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Einige Riesen, auf deren Schulter die (deutsche) Medizin(Sprache) steht

4. Übergang zur Diachronie

4.2. Einige Riesen, auf deren Schulter die (deutsche) Medizin(Sprache) steht

in den Texten des 18. Jahrhunderts, die in dieser Studie analysiert wurden (vgl. 6.4. und 6.5.).

und Padua) waren (vgl. Eckart 2009: 62-70). Grundlage der westlichen Medizin waren arabische Werke, die im 10. Jahrhundert geschrieben wurden:

Im 10. Jahrhundert erlebte die arabische Medizin ihre erste Blüte durch Übersetzungen, Kompilationen, systematische Übersichten, aber auch durch Erweiterungen und Ergänzungen der antiken Schriften. Dies geschah besonders durch

- Razes (850–932); Liber continens, Liber medicinalis, - Haly Abbas; Liber regalis,

- Isaak Judaeus (ca. 850–950); Bücher über Medizintheorie, Diät, Uroskopie, Fieber; und durch

- Avicenna (980–1037); Canon medicinae.

Avicennas Canon medicinae sollte wegen seiner geschlossenen und einheitlichen Darstellung der Medizin das grundlegende Werk des Mittelalters werden. Die fünf Bücher des Canon widmeten sich der theoretischen Medizin (I), der Arzneimittelkunde (II), der speziellen Pathologie und Therapie (III), der Chirurgie (IV) sowie in einem Antidotarium der Arzneimittellehre (V). (ebd.: 68)

Nach dem Niedergang des orientalischen Reiches entwickelten sich Klöster einerseits als Übersetzungszentren des gesammelten umfangsreichen medizinischen Wissens, und andererseits als Ausbildungszentren:

Im Westen entwickelten sich im Frühmittelalter die christlichen Klöster zu den wichtigsten Orten literarischer und kultureller Pflege. Hier wurden die überlieferten medizinischen Texte teils in umfangreichen Handschriftensammlungen zusammengetragen, teils aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt. Sie wurden zusammengefasst und vor allem immer wieder mühsam kopiert.

Selbstverständlich war es nicht nur literarisches Interesse, das die Mönche zur Abschrift antiker medizinischer Manuskripte veranlasste. (ebd. 69)

In diesem Zusammenhang entstand die sog. Benektinregel, die die Krankenversorgung als christliche Verantwortung erklärte. Dabei waren in der Krankheitslehre theologische Ansätze natürlich entscheidend, die auf die Auffassung von Krankheitsprozesse als Teil göttliches Plans basierten:

Iatrotheologie: Der Versuch, Krankheit, auch wenn ihre natürlichen Ursachen möglicherweise erkennbar sind, als Teil eines göttlichen Plans, als unmittelbaren Ausdruck göttlichen Wollens und Handelns zu verstehen. Krankheit und Leiden werden dabei als göttliche Strafe (»Weswegen?«) oder als Weg (»Wozu?«), etwa in der Nachfolge Christi verstanden. Christus selbst verkörpert idealtypisch zugleich den Weg zum Heil durch Krankheit und Leiden wie auch den christlichen Arzt schlechthin (Christus medicus). Im christlichen Mittelalter wird die Iatrotheologie über die Apostel sogar dem Beziehungssystem aus Humoralpathologie, Qualitätenpathologie und Iatroastrologie implantiert. Beispiel: Apostel Paulus – Mars – Choleriker – Galle – gelbe Galle – Trocken/Heiß. (ebd.:70)

Im Laufe des 12. Jahrhunderts entwickelten sich die ersten institutionalisierten Schulen für Medizin, dabei ist die Schule von Salerno (die eigentlich schon im 10. Jahrhundert ihre Arbeit begonnen hatte), wo unter anderem der bekannte Konstantinus Afrikanus ihre Übersetzungsarbeiten leistete, als wichtigstes Beispiel zu nennen (ebd.: 72). Mit dieser Schule, und vor allem mit der Figur des Könings Friedrich II (1194-1250) sind die ersten Ausbildungsverordnungen verbunden:

Für die Ausbildung zum Arzt befahl der Verordnungstext, dass keiner Medizin studieren solle, »wenn er nicht mindestens drei Jahre Logik studiert« habe. Das eigentliche Studium der Medizin sollte dann fünf Jahre dauern und als »Teil der Medizin« auch die Chirurgie umfassen. Lehrstoff des Studiums seien »die echten Bücher des Hippokrates und Galen« in ihren theoretischen und praktischen Teilen.

