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Die fachsprachlichen Postulate und ihre Relativierung

Im Rahmen der heutigen synchronisch orientierten Fachsprachenforschung werden insbesondere die sogenannten Postulate der Fachkommunikation fokussiert, nämlich Exaktheit, Ökonomie und Anonymität (vgl. Baumann 1998b; Fijas 1998; Oksaar 1998).

Paradoxerweise sollen in der Fachkommunikation im Idealfall vor allem diese Probleme, und zwar die Mehrdeutigkeit und Ambiguität, die wir eigentlich bei vieler theoretischen Bestimmungen der Begriffe Fach und Fachsprache sowie Text, festgestellt haben, vermieden werden. Das Streben nach Exaktheit ist nämlich die wichtigste Eigenschaft der Fachkommunikation, sowohl aus synchronischer als auch aus diachronischer Perspektive. Wie Baumann (1998b: 376) bemerkt, dient sie „seit der Antike eine präzise Verständigung zwischen den Fachleuten“ und sie wird sowohl mit sprachlichen als auch mit außersprachlichen Mitteln realisiert:

Die Forderung nach Exaktheit in der fachlichen Kommunikation setzt voraus, daß sich in konkreten Fachgebieten kommunikative Strategien herausbilden, die eine eindeutige und für den Rezipienten unmißverständliche Bindung des sprachlichen und nichtsprachlichen Ausdrucks an den jeweiligen fachwissenschaftlichen Sachverhalt, Gegenstand oder Prozeß ermöglichen (z. B. Verwendung von künstlichen Sprachen, Formeln, Symbolen, Graphika) (ebd.).

Das Phänomen betrifft nicht nur die lexikalische Ebene, es geht, wie Baumann noch betont, um eine erkenntnistheoretische Frage, die auch das komplizierte Verhältnis zwischen Sprache und Wissen wiederspiegelt:

Im weiteren wollen wir unter dem Phänomen der Exaktheit die historisch-konkrete erkenntnistheoretische Qualität des subjektiven Widerspiegelungsbezuges zur objektiven Realität verstehen. Der Prozeß der Vergesellschaftung hat es mit sich gebracht, daß die Individuen entsprechend ihrer verschiedenen Erfahrungen, ihres spezifischen Wissensstandes und ihrer jeweiligen Interessen am widerzuspiegelnden Objekt die Wirklichkeit als Erkenntnisobjekt mehr oder weniger adäquat abbilden. Daraus ergibt sich ein konkreter Grad der Exaktheit bei der Darstellung der Realität. Dieser befindet sich im Schnittpunkt eines komplexen Beziehungsgefüges, in dem sowohl der Mensch als erkennendes und kommunizierendes Subjekt als auch die Wirklichkeit als Erkenntnisobjekt wichtige Bezugspunkte darstellen. Der erkenntnistheoretische Aspekt der Exaktheit ist somit ein Ergebnis des gesellschaftlichen Erkenntnisprozesses und wird im Kommunikationsprozeß von den Individuen über die verschiedenen Ebenen des Sprachsystems erschlossen. Die sprachliche Existenzform der Exaktheit hingegen wird in der Fachkommunikation vor allem von drei Merkmalen bestimmt. (ebd.)

Hinsichtlich der Frage nach dem Erkennen der Exaktheit in den Texten, listet Baumann drei Merkmale auf, darunter auch „die Determination der lexikalischen Bedeutungen, die mit den (fachsprachlichen) Ausdrücken konventionell verbunden sind“(ebd.), d.h. Gebrauch einer festgelegten (in der heutigen Kommunikation auch institutionell normierten) Terminologie. Im Fall von Fachlehrtexten geht es um eine besondere Form von terminologischem Gebrauch, der darauf abzielt, bzw. abzielen sollte, die Termini zu verdeutlichen, leicht einprägen zu lassen und in ihrer diskursiven Einbettung darzustellen.

Die „Orientierungsebene“ (Bongo 2008: 241), die das Lehrbuch zu schaffen versucht, dient auch dazu, diese konventionelle feste Verbindung zwischen lexikalischen Einheiten und damit bezeichneten außersprachlichen Gegenständen zu veranschaulichen.

