherungsordnung auch für das niedrigste Gehalt einer Gehalts-klasse weniger als 10 pCt. des Gehalts an Beiträgen zu entrichten sind. Beide Veränderungen sind durchaus zu billigen, ja man hätte teilweise in der Beitragsbemessung noch weiter herabgehen müssen, da für die unteren Gehaltsklassen die zwangsweise Belastung des Ein-kommens nach dem Entwurf eine zu sehr drückende ist. Ähnlich wie bei der Steuer wäre auch hier ein progressives System am Platze gewesen.

Jedoch ist das Verhältnis der Leistungen zu den Beiträgen das-selbe geblieben wie in der zweiten Denkschrift, so daß überhaupt die dort angewandten rechnerischen Grundlagen maßgebend geblieben sind.

Es mögen daher zunächst die Rechnungsgrundlagen der zweiten Denkschrift betrachtet werden.

Als Zinsfuß hatte noch die erste Denkschrift in Übereinstimmung mit dem sonst bei der Einrichtung der sozialen Versicherung üblichen Verfahren einpn solchen von 3 pCt. angenommen. Auch neuerdings hat man in der Begründung zur Reichsversicherungsordnung bei der Einführung der Hinterbliebenenversicherung und der freiwilligen Zusatzversicherung nur mit 3 pCt. Verzinsung gerechnet. Die erste Denkschrift sagte in dieser Beziehung (S. 20):

„Wie die Erfahrung lehrt, geht der für mündelsichere Anlagen zu erzielende Zinsfuß allmählich, abgesehen von vorübergehenden Steigerungen, zurück."

Es wird sodann ein Überblick über die Zinserträgnisse der Inva-lidenversicherungsanstalten gegeben, wonach anfangs noch 3,67 pCt., später aber nur 3,49 bis 3,53 pCt. erzielt wurden, und zum Schluß wird gesagt: „Es ist klar, daß bei diesen Berechnungen der durch vorstehende Zahlen deutlich zum Ausdruck kommende Rückgang in der Verzinsung berücksichtigt werden muß und deshalb die dauernde Verzinsung nicht höher als mit 3 pCt. in Ansatz kommen darf."

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die Staats-Sonderkasse ihre Kapitalien ebensogut nutzbar wird an-legen können als die Lebensversicherungsgesellschaften. Da ist vor allem die Vorschrift des § 221 Abs. 2 des Entwurfs, wonach min-destens ein Viertel des Vermögens in Anleihen des Reichs oder der Bundesstaaten anzulegen ist. Wenn auch zur Zeit mit solchen An-leihen eine Verzinsung von über 3'% pCt. erzielt werden kann, so können doch sehr bald wieder die Zeiten kommen, wo wie vor 15 Jahren diese Wertpapiere nur eine Sprozentige Verzinsung ergeben. Ferner soll ein Teil des Vermögens in Unternehmungen angelegt wer-den, die ausschließlich oder überwiegend den Versicherten zugute kommen. Dabei ist hauptsächlich an Darlehen an Bauvereine ge-dacht. zwecks Herstellung gesunder und billiger Wohnungen. Außer-dem ist vorgesehen, daß die Reichsanstalt nach § § 43 bis 45 und der dazu gehörigen Begründung Invaliden- und Waisenhäuser errichtet. Für den Teil des Vermögens, der in allen solchen gemeinnützigen An-stalten angelegt wird, ist nur ein geringer Zinsertrag zu erwarten. Nach einer Aufstellung des Regierungsrats Kehl haben die Landesver-sicherungsanstalten bis zum Jahre 1908 im ganzen 196 Millionen Mk. zum Bau billiger Häuser hergegeben, die Verzinsung war im Durch-schnitt 3ys pCt., in der Rheinprovinz nur 3 pCt. (Vgl. Zeitschrift für

die gesamte Versicherungswissenschaft Jahrgang IX, Seite 27 ff.) Man sieht, die Verwaltung der Sonderkasse wird es nicht immer leicht haben, das durchschnittliche Zinserträgnis von 3,% pCt. zu erreichen.