Aber auch nach Ablauf der fünf Studienjahre dürfe der Arzt nur unter der Voraussetzungsarbeiten, dass er »ein volles Jahr lang unter Anleitung eines erfahrenen Arztes« die Kunst ausgeübt habe. Für den ärztlichen Alltag legte Kaiser Friedrich fest, dass der Arzt den »Armen seinen Rat unentgeltlich« zu erteilen, zahlungsfähigen Patienten aber eine Taxe aufzuerlegen habe, die sich nach ihrer Entfernung vom Wohnort des Arztes berechne. Neben diesen Anweisungen für die ärztliche Tätigkeit erstreckte sich das Reglement von 1240 auch auf die Arbeit des Apothekers sowie auf den Ausbildungsgang des Chirurgen. Für die Apotheke regelte es die Herstellung, Aufbewahrung und den Verkauf von Arzneimitteln; für die Chirurgen im Geltungsbereich der Verordnung legte Friedrich fest, dass auch sie schriftliche Zeugnisse der in Salerno lehrenden Professoren vorzuweisen und wenigstens ein Jahr lang anatomische und chirurgische Sachverhalte studiert haben mussten. (ebd. 73).

Zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhunderten entwickelten sich dann die tatsächlichen Universitäten, deren Ausbildungsmethoden von der scholastischen Philosophie stark geprägt waren:

Zu besonderen Kristallisationspunkten der universitären Medizinerausbildung entwickelten sich Paris, Bologna und Padua. Jedoch wurde die Medizin auch hier, wie an anderen Universitäten, zunehmend von der scholastischen Methode der Wissensvermittlung und -verarbeitung beeinflusst. Autoritätsbefangenheit, Dogmatisierung und syllogistische Spitzfindigkeiten traten an die Stelle der fortschrittlichen Ansätze der frühen Medizinschulen von Salerno und Montpellier.

Das ideologisch-philosophische Konzept des Studiums – nicht nur der Medizin – bestand nun in absoluter Autoritätshörigkeit und scholastischer Dialektik. Der Hochschullehrer las und interpretierte die Schriften der antiken Autoritäten, vor allem Galens, daneben aber auch die Texte der byzantinischen und arabisch-mittelalterlichen Kompilatoren und Kommentatoren (Avicenna). (ebd. 75)

Eine solche Einstellung zu den älteren Autoritäten prägte tendenziell die medizinische Ausbildung bis zur Aufklärung. Unterschiedliche Profilen waren auch in der Frühen Neuzeit in der Heilkunde tätig: Neben den akademisch gebildeten Ärzte gab es noch die professionellen Figuren, die sich außerhalb des akademischen Bereichs gebildet hatten, wie eben Wundärzte aber auch Bader, Apotheker und Hebammen sowie nicht-autorisierte Mediziner (vgl. Benzenhöfer 2002: 48). Der Kanon der akademischen Medizin, die immer noch lateinsprachig war, war, wie angedeutet, noch an die alten Autoritäten wie Galen und Hippokrates, aber auch die arabischen Ärzte wie Avicenna verbunden, die schon die mittelalterliche Heilkunde bestimmt hatten. Der allgemeine theoretische Hintergrund des medizinischen Wissens blieb die Humoralpathologie, obwohl, wie es im Folgenden ersichtlich wird, sich eine neue kritische Auseinandersetzung unter anderem dank des Werks Paracelsus durchsetzt. Die Vorlesungen, die er teilweise in deutscher Sprache in Basel hielt, sorgten nicht nur wegen der Sprachwahl, sondern auch wegen seiner Distanzierung von den humoralpathologischen Theorien (vgl. ebd.:67-68) für einen Skandal. Neben der traditionellen Medizin übte noch die medizinische Alchemie einen großen Einfluss auf Paracelsus aus (vgl. ebd. 50).

