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Intertextualität

Zweiter Teil: Ergebnisse

6. Ergebnisse

6.2. Fachsprachliche Auffälligkeiten

6.1.4. Intertextualität

Krankheitsheilung, zu veranschaulichen bzw. der Autor verwendet kein linguistisches Mittel, um den Adressaten zu einer solchen Verbindung bewusst einzuladen. Was er in den Beispielen zeigen will, ist nur, dass das besprochene Phänomen ein Zeichen dafür ist, dass die Krankheit gerade heilt. Dass die Krankheitsheilung dazu ein Krieg impliziert bzw. als solcher konzeptualisiert wird, scheint in diesem Kontext eine konventionelle Gegebenheit zu sein. Dass diese Metapher schon konventionell war, kann im Rahmen dieser Studie nur aus kontextuellen Daten angenommen und durch die Literatur zum Gebrauch der Metaphern verstärkt werden (vgl. Kapitel 2.4): Die Hypothese sollte aber natürlich durch ein größeres Korpus mittelalterlicher medizinischer Texte problematisiert werden.

und ein Vernünftiger verachtet sie nicht“. Dabei geht es also formell um eine Paraphrase, die die Funktion hat, eine „Stützung“ (vgl. Brinker 2014: 73) der im argumentativ strukturierten Kapitel behandelten These zu geben. Als erstes implizites Argument, das die These der Überlegenheit der Medizin unter allen anderen Wissenschaften unterstützt, wird dementsprechend das Wort Gottes angegeben. Dieser erste intertextuelle Hinweis dient dazu, die unbestreitbare Gültigkeit des Dargestellten zu betonen bzw. einen mächtigen Beweis dafür zu geben.

Die von Riha (1992) als grundlegend festgestellte Quelle für diesen ersten Teil des Werkes wird aber erst im Kapitel 8 ausdrücklich eingeführt, wobei Ortolf jedoch nicht auf den Autor, sondern auf das Werk, das das Lehrbuch des persichen Arzts Rihas ist (vgl. Riha 2014b: 31), hinweist:

Wie Meister Almanson [Almason ist nicht Autor, sondern Adressat des Textes vgl.

ebd.] in seinem Buch schreibt: Gott hat den Knochen über dem Gehirm stark und fest gemacht, damit es durch Schläge oder Stürze nicht leicht beschädigt wird.

(Riha 2014b: 31)

Als Almanson der meŸster schreibt in seŸnem buch: got hat das pen gemacht über das hiren starck vnd veste, wann der sŸnn vnd desz lebens vil daran stet, das es von slegen oder von velle nicht leichtiglich verderbet wird. (Riha 2014a: 44)

Hier handelt es sich also um eine Textnachweise, die die explikative Themenentfaltung einleitet:

Kapitel 8 […] kann als extrem knappe Zusammenfassung von Rhazes´ Cap. II angesehen werden, das in zwei Spalten die verschiedenen Arten der Knochen vom Schädel bis zu den Zehen in Aussehen und Lage zueinander beschreibt. (Riha 1992: 17)

Weitere intertextuelle Hinweise, die als Textnachweise erscheinen und implizit auch die gleiche Funktion ausüben, sind im ganzen Werk mehrmals zu finden, wobei nicht das Wort Gottes, sondern das Werk anderer Ärzte als Garantie dient:

Merk dir, dass, wie Meister Konstantin im Buch „Pantechne“ sagt, manche Körperteile am Menschen heiß und trocken sind, manche kalt und feucht. (Riha 2014b: 32)

 Hat aber der Kranke zwei oder drei Tage gelegen und seine Kraft verloren, dann - so sagt Hippokrates in den Aphorismen - soll man kein Abführmittel geben, weil seine

körperliche Verfassung und seine Kraft zu schwach geworden sind. Ist die Krankheit und die Hitze sehr groß und hat der Mensch starken Durst, so gibt es - sagt Galen - auf der Welt nichts Besseres als Gerstenwasser, denn es kühlt und stärkt die natürliche Feuchtigkeit. (Riha 2014b: 37)

 Wenn er hartleibig ist (so lehrt Gilbertus in seinem Buch), dann mach ihm folgenden Einlauf (ebd.58)

 Man soll ihnen folgendermaßen helfen, sagt Meister Gilbertus: sobald der Mensch hinfällt, soll man ihn zur Ader lassen (ebd.59)

 Macer sagt, dass Pfingstrostensamen große Hilfe bringen, wenn man sie den Kindern

um den Half hängt. (ebd.60)

Im 11. Kapitel weist Ortolf, wie das erste Beispiel zeigt, auf das Werk Konstantins hin, aber Riha bemerkt in diesem Zusammenhang, dass, „obwohl Ortolf sich auf Konstantins von Afrika Panthechne beruft (11,1a), […] deutlich [wird], daß beide Werke hier in derselben Tradition stehen und daß Rhazes genauso gut benutzt worden sein kann.“

(Riha 1992: 9).

Der zweite Teil wird als deutsche Übersetzung der Monographie über die Harnschau von Isaak ben Salomon Israeli, die Ortolf aus der lateinischen Version von Konstantin kannte (vgl. Riha 2014b.: 38), vorgestellt:

Isaak, ein Nachkomme von König Salomon, schrieb in Arabien ein Buch über den Harn - das Beste, das Gott jemals schuf. Davon hörte ein Meister, der Konstantin hieß, ein Mönch von Monte Cassino, und er übersetzte es aus dem Griechischen ins Lateinische. Jetzt will ich, Meister Ortolf, mit Gottes Hilfe und im Namen des ewigen Gottes dieses Buch zum Heil meiner Seele in die deutsche Sprache übertragen (ebd.)