Das Phänomen der Exaktheit betrifft jedoch nicht nur die lexikalische Ebene, sondern es lässt sich auch in Bezug auf die Textstruktur erkennen, die mit der Frage der Textsortenbestimmung eng verbunden ist:

Im Bereich der Fachkommunikation haben sich somit strukturell und funktional relativ stark genormte Textsorten herausgebildet (Baumann 1992, 152 ff). Die Normierung betrifft z. B. die Art der Verknüpfung der Aussagen im Text bzw. die Spezifik des Beziehungsgefüges von außer- und innersprachlichen Faktoren im Text (Makrostruktur). Zudem kann nicht übersehen werden, daß sich in bestimmten

Fachtexten bereits Textmodelle der Gliederung eines Sachproblems (Textbauplan) herausgebildet haben. Interdisziplinäre Untersuchungen haben gezeigt, daß diese Fachtexte in einzelne inhaltliche Segmente zerfallen, denen bestimmte lexikalische, syntaktische, stilistische u. a. Elemente zugeordnet werden können (vgl. z. B.

Fachtextsorten Beipackzettel, Patentschrift, Gebrauchsanweisung). (Baumann 1998b:378)

Hinsichtlich der anderen Prinzipien der Fachkommunikation, nämlich Anonymität und Ökonomie (vgl. Fijas 1998; Oksaar 1998), muss betont werden, dass sie umstrittene Phänomen sind, die aus diachronischer Sicht noch problematischer erscheinen. Was unter Anonymität in der Regel zu verstehen ist, ist das Streben nach einer möglichst objektiven Beziehung zu den wissenschaftlichen Gegenständen. Es liegt auf der Hand, dass jede subjektiv konnotierte Aussage vermieden werden soll. Im Idealfall soll der Text nämlich so geschrieben und gelesen werden, als ob dahinter kein Autor stecken würde bzw. zu erkennen sei. Da jedoch Sprache bzw. Kommunikation in der Realität immer an SprecherInnen und ihren kulturellen Horizonten gebunden ist, und trotz allen Bemühungen zur objektiven Darstellung davon beeinflusst wird, ist das Prinzip der Anonymität schon aus synchronischer Perspektive als relative Größe aufzufassen, die sich aus diachronischer Perspektive wegen der notwendigerweise unterschiedlichen Schreibtradition noch schwerer zu verfolgen wäre. Da es weniger ergiebig gewesen wären, nach den sprachlichen Mitteln zu suchen, die ein solches Postulat verwirklichen würden bzw. zu verwirklichen versuchen hätten, stellte sich eher in dieser Studie die Frage, ob die Autoren versucht haben, dieses Postulat bewusst zu berücksichtigen oder eventuell sich bewusst dagegen geäußert hätten. Subjektiv konnotierte Aussagen können nämlich zum Zweck der Veranschaulichung von Inhalten bewusst verwendet werden, so wie manchmal in der didaktischen Kommunikation der Fall ist. Adamzik betont bezüglich der Relativierung solcher Prinzipien, dass sie eigentlich eher als Ausdruck der Maxime der Kommunikation zu interpretieren seien:

Sollte es irgendwelche Varietäten geben, die man dadurch charakterisieren könnte, dass sie nicht effizient und ökonomisch sind? Das steht eigentlich in direktem Widerspruch zu einem der kanonischen Theoreme der Pragmalinguistik, nämlich den Konversationsmaximen von Paul Grice. Danach unterstellen wir, dass sich die Leute genau so ausdrücken, „wie es von dem akzeptierten Zweck […] gerade verlangt wird“ (Grice 1975/1979: 248); d.h. sie orientieren sich immer an den

Maximen Ökonomie, Effizienz, Klarheit usw. Maximale Präzision und Explizitheit sind aber nur in besonderen Fällen effizient bzw. situativ angemessen. (Adamzik 2018: 89)

Sie kommen jedoch in Fachsprachen mit besonderer Ausprägung aus stilistischen aber vor allem funktionalen Zwecken vor und diese Besonderheit (so wie bei allen Varietäten, die eben nur dadurch als solche überhaupt anerkannt werden können) wird erst durch einen Gegenpol ersichtlich. Nur im Vergleich zu der sogenannten Gemeinsprache (die natürlich auch ein Konstrukt ist) scheinen Fachsprache als besonders exakt, ökonomisch und anonym zu sein.