Die Wichtigkeit der Erfahrung in der medizinischen Praxis ist also keine Entdeckung der Neuzeit. Obwohl sie nur nach der Aufklärung systematisch als Erkenntnisinstrument

aufgefasst und theoretisch fokussiert wurde, war ihr Gewicht als Wissensquelle schon seit dem Mittelalter und noch deutlicher in der Renaissance anerkannt. Das lässt sich besonders gut in den hier vorgestellten Texten erkennen, die eben als praxisorientierte Lehrinstrumente gedacht waren. Paracelsus, der bekanntlich kein gewöhnlicher akademischer Arzt war, äußerte sich schon für die Wichtigkeit der erfahrungsbasierten Medizin (vgl. Kapitel 5).

Die Wurzel der Aufklärung in der Medizin liegen aber vor allem in den Arbeiten von Vesal, deren Beschreibung des Blutkreises nicht nur neue Einblicke in die Anatomie liefert, sondern auch die Tür zu einer neuen Arbeitsweise und Denken in der theoretischen Medizin, die immer deutlicher praktisch orientiert wurde, eröffnet. Eckart (2009) sieht dazu im Universalgelehrter Albrecht von Haller die Verkörperung der Idealen der Aufklärung in der Medizin:

In der Person von Hallers […] vereinigten sich die zentralen Postulate und Ziele jener kultur- und wissenschaftshistorisch so bedeutende Epoche:

der Versuch, auch in der Wissenschaft die selbstverschuldete Unmündigkeit zu überwinden,

Maßstäbe der Vernunft an wissenschaftliches Denken und Handeln anzulegen,

sich einer mathematischen und exakt-deskriptiven Begrifflichkeit zu bediene und

das wissenschaftliche Experiment als Prüfstein reproduzierbarer Erkenntnisbildung zu nutzen.“

(ebd.:173)

Das 18. Jahrhundert ist in der Medizin traditionell mit der Überwindung der alten Säftelehre verbunden. Der Paradigmawechsel geschah jedoch, wie üblich, schrittweise und wurde von vielen Überlappungen mit den alten humoralpathologischen Thesen gekennzeichnet.

Wittern (1993) betont, dass die Medizin in der Aufklärungsphase in einer „existentiellen Krise“ (ebd.: 245) geraten war, die eben unter anderem als Folge des Untergangs des humoralpathologischen Paradigmas zu interpretieren sei. Als größtes Ereignis der

deutschen Aufklärungsphase in der Medizin sieht sie auch die Arbeit von Haller, insbesondere seine 1752 in Göttigen gehaltene Vorlesung „De partibus corpis humani sensilibus et irritabilibus“ (ebd. 246), die die von ihm untersuchten Irritabilität der Muskelfaser und die Sensibilität der Nerven (vgl. ebd.) vorstellte. Ein solches Ereignis muss natürlich im Kontext vorheriger Entwicklungen in der Medizingeschichte eingebettet werden, insbesondere das von René Descartes eingeführte Bild des Menschen als Maschine und die neuen Auffassungen, die mit der Iatrophysik verbunden waren:

Unter Iatrophysik ist ein Konzept zu verstehen, in dem alle Lebensvorgänge durch die Gesetze der Physik determiniert sind, sich mathematisch berechnen lassen und mechanisch erklärbar sind. Die Organe des Körpers werden dabei, reduktionistisch vereinfacht, gewissermaßen als technische Geräte aufgefaßt […] in letzter Konsequenz wird also der menschliche Organismus zu einem Werkzeugkasten.

(ebd. 247).

Wichtigster Vertreter des deutschen Mechanismus, dessen europäischen Höhepunkt in der Veröffentlichung von „L´homme machine“ von Lamettrie (1748) erreicht wurde, war Friedrich Hoffman. Die Auffassung des Menschen als Maschine stellte zwar ein fruchtbares Erklärungsmodell vieler medizinischer Prozesse dar, sie ließ jedoch noch eine wichtige Frage offen, nämlich „die Frage nach der Selbstbewegung und Empfindungs-bzw. Reaktionsfähigkeit des Organismus als unzulänglich.“ (ebd.). Daran anknüpfend entwickelte George Ernst Stahl sein Konzept des Animismus:

Der Körper wird zum Organismus durch die ihn belebende und seinen Tätigkeiten Ziel und Zweck verleihende Seele, die als immateriell und unteilbar gedacht wird. Daß jedoch auch dieser Entwurf das Lebensproblem nicht lösen könnte, hat schon Leibnitz in unmittelbarer Reaktion auf Stahl gezeigt, indem er auf die Unmöglichkeit des von Stahl postulierten „influxus psychicus“ verweis: etwas Unkörperliches wie die Seele könne niemals körperliche Prozesse in Bewegung setzen (ebd.)