Neben Isaak, gibt Ortolf als Quelle dieses Traktats Aegidius Corboliensis an, der ein Harngedicht geschrieben hatte (ebd. 44):

 Dies sagt Aegidius über den Ring, der an der Oberfläche des Harns erscheint: Ist der Ring breit, dick und wasserfarben, bedeutet er eine Krankheit im Hinterhaupt durch Kälte und Feuchtigkeit. (ebd.)

  Auf Aegidius wird auch in Bezug auf die Pulsdiagnostik verwiesen:

  Merk dir: Wenn du die Finger auf den Puls legst - wie Aegidius im Buch von Puls sagt -, sollst du sie nicht wegnehmen, bis er hundertmal geschlagen hat. (ebd. 47)

 Es lehrt Aegidius: Ist der Puls groß und stark bei einem Gesunden, bedeutet das ein gesundes Herz. (ebd.)

Ein ganzer Teil des Arzneibuchs, nämlich der vierte, ist, wie schon angedeutet, der Lehre von Hippokrates gewidmet, die Ortolf in deutscher Sprache vorstellen will. Dabei werden die Grundlagen seiner Theorie in sechs Kapiteln behandelt. Im ersten Kapitel werden die allgemeinen Prinzipien der hippokratischen Theorien eingeleitet:

Meister Hippokrates, der größte Meister der Medizin, der je geboren wurde, wie alle Gelehrte zugestehen, der sagt, dass das Leben kurz ist und die Kunst lang und schwer, denn das Leben nimmt von Tag zu Tag ab und die Kunst wächst durch die Lehre vieler Meister. Deshalb verfasste er in lateinischer Sprache folgende kurz gehaltene Lehrschrift, die ich in diesem Buch übersetze. (Riha 2014b: 49)

Aus dieser einleitenden Bemerkung wird nochmals die Wichtigkeit der intertextuellen Dimension, bzw. das Bewusstsein einer solchen Wichtigkeit für die medizinische Lehre, ersichtlich. Ortolf gibt eigentlich schon im ersten Kapitel an, dass der Inhalt des Textes aus anderen Büchern stammt, ohne sie gleich aufzulisten, er verweist aber im Zusammenhang mit bestimmten Themen auf die entsprechenden Autore oder Werke. Im Kapitel 28 werden Hippokrates und Galen als Quelle angegeben. Auch solche Autoren und die entsprechenden Werke, sowie diejenige, die im 74. und 87. Kapitel genannt werden, nämlich Avicennas Canon und Odo von Meungs Macer, waren dem Autor bestimmt bekannt, aber sie gelten wahrscheinlich nicht als direkte Quelle des Werkes:

Es gibt […] keinen Anhaltspunkt dafür, dass Ortolf diese zusätzlichen Texte wirklich zu Rate gezogen hat; er dürfte sie vielmehr mittelbar durch seine anderen Quellen kennengelernt haben, denn dort wurden sie systematisch ausgewertet.

(Riha 2017: 20)

Das 47. Kapitel eröffnet den 7. Teil des Arzeibuchs, der die Krankheiten, der damaligen Tradition folgend, systemantisch von Kopf zu den Füßen beschreibt, dabei werden die Quelle nicht aufgelistet, aber, wir Riha bemerkt (1992), geht es um das Lehrbuch von Gilbertus. Zum Zwecke dieser Untersuchung ist es interessant zu merken, dass nicht nur auf die sogenannten Sekundär- sondern auch auf die Primärliteratur im Text berücksichtigt wird bzw. als Quelle infrage kommt, auch wenn sie nicht direkt gelesen wurde. Die von Riha (1992) festgestellte Hauptquelle des dritten Teils wird zum Beipiel

in den Kapiteln 58 und 60 genannt, und dabei geht es um das obengenannte Gedicht von Aegidius Carboliensis. Schließlich verweist Ortolf in Bezug auf die Kopfkrankheit auf das Lehrbuch Gilbertus, und zwar in den Kapiteln 83 und 87.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Textsorten, die als Quelle für diesen Lehrtext dienen, sehr heterogen sind: Es geht nicht nur um Traktate, die aus heutiger Sicht als Primärliteratur gelten würden, sondern auch um ein Gedicht und ein Lehrbuch, die dagegen ihrer Natur nach als Sekundärliteratur zu betrachten wären. Dass ein Lehrbuch als Quelle für ein weiteres Lehrbuch dient, ist nicht selbstverständlich aus heutiger Perspektive, aber auch nicht unbedingt auszuschließen: Es stellt sich dementsprechend die Frage, welche Texte als Quelle der heutigen Lehrbücher der Medizin dienen. Eine solche Frage stellt sich vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass auch der einzige Text dieser Studie, der eine Bibliographie enthält (der Lehrtext von Hufeland vgl. Kapitel 5.5.) intertextuelle Hinweise auf weitere Lehrtexte aufweist. Aus einem formellen Gesichtspunkt, lässt sich auch feststellen, dass Ortolf die intertextuelle Dimension in Form von Textnachweisen angibt:

Die Werke der angesprochenen Autoren werden weder kommentiert bzw. problematisiert noch wörtlich zitiert, sie werden nur als Quelle ausdrücklich angegeben und zusammengefasst, und, da das damalige medizinische Wissen auf die Autorität der klassischen Medizin basierte, dienen sie auch als Beweis der Gültigkeit des Dargestellten bzw. Ortolf bezieht sich ausdrücklich auf eine etablierte kanonische Wissenstradition, deren Kenntniss für grundlegend für die medizinische Ausbildung gehalten waren. Dabei ist aber neben der wiederkehrenden Formel „wie X sagt“, die zum Teil auf den allegmeineren formelhaften Charakter des Textes zurückzuführen ist, kein formales Muster zu erkennen.