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Rech-nungsgrundlagen zu erwartende um 50 pCt. In den späteren Jahren gelang es, nach eingehender systematischer Belehrung derjenigen Stellen, denen die Begutachtung der Invaliditätsfälle obliegt, dieses Übermaß von Invaliditätsanerkennungen auf ein erträgliches Niveau herabzudrücken. Aber wenn man auch von dieser mit dem Invalidi-tätsbegriff wegen seines subjektiven Inhalts stets verbundenen Un-sicherheit absieht, ist es durchaus zweifelhaft, ob die Gefahrengemein-schaft, die durch § 1 des im Entwurf vorliegenden Gesetzes geschaffen wird, eine einheitliche ist und durchschnittlich einer geringeren In-validitätsgefahr ausgesetzt ist, als die vom Invalidenversicherungs-gesetz umfaßte Versichertengruppe. Unter denjenigen, die der Ver-sicherungspflicht unterworfen werden sollen, sind nicht bloß Personen, die im Bureau arbeiten, sondern auch solche, die ihre Arbeit in Fabrikräumen verrichten, z. B. Werkmeister und Techniker. Diese sind zum Teil den gleichen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt wie die gewöhnlichen gewerblichen Arbeiter. Auch reisende Kauf-leute und Angestellte der Handelsmarine dürften doch wohl höhere In-validitätsrisiken darstellen als die Bureaubeamten im weiteren Sinne. Selbst von diesen ist es aber zweifelhaft, ob ihre Invalidi-tätswahrscheinlichkeit nur ebenso groß ist als der Personenkreis, aus dem die Zimmermannschcn Tafeln konstruiert wurden. Alle die Eisenbahnbeamten, die der Beobachtung unterlagen, wurden vor ihrer Einstellung in den Dienst einer ärztlichen Untersuchung unter-zogen. Die große Masse der Privatangestellten wird aber nicht ärztlich untersucht, ehe sie in ihren Beruf aufgenommen werden; ja ein nicht unbeträchtlicher Teil der namentlich in den niederen privaten Bureaudienst eintretenden jungen Leute erwählt wohl den Schreiberberuf, weil die körperlichen Kräfte für die Ausübung eines Handwerks nicht genügen. Alle diese Erwägungen zeigen, daß sich der Verlauf des Invaliditäts-Eintritts bei der neuen Anstalt nur mit einem beträchtlichen Grade von Unsicherheit im voraus schätzen läßt.

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Abschätzung der Barwerte der Witwenpensionen nach der alten deutschen Sterbetafel 1871/80 eingesetzt, wodurch diese Barwerte um 5 bis 6 pCt. kleiner werden als nach der oben erwähnten neuen Sterbetafel. Dazu kommt noch, daß man diese Barwerte noch weiter herabgedrückt hat durch Einführung des Moments der Wie-derverheiratung der Witwen. Hierfür hat man Wahrscheinlichkeits-werte eingeführt, die nach Beobachtungen bei der Pensionskasse der Abteilung B der preußischen Staatseisenbahnen berechnet sind. Diese ziemlich hohen Zahlen sind natürlich höchst unsicher, und es wäre wohl besser gewesen, die Wiederverheiratung bei der Prämien-berechnung ganz außer acht zu lassen. Es wäre ferner wohl not-wendig gewesen, die Prämienberechnung der zweiten Denkschrift mit den neuen Sterblichkeitszahlen für das weibliche Geschlecht zu wiederholen. Wenn der Einfluß auf die Höhe der Gesamtprämie auch nicht allzu bedeutend ist, wird jedenfalls die neue Reichspen-sionsanstalt nicht umhin können, ihren Bilanzrechnungen die neueste deutsche Sterbetafel zugrunde zu legen.

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der Ablauf der Wartezeit - erfüllt sind, während sonst bei Pensions-kassen und auch bei der österreichischen Pensionsanstalt für Anae-stelite ausgeschlossen sind die Witwen, die erst nach Eintritt der Invalidität oder ein Jahr vor dem Tode und manchmal auch die welche nach dem 50. Lebensjahr des Mannes geheiratet werden Wenn selbstverständlich gegen diese umfassendere Fürsorge nichts einzuwenden ist, so ist doch darauf hinzuweisen, daß durch den Mangel dieser Sicherungen die Wahrscheinlichkeit des Verheiratet-seins in die Höhe getrieben wird, ja, daß vielleicht manche Ehen be-schlossen werden dürften, um z. B. Pflegerinnen von Pensionierten noch eine Pension zu verschaffen.