Hallers experimentelle Studien waren der erste bedeutende Schritt aus dieser Sackgasse (ebd.:248) und seine Arbeit wurde unter anderem von den Einstellungen Boerhaaves beeinflusst, der „im Ruckgriff auf Hippokrates die Medizin als Erfahrungswissenschaft erklärt [hatte]“ (ebd.), worauf Hallers Misstrauen jeglicher Spekulation und nicht beweisbaren Aussagen basieren:

Haller konnte die Irritabilität und Sensibilität nur dadurch als dem Leben inhärente Kräfte entdecken, daß er durch konsequente Anwendung von Beobachtung und Experiment die Forderung Francis Bacons an die neuzeitliche Wissenschaft verwirklichte. Eine solche erfahrungsbasierte Forschung spiegelte sich auch in seinen Unterrichtsmethoden der akademischen Anatomie wieder, die von der von Humboldt plädierten Einheit zwischen Forschung und Lehre, die die moderne akademische Lehre bestimmt, geprägt waren (vgl. ebd.).

Infolge der Aufklärung entwickelt sich ein neues (auch medizinisches) Bildungsideal, das sich auch in der akademischen Lehre wiederspiegelt. Darüber hinaus beginnt im 18.

Jahrhundert das Prozess der Emanzipation der traditionell als zweitrangig behandelten praktisch orientierte Chirurgie von der akademischen Medizin, die seit der Antike als Autorität und einzige zuverlässige Wissensquelle anerkannt war. In diesem Jahrhundert entwickelt sich nämlich die klinische Medizin, die ursprünglich sehr eng mit gesellschaftlich-politischen Fragen verbunden war:

Im Gewande des Neohippokratismus gelangt die klinische Empirie zur Blüte, Studenten werden am Krankenbett ausgebildet. In der öffentlichen Gesundheitspflege des »aufgeklärten« Absolutismus wird die Medizin als Staatsarzneykunde und Medicinische Policey zur Dienerin des Staates. Zusammen mit der Geburt des modernen Krankenhauses und der Einführung präventivmedizinischer Maßnahmen beschleunigt die »Staatsarzneykunde« den Prozess der Medikalisierung. (Eckart 2009: 157)

Von einer tatsächlichen Verbindung zwischen Universität und Chirurgie war jedoch noch nicht die Rede. Die Berliner Charité, die ursprünglich selbst ein Pesthaus zur Vermeidung von Kontagien war, stellte nur ein erster bedeutender Schritt in dieser Richtung dar, indem sie den ersten Operationsaal integrierte (vgl ebd.: 178):

Gleichwohl kann von einer Vereinigung von Chirurgie und akademischer Medizin noch keine Rede sein, auch wenn das 1727 in Berlin gegründete »Collegium medico-chirurgicum« eine solche Gleichstellung zumindest dem Namen nach suggeriert. Die Trennung zwischen Chirurgie und akademischer (innerer) Medizin wurde im Verlaufe des 18. Jahrhunderts aber zunehmend als Missstand empfunden, und erste Bestrebungen zu einer Wiedervereinigung setzten ein. So finden wir in vielen Medizinalordnungen vornehmlich der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Anordnungen aufgenommen, die sich auf eine Ausbildungsverbesserung der

Chirurgen richteten. Auch entstanden besondere Schulen für angehende Chirurgen.

In Wien etwa wurde 1785 die Josefinische Medizinisch-Chirurgische Akademie gegründet und in Berlin entstand 1796 die Chirurgische Pépinière, aus der am Ende des 19. Jahrhunderts die »Kaiser-Wilhelms-Akademie für das Militärärztliche Bildungswesen« (1885) hervorgehen sollte. (ebd.)

Mit diesem Prozess der Verbesserung der chirurgischen Ausbildung sowie der Verbindung zwischen Chirurgie und theoretischen Medizin, die u.a. politisch motiviert war, waren auch Eller und Hufeland involviert (vgl. Kapitel 5.3.).