Die weiteren statistischen Rechnungsgrundlageii, besonders die Annahmen über die Belastung durch Waisenpensionen sollen hier nicht weiter besprochen werden, weil ihr Einfluß auf das Gesamt-ergebnis nur gering ist. Erwähnt sei noch, daß man bei der Schätzung der Sterblichkeit der Invaliden der Forderung der Wissen-schaft, die Abhängigkeit von dem Zeitpunkt des Invaliditätseintritts zu berücksichtigen, nicht Rechnung getragen hat, sondern nur eine einfach nach dem Lebensalter abgestufte Tafel gewählt hat die von Bentzien aus den Erfahrungen von Pensionierten bei den Eisenbahn-verwaltungen. Der Mangel einer für den Personenkreis der Ange-stelltenversicherung passenden Invalidensterbetafel zwang aber die Autoren der zweiten Denkschrift, auf jene ältere Tafel zurückzu-greifen.

Für alle diese statistischen Unterlagen werden übrigens die eigenen Erfahrungen der zu errichtenden Anstalt allmählich die notwendige Korrektur liefern. Zu diesen neuen statistischen Unter-suchungen wird die Anstalt durch § 176 des Entwurfs gezwungen, nach dem sie zur Nachprüfung der Beiträge in fünfjährigen Zeitab-schnitten eine versicherungstechnische Bilanz aufzustellen hat. Nach § 178 kann dann je nach Bedürfnis eine Erhöhung oder Herab-setzung der Beiträge oder der Leistungen vorgenommen werden. In-sofern kann man sich bei der Mangelhaftigkeit der statistischen Kechnungsgrundlagen beruhigen, da sie gewissermaßen nur als vor-läufige Annahmen zu gelten haben.

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Invaliden-Versicherungsanstalten zeigen, daß man dort nicht in der Lage ist, den zahlreichen Anträgen auf Einleitung eines Heilverfahrens statt-zugeben, daß man eine Auswahl treffen und viele, deren Gesund-heitszustand ebenfalls eine Heilfürsorge wünschenswert erscheinen ließe, abweisen muß. Solche Ablehnungen erregen Unzufriedenheit, und dadurch erscheint die Heilfürsorge in den Fällen, wo sie ge-währt wird, als Almosen. Die zweite Denkschrift meint sogar, daß die Fälle, wo Heilfürsorge einzutreten habe, hie.r noch zahlreicher sein werden, wie bei der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung. Aber hier, wo die Beiträge so beträchtlich hoch sind, sollte man keine Leistungen versprechen, deren Gewährung von dem Gutdünken oder Wohlwollen der Verwaltung abhängen oder abzuhängen scheinen. Aus diesem Grunde erscheinen mir auch die Bestimmungen bedenk-lich, wonach einzelne Leistungen, wenn auch nur solche, die relativ sehr selten in Frage kommen werden, von der Bedürftigkeit der be-günstigten Personen abhängig gemacht sind. Es sind dies die Hinterbliebenenrenten, die eventuell durch den Tod einer weiblichen Versicherten fällig werden ( § § 29 und 30). Noch viel weniger kann ich es billigen, daß sich ein Versicherter oder seine Hinterbliebenen die Kürzung der sonst zustehenden Pensionen gefallen lassen muß, wenn daneben noch Ansprüche auf Renten aus der reichsgesetzlichen Arbeiterversicherung bestehen und beide Renten zusammen einen ge-wissen Betrag überschreiten (§ 75). Hart ist auch die Bestimmung in § 76, wonach z. B. die nach Vollendung des 65. Lebensjahres fällige Altersrente, auf die der Versicherte infolge der von ihm ent-richteten Beiträge einen unbestrittenen Anspruch haben müßte, eine Kürzung erleiden kann, wenn der Versicherte noch eine Verdienst bringende Beschäftigung ausübt.

Wenn ich mich nun zu dem Verhältnis von Prämien und

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Anfangsbeträgen einsetzen. Auch der Staat hat sich früher, als er Pensionen zusicherte, von ähnlichen Beweggründen leiten lassen, wie jetzt der einzelne Unternehmer; überdies aber gewährt heut-zutage der Staat seine Pensionen, ohne Beiträge von seinen Ange-stellten zu verlangen. Hier aber werden recht beträchtliche Prä-mien gefordert, die namentlich für die niederen Gehaltsklassen hart an die Grenze der Leistungsfähigkeit gehen, ja diese Grenze für manchen überschreiten mögen. Jedenfalls sind diese Prämien, auch wenn man nur die ausdrücklich vom Angestellten selbst zu zahlende Hälfte ins Auge faßt, so hoch, daß es diesem in Zukunft unmöglich sein wird, außerdem in anderweitiger Form, z. B. durch Abschluß einer Lebensversicherung oder einer privaten Invaliden-versicherung für den frühzeitigen Eintritt des Todes oder Invalidi-tätsfalles Vorsorge zu treffen. Wenn also in der Begründung (S. 71) für die Angestellten „die Befreiung von ihren Zukunftssorgen um das Wohl ihrer Familien" als Ziel und Zweck der neuen Einrichtung hingestellt wird, so ist dieses Ziel durch die Form, die man der staatlichen Pensionsversicherung geben will, zum mindesten für die Jahre der Karenzzeit und lange darüber hinaus nicht erreicht, ja es wird sogar durch sie die sonst vorhandene Möglichkeit einer Ver-sorgung vereitelt.

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solcher Versuche getroffen werden. Nach meiner Ansicht dürfte es sich empfehlen, die Versicherungspflicht für solche Personen auszu-schließen, die später als mit 50 Jahren in einen versicherungspflich-tigen Beruf eintreten. Für die meisten älteren derarversicherungspflich-tigen Personen dürfte ohnehin bei der vorgeschlagenen langen Wartezeit die Ver-sicherungspflicht mehr Plage als Wohltat sein. Die Begründung zum Entwurf behauptet noch, daß eine solche längere Wartezeit für die Angestellten im Hinblick auf ihre gegenüber den Arbeitern vielfach wohl geringere Invaliditätsgefahr unbedenklich sei. Dem ist ent-gegenzuhalten, daß, wenn auch die Fälle, wo der Versicherungsfall nach kurzer Arbeitstätigkeit eintritt, relativ selten sein mögen, sie doch vorkommen und gerade dann die Hilfsbedürftigkeit groß ist. Dasselbe Argument, das hier die Begründung verwendet, könnte man z. B. gegen die Notwendigkeit der Feuerversicherung leichter Risiken verwenden. Für die Übergangszeit der ersten 10 Jahre nach In-krafttreten des Gesetzes will auch der Entwurf wenigstens für die Hinterbliebenenrenten die Wartezeit auf 5 Jahre beschränken und für die weiblichen Versicherten soll allgemein für den Anspruch auf Ruhegeld eine nur 5jährige Wartezeit gelten. Damit hat man wohl das Bedürfnis zu einer Verkürzung der langen Wartezeit auch für die übrigen Fälle zugegeben und man sollte auch noch den weiteren Schritt tun, die Wartezeit in allen Fällen herabzusetzen, am besten auf dieselbe Dauer von 4 Jahren, die die Reichsversicherungsordnung vorsieht. Übrigens ist gar nicht ersichtlich, warum für die Ausnahme-fälle, in denen der Entwurf sich mit einer 5jährigen Karenzzeit be-gnügt, clas Ruhegeld nur ein Viertel der in den ersten 60 Monaten entrichteten Beiträge (die Witwenpension entsprechend 40 pCt. hier-von) betragen soll. Es wäre doch nur konsequent, wenn das Ruhe-geld auf ein Viertel aller entrichteten Beiträge festgesetzt würde.

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der einzige Unterschied; setzen wir voraus, daß das oben angegebene Verhältnis der Beiträge dasselbe bleibt, so setzen die Rentenan-sprüche des ersten in der höheren Klasse Versicherten sofort mit dem Betrage von Mk. 600 ein und bleiben dauernd um Mk. 50 höher als die Ansprüche des zweiten, der jährlich ebenso hohe Beiträge zahlt. (Der Anschaulichkeit halber sind die 80 Pfg. Beitrags-differenz hierbei vernachlässigt.) Man sieht hieraus, daß eine Hinausschiebung des Endes der Wartezeit verbunden ist mit einer relativ sehr erheblichen Vergrößerung der Rentenansprüche. Diese letztere ist von bedeutend größerem Werte als die Verlänge-rung der Wartezeit der Anstalt finanziell Vorteil bringen kann. Hieraus geht wohl hervor, daß es falsch ist, die Wartezeit nach der Zahl der geleisteten Beiträge zu bemessen, nur die seit dem Ein-tritt in die Versicherung verflossene Zeit darf maßgebend sein. In gewissen Fällen, nämlich für militärische Dienstleistungen und Krankheiten, ist durch § 52 auch bereits vorgesehen worden, daß durch diese keine Verlängerung der Wartezeit bewirkt wird. Es würde die gleiche Vergünstigung für alle übrigen Fälle der unter-bliebenen Beitragszahlung zu gewähren sein, was man am ein-fachsten erreicht, wenn man dem § 49 eine solche Fassung gibt, daß einfach die verflossene Zeit das Ende der Karenzperiode bestimmt.

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